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6. 11. 2010 - 12:02

"Russland den Russen"

Hitler-Gruß und Nazi-Symbole, der Ruf nach Faschismus und dem Vertreiben von Nicht-Russen aus dem Land: Am 4. November marschierten 5.000 Neonazis in Moskau auf.

Markus Müller ist ORF-Korrespondent in Russland und schreibt den Blog www.ostblog.tv

Von Markus Müller

5.000 Neonazis waren bei der Demonstration in Ljublino, am Stadtrand von Moskau, und mehrere hundert bei Demonstrationen in anderen russischen Städten. Seit Jahren zeigen die russischen Neonazis am 4. November, dem sogenannten Tag der Nationalen Einheit wie stark sie sind - und die Polizei schaut einfach zu.

Russischer MArsch der Nashi

EPA/Yuri Kochetkov

"Russland - russische Macht", brüllt Alexander Belov in Mikrofon. Russland den Russen, Europa den Weißen. Belov ist Anführer der DPNI - der Bewegung gegen illegale Einwanderung, einer der stärksten rechtsextremen Gruppen Russlands. Eine breite Koalition rechter Gruppen marschiert hier gemeinsam: Monarchisten, Ultra-Konservative Christen, Neonazis. Ihr gemeinsames Ziel: Russland muss wieder stark werden, Nicht-Russen sollen aus dem Land geworfen werden.

Wir sind dagegen, dass unser Land von Leuten überflutet wird, die keine Russen sind, die hier stehlen, morden, vergewaltigen, zum Beispiel die Leute aus dem Kaukasus. Ein Wahnsinn! Russland für die Russen!, meint eine junge blonde Frau, die einen Schal in den Farben der russsischen Fahne um den Hals geschlungen hat. Andere laufen in Gewändern herum, die ähnlich aussehen wie SS-Uniformen, Bomberjacken und Springerstiefel sind ebenfalls stark vertreten. Als zwei junge Burschen hören, dass wir aus Österreich sind heben sie begeistert ihre Hände zum Hitlergruß.

Einer der Ordner hat sein Gesicht hat er hinter einer schwarzen Maske versteckt, am Arm trägt er eine rote Binde: An Stelle des Hakenkreuzes ist dort eine Rutenbündel mit einer Axt - das Symbol des italienischen Faschismus. Ihren Worten lassen die russischen Rassisten auch Taten folgen: Allein im letzten Jahr sind mindestens 72 Menschen bei Überfällen von Rechtsextremisten ermordet worden, erklärt Natalja Judina von der Rassismus-Beobachtungsstelle Sova.

Russischer MArsch der Nashi

EPA/Yuri Kochetkov

Bis vor drei Jahren waren vor allem die so genannten Kaukasier in Gefahr, Gastarbeiter aus Zentralasien, illegale Zuwanderer. Inzwischen haben die Neonazis ihre Taktik geändert. Im Internet tauchen Drohungen gegen konkrete Personen auf, gegen Aktivisten und Antifaschisten. Vor einem Jahr wurde der Richter Eduard Tschuwaschów ermordet, der in zwei Prozessen Nazi-Skinheads zu langen Haftstrafen verurteilt hat.

Auch die Aktivisten von Sova werden bedroht, der Vorsitzende schläft inzwischen jede Nacht in einer anderen Wohnung, seit seine Adresse in einem Neonazi-Forum bekannt gegeben wurde, gemeinsam mit der Aufforderung: "Bringt ihn um". Die Regierung unter Wladimir Putin habe lange mit dem Nationalismus gespielt und ihn als Propagandamittel eingesetzt, sagt Judina. Doch seit die Neonazis immer mehr Menschen umbringen habe sich das geändert: Ich glaube die Macht hat endlich verstanden, dass da vor ihren Augen ein großes Problem entsteht und hat aufgehört, neonazistischen Tendenzen zu instrumentalisieren. Früher hat es sogar bei den Wahlen solche Parteien gegeben, viele haben versucht, ihre Bewegungen zu legalisieren. Das ist vorbei. Die radikalen Nationalisten haben die Idee aufgegeben, mit der Macht zusammenarbeiten zu wollen, und die Macht arbeiten nicht mehr mit ihnen zusammen.

Russischer Marsch der Nashi

EPA/Yuri Kochetkov

Vor zwei Jahren wurde der Straftatbestand Rassimus neu eingeführt, in den letzten Monaten wurden mehrere Neonazis zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die Bewegungen gleiten jetzt immer mehr in den Untergrund ab und richten sich gegen den Staat, sagt Judina: Heuer gab es mehrere Angriffe auf Polizeidienststellen, sehr bekannt waren auch die so genannten Fernöstlichen Partisanen: Eine Gruppe junger Männer, die rund um Wladiwostok monatelang einen Kleinkrieg gegen die Behörden führten. Bei der Zerschlagung der Gruppe im Juni begingen zwei von ihnen Selbstmord. Bei den Ultra-Nationalisten bei der Demonstration in Ljublino gelten diese Menschen als Helden. Und einer der Führer der National-Patriotishen Front Georgij Borvikov, ein junger Mann mit Hitler-Bärtchen, macht auch klar, wie er sich die politische Zukunft vorstellt: "Der Liberalismus, die bouergoise Demokratie ist am Ende, genauso der Kommunismus. Wir brauchen einen dritten Weg, und historisch gesehn ist das der Faschismus - der dritte Weg für eine normalen Entwicklung der Gessellschaft: Russen nach vor!"

Laut russischem Innenministerium gibt es 150 verschiedene rechtsextreme Organisationen, gegen die aber, so Natalja Judina, viel zu wenig unternommen wird.