Erstellt am: 14. 11. 2010 - 11:03 Uhr
Angus & Julia Stone
"You are mine, I am yours, let's not fuck around"
(Angus & Julia Stone - "Draw Your Swords")
"I'm not yours anymore"
(Angus & Julia Stone - "I'm Not Yours")
Eine Frau liegt auf dem Fußboden. Sie wirkt hellwach, erzählt vom Ende einer Beziehung, vom Unglück mit den Männern. Langsam verändert sich der Fußboden. Eine dicke Rauchschicht zieht über ihren Körper und umhüllt ihre Hände. Was folgt, ist der freie Fall, ein Flug übers Meer, eine Halluzination. Wie in einem Hippie-Traum tanzen Kinder im Kreis um sie herum. Das alles scheint so unwirklich. Es ist anzunehmen, dass die Frau nicht mehr lebend vom Boden aufgestanden ist.
Mit diesen Bildern habe ich eine Band kennengelernt, die mich von diesem Zeitpunkt an ständig begleiten sollte: Angus & Julia Stone.
Down the Way
Mit "And The Boys" beginnt 2009 meine Liebe zu Angus & Julia Stone. Mit einem anderen Song der beiden ("For You") endet aber auch eine Liebe, nämlich jene von Julia Stone zu ihrem damaligen Partner. "For You" ist eine musikalische Liebesbotschaft, die Julia per E-Mail an ihren Lover schickt, der auf einem anderen Kontinent weilt. Er sendet ihr auch drei Tage später eine musikalische Antwort zurück. Aber nicht einmal mit viel Fantasie ist darin eine Liebesbotschaft zu erkennen. Außerdem stammt der Song aus dem Heavy Metal Genre. Das ist zuviel für Julia. Das Ende der Beziehung ist besiegelt. Auch wenn diese Anekdote nicht gerade jenen Mut macht, die in einer Fernbeziehung stecken, ist es der narrative Beginn von "Down the Way", dem aktuellen Album von Angus & Julia Stone.
Angus & Julia Stone
Der Legende nach ist es das Klavier von Fran Healy, dem Travis-Sänger, das die gemeinsame musikalische Karriere von Angus & Julia Stone startet. An diesem komponiert und spielt das Geschwisterpaar aus Newport, nahe den Stränden Sydneys, im Jahr 2006 zum ersten Mal zusammen. Zuvor geht man musikalisch trotz familiärer Bindung getrennte Wege. Vom Vater schon früh in die Schulkapelle geführt, könnten die Unterschiede zwischen Bruder und Schwester nicht größer sein: Angus liebt die rustikalen Rocker (wie er übrigens bei seinem großartigen Soloprojekt "Lady of the Sunshine" beweist), Schwester Julia ist fragil, schwebend und klingt zerbrochen wie Jolie Holland. Jeder der beiden sammelt für sich Bühnenerfahrungen: unter anderem als Support für Rufus und Martha Wainwright und Damien Rice.
Hörtipp:
- 2010 hat Julia Stone auch ein wunderbares Solo-Album veröffentlicht: "The Memory Machine".
Dass man trotzdem auch musikalisch zueinander findet, liegt nicht nur an Fran Healys Klavier, sondern auch an den mehr als positiven Kritiken im Heimatland Australien. Dort ist man von den zarten Folk-Kompositionen begeistert und Angus & Julia veröffentlichen in Down Under immerhin 6 EPs und ein famoses Debüt namens "A Book Like This". Mit dem zweiten Album gelingt ihnen aber nun der große Wurf. "Down the Way" wurde auf drei Kontinenten aufgenommen, unter anderem in einem zu einem Studio umfunktionierten alten Sägewerk in Cornwall, das man nur per Boot oder als furchtloser Eisenbahnschienen-Wanderer erreicht. Das Album profitiert von solchen Lokalitäten. Der Opener "Hold On" eröffnet eine der besten Platten dieses Jahres.
Geschwisterliebe einmal anders
Rough Trade
Es braucht schon ein bisschen, um die Dramaturgie von "Down the Way" zu verstehen. Auf 13 Stücken wird die komplexe Handlung zweier Menschen erzählt, die für viele vielleicht zu langatmig, für andere zu melancholisch ist. Aber in der Tat wirken Angus & Julia Stone auf diesem Album weniger wie Bruder und Schwester, sondern dramaturgisch wie zwei Liebende, die im ständigen Wechselspiel auftreten und sich so einen Schlagabtausch liefern.
Während man noch von der Klaviermelodie von "Hold On" in den Bann gezogen wird, hört man auch schon "For You", das Stück, das das Ende der Liebe von Julia Stone besiegelt. Es ist ein utopisches Liebesstück, das vom Ungleichgewicht einer Partnerschaft erzählt: "If you love me I'll make you a star in my universe/you'll never have to go to work." Julia klingt zerbrochen, kaum hörbar flüstert sie den Text. Es folgen Angus' Momente mit "Black Crow" und "Big Jet Plane", der kleine "Hit" dieser Platte. Groß sind die beiden allerdings, wenn sie auf die Erwartungshaltungen der Rezeption pfeifen und das gewohnte 3-4-Minuten-Popsong-Korsett brechen. Das gelingt etwa mit "Yellow Brick Road", das sich am Ende ein dreiminütiges Instrumental inklusive sonnengebräunter Gitarre gönnt.
Angus & Julia Stone
Die wirklich besten (unter den so vielen großen) Momente dieses Albums sind aber jene, die Bruder und Schwester gegenüberstellen. Das Duo "Draw Your Swords" und "I'm Not Yours" ist für mich das Schönste, das dieses Jahr veröffentlicht wurde. Zuerst kommt die Angus-Nummer, in der er den wütenden Mann gibt, der seiner Geliebten zuerst ins Ohr flüstert: "You are mine, I am yours, let's not fuck around", bis er in einer wütenden Schrei-Orgie untergeht, weil sie sich ihm verwehrt. Dann kommt die zarte Stimme von Julia im nächsten Song, die sich von ihrem Geliebten wegreißt: "You're the only one that wants me around/And I can think of a thousand reasons why I don't believe in you, I don't believe in you and I/I'm not yours anymore". Wow. Auf dieses herzzerreißende Duett folgen die Tränen des Teufels. Ein passender Abschluss eines großartigen Albums.
Angus & Julia Stone in Österreich-Nähe:
- 14.11. München: Backstage
Die restlichen vier Deutschland-Auftritte sind ausverkauft.
Manchmal fehlt nur ein Quentchen Glück, dass eine großartige Band den Sprung ins Rampenlicht schafft. Anfang 2010 habe ich Angus & Julia Stone schon erwartungsvoll angekündigt und vor einigen Monaten auf mein Open Mike-Mixtape gesetzt. Auch Kollegin Eva Umbauer hat ihr Herz für das australische Geschwisterpaar geöffnet. Fehlt eigentlich nur noch ein Österreich-Auftritt, der immer noch auf sich warten lässt. Diese Band hat sich ein größeres Publikum verdient. Denn wer "You're The One That I Want" aus "Grease" covert, hat mein Herz auf alle Ewigkeit gewonnen.