Erstellt am: 3. 11. 2010 - 18:55 Uhr
Ich möchte Teil keiner Jugendbewegung sein
In der heutigen Basement Show im House of Pain, ab 22.00 Uhr, hört ihr ein Interview von Boris Jordan mit Gabriel Kuhn, dem Autor des Buches "Sober Living For The Revolution", zur Geschichte und Gegenwart der Straight Edge Bewegung.
Die Geschichte von Straight Edge ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Man könnte sogar behaupten, dass Straight Edge ein einziges Missverständnis ist, ein Jugendbewegung gewordenes Missverständnis quasi. In den Achtzigern war Straight Edge das Dagegen im Dagegen, der Punk im Punk, und so hat Straight Edge seine Spuren nicht nur bei den Straight Edgern selbst hinterlassen.
Gabriel Kuhn, in den USA aufgewachsener und in Stockholm lebender Tiroler, hat im Buch Sober Living For The Revolution - Hardcore Punk, Straight Edge and Radical Politics eine politische Geschichte des Straight Edge geschrieben - auch, weil er mit dem Missverständnis konfrontiert war, dass Straight Edge in Europa quasi ausschließlich als linke Jugendbewegung aufgefasst wurde. In den USA war es das ganz und gar nicht, dort (und inzwischen nicht nur dort) gibt es sogar eine recht starke rechte Straight Edge Szene.
cc David Shankbone
Ian MacKaye, Bassist der Teen Idles, später Sänger von Minor Threat, heute Sänger und Gitarrist von Fugazi und The Evens, hat mit seinen Songs "Straight Edge" und "Out of Step" der Straight Edge Bewegung einen Namen gegeben.
Der hedonistische Imperativ...
Gabriel Kuhn beleuchtet die Bewegung in seinem Buch vor allem aus einem Blickwinkel: Don't drink, don't smoke, don't fuck eben nicht als Selbstzweck, sondern als Weg zu politischem Bewusstsein. In Interviews, Originaltexten, und Essays von GastautorInnen zeichnet er ein Bild der Szene, die mit den Jahren immer vielfältiger geworden ist. Ein Highlight steht gleich ganz am Anfang: ein ausführliches Interview mit Ian MacKaye, dem Godfather des Straight Edge, dem Bewegungsgründer wider Willen. Er erklärt seinen sehr persönlichen Zugang, warum er sich so heftig dagegen wehrt, der Begründer einer Bewegung genannt zu werden - und warum Straight Edge für ihn trotzdem eine immense politische Bedeutung hat.
When I wrote the song "Straight Edge" I wasn't writing about something new. I wasn't saying, 'Hey, here is a new way to live!' I was talking about the way that people live to begin with. Later I read so much about the 'straight edge lifestyle', and I was confronted with it all the time. There have been so many times when I would read something like, 'Ian MacKaye is a practicioner of the straight edge lifestyle'. A few years ago it finally hit me what was so annoying about it: it's no fucking lifestyle! A lifestyle is something that one chooses... But being straight is the base, that's what's underneath all of this! We're born that way!
PM Press
...und die nüchterne Gegenreaktion
Ein weiteres Highlight ist das Interview mit Dennis Lyxzén, Sänger von Refused und später der (International) Noise Conspiracy aus Schweden; ManLiftingBanner aus Amsterdam, eine der ersten europäischen Straight Edge Bands, erzählen über Straight Edge aus kommunistischer Perspektive, Nick Riotfag, ein Queer Edge Aktivist aus North Carolina schreibt über die Verbindung von Straight Edge und Homosexualität und das Manifest der Band Point of No Return aus Brasilien, das Straightness aus lateinamerikanischer Perspektive mit Globalisierungsthemen verknüpft, findet sich ebenso im Buch, wie Interviews mit feministischen, veganen und antifaschistischen Straight Edge AktivistInnen.
"With radical Queers, I have never had a problem... There's room for all types in my queer community, as long as we're all fighting towards liberation for us all. That's the most important thing.
(Interview mit Lucas).
Within mainstream society, includinig mainstream gay society, there is a certain backlash against people who choose radical sobriety; a sort of 'you think you're better than me?' reaction. One time this normal gay wanted me to go to the clubs whith him, and I told him I wasn't interested. He told me that I need to 'own it', implying that by not being interested in drug and club culture I was somehow not living up to gay standards. That seems to be a pretty common attitude."
Don't smoke! Don't drink! Don't fuck!
Chris Riebenbauer über die Anfänge von Straight Edge.
It's a political thing
Gabriel Kuhn beleuchtet lokale Szenen in Israel, Schweden, Polen, Brasilien und den USA; eine Timeline und ein Glossar runden das Buch ab.