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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

3. 11. 2010 - 18:15

Ein französischer Roman

Frederic Beigbeder schreibt in seinem neuen Roman vor allem wieder über: Frederic Beigbeder.

Sie stehen rund um die schwarze Motorhaube eines vermutlich teuren Autos, möglicherweise ein Porsche und ziehen Koks-Lines. Sie, das sind Dichter, Schriftsteller, Künstler eben. Aber nicht jene namenlosen, die Dosenbier trinken müssen, sondern jene, für die vereinzelt rote Teppiche ausgerollt werden und die von Covers lachen. Beigbeder ist einer von ihnen.
Als plötzlich die Polizei auftaucht, wandert Beigbeder zusammen mit einem Dichter-Freund in Polizeigewahrsam aka Untersuchungshaft.

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Normalerweise auch in Frankreich ein Bagatell-Delikt, wegen dem man im Normalfall nicht mal festgenommen wird, im Falle Beigbeders möchte die Pariser Polizei allerdings ein Exempel statuieren. Der Cocktail-Promi, an dem man sich endlich rächen kann, der selbstgefällige, affig-dandyeske Schriftsteller sieht nun, was seine Stadt außer Vernissagen und Modeschauen noch zu bieten hat.

Ein Teil dieses Buches, nämlich jener, wo Beigbeder im Knast sitzt, beschäftigt sich unter anderem damit, sich für die sicher erlittene Demütigung des Eingesperrtseins zu revanchieren.

"An diesem schrecklichen Nachmittag also will Jean-Claude Marin (der Staatsanwalt) einem Promi, der die ganze Nacht kein Auge zugetan hat, eine ordentliche Lektion in Klaustrophobie erteilen. Jean-Claude Marin hält sich für meinen Vater. Zurück, Fremder! Du wirst in diesem gerade mal toleriert, Eindringling. Zu meiner Familie gehörst Du noch lange nicht! Ich weise Dich darauf hin, dass Du ein Gefangener dieser Erzählung bist, Jean-Claude Marin, lebenslänglich."

Frederic Beigbeder auf dem Cover seines Romanes "Ein französischer Roman"

Piper Verlag

"Ein französischer Roman" von Frederic Beigbeder ist im Piper Verlag erschienen und wurde von Brigitte Große aus dem Französischen übersetzt.

Der andere Teil von "Ein französischer Roman" aber beschäftigt sich, wie üblich, mit dem Ego des Hauptprotagonisten und der heißt eben immer Frederic Beigbeder. Dennoch weicht dieses Buch von seinem üblichen Schema insofern ab, als nun gewissermaßen Rückblicke in die eigene Vergangenheit die sonstigen rauschschwangeren inneren Monologe ersetzen. Die Selbstverliebtheit macht Beigbeder oft angreifbar, auch medial erweckte sein Auftreten oft diesen Eindruck, ein bisschen wie der ignorant-zynische Schnösel, den Hugh Grant oft spielt. In einer Gesellschaft, die vom Streben nach Ego-Optimierung aber scheinbar besessen ist, kann man ihm das allerdings auch teilweise nachsehen.

Wenigstens geht Beigbeder in dieser Erzählung aber erstmals auch ein paar Schritte zurück. Bis dato hat er meist damit geprahlt, an seine Kindheit und Jugend keinerlei Erinnerungen zu haben. Das holt er, induziert durch Gefängnis und Kokain-Entzug, in diesen Stunden nach. Zum ersten Mal erinnert er sich. An die Großeltern und ihre Geschichte unter den Nazis, die Eltern und deren Scheidung, seine Kindheit an einem Strand im Baskenland und den übermächtigen Bruder, in dessen Schatten er stets stand.

Stück für Stück fügt Beigbeder die Bruchstücke seiner Entwicklung zusammen und beginnt zu verstehen, was aus ihm geworden ist: ein Kind von 42 Jahren.
Schockiert von dieser Entdeckung klettert ein teils geläuterter Schriftsteller aus den Katakomben der Ile de la Cite. In einer berührenden Schlussszene erzählt er nach der Entlassung seiner Freundin am Telefon:

"Hallo, mach Dir keine Sorgen, ich werde Dir alles erzählen... es geht schon, ich beende gerade einen Ausflug ins Nicht-Leben. Kannst Du mich trösten kommen? Und vergiss nicht, Deine Arme mitzubringen, ich habe die Absicht, darin zu schlafen. Übrigens liebe ich Dich. Und weißt Du was? Kann gut sein, dass ich ein Mann geworden bin."

Spätestens im nächsten Roman wird man wohl sehen, ob Beigbeders Läuterung eine dauerhafte ist, wenn irgendwann das Ego und nun auch seine Geschichte minutiös betrachtet wurde, wird es irgendwann auch mal Zeit, das Ding zusammen zu stutzen. Seine Leser würden es ihm danken, wenn es auch mal um anderes ginge als die Person Frederic Beigbeder. Das schriftstellerische Potential dazu hätte er allemal.