Erstellt am: 12. 11. 2010 - 12:36 Uhr
Staatlicher Banküberfall
Die Banken haben sich in der Finanzkrise nicht gerade beliebt gemacht. Als (Mit-)Verursacherinnen der Krise im Gerede, lässt sich mit Maßnahmen politisch gut punkten, die den Banken Gegenleistungen für ihre Rettung durch die öffentliche Hand aufknöpfen. Im Fahrwasser des Vorschlags von US-Präsident Obama hat die österreichische Regierung nach langem Gezerre innerhalb der Koalition schließlich eine Bankenabgabe beschlossen.
Die Banken wehrten sich von Anfang an, und probierten im Lauf der Zeit verschiedene Argumente aus:
Wir sind nicht schuld!
Lange Zeit brachten die heimischen Banken das Argument, es sei unfair, sie zu belasten, weil sie die Krise nicht verursacht hätten: Es seien die US-Finanzhäuser mit ihrer Casino-Mentalität, die für die Krise verantwortlich seien, während heimische Häuser ein solides konservatives Bankgeschäft betreiben, das aufgrund der allgemeinen Panikstimmung in der Krise zu Unrecht ins Gerede gekommen sei. Das Argument ist zweifelhaft: Das Kreditgeschäft in Osteuropa hat die österreichischen Banken in den Jahren vor der Krise schnell sehr groß werden lassen und war auf die Annahme gebaut, dass diese Region weiter wachsen wird – durch die Krise wurde aber klar, dass große Risiken damit verbunden sind, wenn diese Annahme nicht hält, und einmal viele Kredite nicht zurückgezahlt werden könnten.
Deshalb ist das Gegenargument, dass sich die Banken vielleicht übernommen haben, und eine Steuer dazu beiträgt, sie wieder etwas einzubremsen: Eine Steuer schmälert die Gewinne der Banken und sollte so auch allzu hochtrabende Expansionsfantasien in Zukunft eindämmen.
EAV
Verbesserungsvorschläge
Als das nichts nützte, brachten die Banken den Vorschlag, dass die Bankensteuer vor allem danach bemessen werden sollte, wie stark Institute im Geschäft mit Derivaten und anderen spekulativen Instrumenten engagiert sind. Das klang nach einem vernünftigen Vorstoß, die Steuer als Lenkungsinstrument zu designen, als eine Art Strafe für Spekulation. Heimlicher Hintergedanke: Weil in Österreichs Banken solche Instrumente keine große Rolle spielen, würde die Steuerbelastung entsprechend gering ausfallen. Aus Steuerperspektive fragt sich allerdings, wozu man eine Steuer an einen Tatbestand knüpfen soll, der sowieso nur eine untergeordnete Rolle spielt. Und schließlich soll die Steuer ja auch Einkünfte für den Staat bringen, als Kompensation für die Hilfe, die den Banken in der Krise zuteil wurde.
Habt Mitleid!
Auch diese Argumente schienen politisch nichts zu fruchten, also versuchte es die Bankenbranche mit der Mitleidsmasche: Die Banken würden von mehreren Seiten gleichzeitig belastet – denn nicht nur die Bankensteuer drohe, sondern gleichzeitig werden international neue Eigenkapitalregeln für die Banken erlassen. Tatsächlich müssen die Banken künftig infolge der so genannten „Basel III“-Regeln (= das zum dritten Mal reformierte Regelwerk des internationalen Bankenaufseher-Komitees mit Sitz in Basel) mehr Vorräte bilden, um für den nächsten Krisen-Winter gewappnet zu sein. Diese Anforderungen treten jedoch nur in ganz kleinen Schritten mit jahrelangen Übergangsfristen in Kraft, sodass das Szenario einer überbordenden Doppelbelastung nicht wirklich ersichtlich ist.
In der Trotzphase
Schließlich, und in diesem Stadium befinden wir uns jetzt, verlegten sich die Banken auf eine Trotzhaltung: „Wenn die Steuer kommt, wandern wir ab, z.B. nach Osteuropa“ und „Wir werden die Steuer an die Kundschaft weitergeben“. Das mit dem Abwandern fällt eher unter das Kapitel „leere Drohung“: Nachbarstaaten wie Deutschland und Ungarn besteuern die Banken auch. Und ob arme osteuropäische Nachbarstaaten in der nächsten Krise auch so hilfreich großzügige Rettungspakete schnüren können und wollen wie Österreich 2008, darf bezweifelt werden – können also als Standort von Bankenhauptquartieren schlecht mithalten.
Die Prognose, dass die Steuer durch Gebührenerhöhung von der gesamten Bankenbranche voll auf die Kundschaft weitergegeben würde, hätte wohl in jedem anderen Industrieland ein sofortiges Einschreiten der Kartellbehörde zur Folge gehabt: Wer so eine Aussage tätigt, hat offenbar Informationen über verbotene Preisabsprachen, die mit der Wettbewerbsordnung unvereinbar sind. Solche Absprachen hatten in Österreich lange Tradition, doch seit dem EU-Beitritt dachte man, damit sei Schluss: 2002 wurden acht heimische Banken in einer Kartellklage der EU-Kommission gegen den so genannten „Lombard Klub“ zur Zahlung von 120 Millionen Euro Strafe verurteilt. Andere Staaten haben die Einführung einer Bankenabgabe sogar mit besonderen Sicherheitsmaßnahmen versehen: In Schweden gibt es eine Bankenabgabe und begleitend einen monatlichen Bericht über die Gebühren und Gewinnspannnen im Bankensektor, der Versuchungen einbremst, die Kosten durch munteres Gebühren-Erhöhen zu überwälzen.
Alles Populismus!?
Zu guter Letzt gibt es noch eine politische Kritik: Die Bankensteuer sei eine rein symbolische populistische Maßnahme. Das stimmt: Der Bundeskanzler zielte mit der Ankündigung auf Titelblätter im Boulevard, die er angesichts der schlechten Stimmung gegen Banken auch bekam. Wenn es um das Eintreiben von Kompensationsleistungen bei den Verursachern der Finanzkrise ginge, dann müssten die Wohlhabenden, die von der Finanzmarktexpansion der Jahre zuvor hauptsächlich profitiert haben, massiv zur Kasse gebeten werden. Dass es nur die Banken trifft, liegt daran, dass sie im Gegensatz zu den Reichen im öffentlichen Kreuzfeuer stehen und daher Bankensteuern politisch leichter durchsetzbar sind als umfangreiche allgemeine Vermögensteuern. Aber ist die Bankenabgabe deshalb falsch?