Erstellt am: 3. 11. 2010 - 12:33 Uhr
Rot & begraben
Ensemblefilme, vollgepackt mit alternden Actionhelden, erfreuen sich heuer großer Beliebtheit in Hollywoods Produzentenkreisen. Kein Wunder, sprechen sie doch auch eine nicht mehr ganz junge, ihren Idolen treue und am Download-Wahnsinn eher weniger interessierte Publikumsschicht an.
Siehe das explosive Comeback der Herren Stallone, Lundgren, Rourke & Co. als "Expendables" oder das Mexploitation-Spektakel "Machete", in dem es neben dem bald 70-jährigen Danny Trejo auch Steven Seagal, Don Johnson oder Robert DeNiro krachen lassen.
Kurz vor dem heimischen Start von Robert Rodriguez' Oldtimer-Schlachtfest dürfen wir einer weiteren Frührentnergang beim fröhlichen Gemetzel zusehen. "Red", sehr frei nach einer Vorlage des genialen Comicautors Warren Ellis, bezieht sich in seinem Titel auf ein internes CIA-Kürzel für bestimmte Agenten, die die Pension angetreten haben: Retired, Extremely Dangerous.
Concorde Verleih
Frank Moses ist einer dieser einst brandgefährlichen Männer, der mittlerweile nur mehr seine Ruhe will. In einem beschaulichen Häuschen in der Vorstadt hat es sich der Ex-Auftragsmörder der Regierung gemütlich gemacht, der Alltag zieht angenehm apathisch vorbei.
Aber dann zerfetzt eines Nachts ein Kugelhagel die Weihnachtsdekoration im Garten. Irgendjemand da draußen gönnt Frank seinen Rückzug ganz und gar nicht.
Zwar überlebt keiner der Attentäter den Anschlag, aber weitere Killerkommandos stehen bereits bereit. Denn Frank alias Bruce Willis scheint irgendwas zu wissen, was seinen früheren Arbeitgebern beim CIA gar nicht behagt.
Gemeinsam mit einer jungen Telefonistin (Mary-Louise Parker), die durch sein Verschulden in das Chaos gerät, macht sich der renitente Veteran auf die Flucht. Und er versammelt eine Handvoll früherer Kollegen um sich, die, wie die finsteren Verschwörer bald erfahren, allesamt das Schießen nicht verlernt haben.
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Die Generation Fünfzig Plus will es im Actionbereich nochmal wissen. Neben Bruce Willis, der bei aller Sympathie nicht mehr als eine Autopilotenversion seiner Standardfiguren liefert, greifen John Malkovich, Morgan Freeman und Helen Mirren zu den Waffen. Sogar der 93jährige Ernest Borgnine schaut in "Red" auf einen Sprung vorbei, um ergrauten Filmfreaks einen kurzen Aha-Moment zu liefern.
Ein prinzipiell charmantes Projekt, denn Selbstironie kann dem Genre ebensowenig schaden wie sarkastische Seitenhiebe gegen den hysterischen Jugendkult. Nur leider wirkt der Film nach einem starken Anfang selbst ein bisserl senil.
Der Stuttgarter Regieexport Robert Schwendke, bislang nur für filmisches Mittelmaß bekannt, macht aus der zynisch-brachialen Story von Warren Ellis eine belanglose Thrillerkomödie, die dem deutschen Untertitel "Älter, Härter, Besser" keinesfalls gerecht wird.
Dass viele Szenen trotzdem Spaß machen, verdankt sich den rüstigen Akteuren, allen voran Mr. Malkovich, der als psychopathischer Pensionist die besten Auftritte hat.
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Eher wenig zu lachen gibt es in einem spanisch-amerikanischen Low-Budget-Thriller, der diese Woche bei uns anläuft. Kein Wunder, lebendig begraben zu sein zählt wohl zu den universellsten Angstvorstellungen. In seinem beim Sundance-Festival gefeierten Low Budget-Schocker "Buried" greift Regisseur Rodrigo Cortés genau diesen erschreckenden Gedanken auf.
Nach einem klassisch-kunstvollen Vorspann ist erstmal Schluss mit Lustig. Vollkommene Schwärze erfüllt den Kinosaal, bis ein flackerndes Feuerzeug die Leinwand notdürftig erhellt. Ein Mann, gespielt von Hollywoodschönling Ryan Reynolds, wacht in einem Sarg auf, schreiend, panisch, hustend.
Und wir bleiben die nächsten 95 Minuten bei ihm, in Echtzeit, bis kaum mehr Atemluft vorhanden ist.
Paul Conroy heißt der bedauernswerte Protagonist, er arbeitet als Lastwagenfahrer für die US-Truppen im Irak, zuhause wartet eine Familie. Diese und andere Informationen entnehmen wir Telefongesprächen, die der Entführte in seiner Holzkiste führt. Denn wer immer Paul auch im Wüstensand vergraben hat, er hat ihm auch ein Feuerzeug und ein Handy hinterlassen.
Luna Film
Ein konsequenter Film ist "Buried" auf jeden Fall. Rodrigo Cortés verzichtet auf befürchtete Rückblenden und Nebenstränge, die den Druck vom Geschehen nehmen könnten, er bleibt ganz dicht mit der Kamera am auszuckenden, herumbrüllenden Ryan Reynolds.
Damit neben dem spürbaren klaustrophobischen Horror aber auch sowas wie Action passiert, werden die Gesetze der Logik gedehnt. Akkuschwache Handys beispielsweise funktionieren dann auch tief unter der Erde problemlos. Altmeister Alfred Hitchcock, der zu den erklärten Vorbildern des Regisseurs zählt, hat in solchen Fällen von "Suspension of Disbelief" gesprochen.
Wirklich mühsam wirkt dagegen stellenweise die konstruierte Story, die auch auf Kommentare zum "War on Terror" nicht verzichten will. "Buried" ist letztlich weniger eine rohe emotionale Grenzerfahrung als ein High Concept-Thriller vom Reißbrett.
Aber keine Sorge, genügend Momente für schweißgebadete Albträume nach dem Kinobesuch bleiben dennoch haften.
Luna Film