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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

31. 10. 2010 - 12:02

Hier spukt´s!

Je näher es auf Halloween zu geht, desto gruseliger wird es in Edinburgh.

In der ersten Woche als "Writer in Residence" hatte ich noch gedacht, diese ganzen Edinburgher Spuk- und Schauergeschichten wären von der Gruselindustrie für die Touristen erfunden worden und dem modernen Stadtmarketing geschuldet. Aber mit der Zeit, die man hier verbringt, wächst das Gefühl, in einer sehr unheimlichen Stadt zu leben: Die düstere Architektur, die dramatische Landschaft, der schneidende Wind, der manchmal so unheimlich mehrstimmig um die Häuserecken heult - das ergibt eine ganz eigene Stimmung. Dazu kommt noch die grausame, blutrünstige Historie der Stadt.
Unzählige Schauer- und Mördergeschichten spielen in Edinburgh, allen voran natürlich die von den Serienmördern Burke und Hares. Die Verfilmung ihrer Lebensgeschichte lief am letzten Freitag in den UK-Kinos an.

Anfang des 19. Jahrhunderts war Edinburgh ein Zentrum der Wissenschaften. Insbesondere das Edinburgh Medical College machte aufsehenerregende Entdeckungen. Für die Anatomieforschung brauchte es aber nun mal Leichen zum Sezieren und an denen fehlte es hinten und vorne. Die Nachfrage stieg, aufgrund einer Gesetzesreform sank aber gleichzeitig die Hinrichtungsrate, was zu einem Engpass in der Leichenversorgung und zum neuen Berufsbild des Bodysnatchers, des Leichenräubers, führte.

Spukturm

Christiane Rösinger

Man mag zwar denken, die Geschichte mit den Leichenräubern sei erfunden oder übertrieben- aber warum haben dann die Friedhöfe in Edinburgh immer einen Wachturm, in denen ein Aufpasser saß?

Die Kleinkriminellen Burke und Hare spezialisierten sich darauf, die gewünschten Körper gegen Bares zu beschaffen, die ehrgeizigen Ärzte fragten nicht groß nach. Zunächst begnügt sich das Duo damit, Leichen auf Friedhöfen auszugraben, aber da es umso mehr Geld gab, je frischer die Leichen waren, gingen sie dazu über, selbstständig Anatomieleichen zu produzieren. 1827 bis 1828 fielen ihnen 17 Menschen zum Opfer. Dabei erfand Burke eine neue, kreative Mordmethode, die ihm zu Ehren fortan als "burking" bezeichnet wurde: er setzte sich auf den Brustkorb der Opfer und erstickte sie. Auf die Namen der beiden Serienmörder stösst man in Edinburgh überall, es gibt es sogar eine "Burke and Hare Lap Dance Bar".

Burke & Hare Lap Dancing

Christiane Rösinger

Was sich wohl hinter Burke & Hare Lap Dancing verbirgt? Vielleicht wird das "Burking" beim Lapdance spielerisch eingesetzt?

In einer Stadt, in der seit dem Mittelalter gerne und oft gehängt wurde, gibt es natürlich beliebte Hinrichtungsstätten mit benachbarten Pubs namens "The last drop" und Geschichten von berühmten Gehängten, wie die von "Half Hanged Meggie", die, wie der Name schon sagt, ihre Hinrichtung überlebte und gemäß des hehren Grundsatzes, dass man für ein Verbrechen nicht zwei mal bestraft werden darf, nach der erfolglosen Hinrichtung verschont wurde und vergnügt weiter lebte.

Pub The Last Drop mit Seil zum Erhängen auf dem Logo

Christiane Rösinger

Hier sind angeblich die Verurteilten gerne auf einen letzten Tropfen vor der Hinrichtung eingekehrt.

Ein anderer prominenter Erhängter, auch nach ihm wurde ein Pub benannt, ist Deacon Brodie. Brodie, tagsüber Tischler, Schlosser und Stadtrat, wurde nachts zum Dieb und Einbrecher.
Praktischerweise hatte er die Schlüssel zu vielen Edinburgher Häusern selbst angefertigt und konnte sie so mühelos ausrauben. Das Geschäft lief so gut, dass er zwei andere Diebe als Aushilfskräfte einstellte, die ihn dann aber verrieten.

Sein Doppelleben inspirierte den Edinburgher Schriftsteller Stevenson zu dem Roman "The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde". Brodie wurde gefasst und gehängt. Der findige Handwerker versuchte zwar, durch eine selbst gebastelte, eiserne Halskrause und andere Apparaturen dem Tod durch den Strang zu entgehen, aber es hat wohl nicht funktioniert.

Neben diesen historisch verbrieften Figuren spuken aber noch alle möglichen Geister durch die Stadt. So wurde "The headless Drummerboy" im Schlossgarten schon von Oliver Cromwell gesehen und in Mary Kings Close, einer berühmten unterirdischen Gasse, in der man während der Pestzeiten die Kranken eingesperrt hatte, irren auch einige Geister umher.

Grabstein Greyfriars

Christiane Rösinger

An Bobbys Grabstein finden sich auch immer frische Blumen von Tierfreunden, sie ahnen ja die wahre Geschichte nicht.

Bei soviel Grusligem freut man sich direkt über die rührende, herzerwärmende Geschichte von "Greyfriars Bobby". Der Terrier Bobby lebte in Edinburgh bei einem Polizisten. Nach dessen Tod soll Bobby den Rest seines Lebens, immerhin 14 Jahre lang, am Grab seines Herrchens auf dem Kirchhof der Greyfriars, der Kapuzinermönche, gewacht haben. Mehrere Bücher und Filme auch der Walt-Disney-Schinken "Greyfriars Bobby - Die wahre Geschichte eines Hundes" erzählen von der Liebe des treuen Hundes zu seinem Herrn und so wurde er auch ein Vorbild für den Fernsehhund Lassie. Ein Pub am Friedhof trägt seinen Namen und Tierfreunde haben ihm einen Grabstein gesetzt mit der rührenden Inschrift: "Let his loyalty and devotion be a lesson to us all".

Aber, so klärte mich gestern ein Edinburgher auf, man wüsste ja heute, warum der Hund so lange Jahre am Grab seines Herrn verbringen würde. Auf einem Friedhof findet so ein Hund schließlich immer was zu fressen, ordentlich Knochen mit was Fleisch drum rum...

Greyfriars Pub

Christiane Rösinger

Das Pub zur Geschichte, man beachte die geschmackvolle Terrierskulptur über der Eingangstür.