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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

29. 10. 2010 - 16:54

Karriere mit Bachelor

Die Kürzung der Familienbeihilfen ist ein weiterer Schritt zur Verkürzung der Studiendauer, droht eine De-Qualifikation österreichischer Uni-AbsolventInnen?

Mit so massiver Gegenwehr einer wenig mächtigen "Lobby" haben Kanzler und Finanzminister wohl nicht gerechnet, als sie am Montag das Ende der Familienbeihilfe mit 24 verkündeten.

Im Klartext sagt Josef Pröll, man könne von 24jährigen erwarten auf eigenen Beinen zu stehen, und die Förderung eines Bachelor-Abschlusses sei für den Arbeitsmarkt völlig ausreichend.

Da neben den betroffenen Studierenden auch die meisten Lehrenden und sogar Teile der Wirtschaft dieses qualitative "downgrading" aber als gefährliche Drohung verstehen, rudert die Wissenschaftsministerin Beatrix Karl jetzt zumindest teilweise zurück.

Im heutigen Ö1 Mittagsjournal kündigt sie an, wenigstens für jenen Teil der über 24jährigen Studierenden, der Studienbeihilfe bezieht, einen finanziellen Ausgleich zum Wegfall der Familienbeihilfe zu schaffen, für Karl ist das ein Zeichen sozialer Gerechtigkeit. Die Lösung betrifft in etwa 8000 Studierende und kostet rund 15 Millionen Euro.

Tatsächlich hätte die ersatzlose Streichung der Familienbeihilfe ab 24 eine massive Reduktion von Master-Studien zur Folge. WU-Rektor Christoph Badelt befürchtet gar, dass in Zukunft nur wenige Personen, die auf diese Beihilfe angewiesen sind, ein aufbauendes Studium oder gar ein Doktorat absolvieren könnten und würden. Die Politikwissenschaftlerin Gabriele Michalitsch spricht in diesem Zusammenhang von einer drohenden De-Qualifikation, da ein Master-Ansatz doch zumindest ansatzweise eine integrativere Sicht ermöglicht als das bei einem Bachelor der Fall ist.

Plenum im Hörsaal der Technischen Universität Graz

FM4

Noch grundlegender kritisiert der WU-Professor für Unternehmensrechnung, Franz Hörmann, ein Wirtschafts-Insider, die gegenwärtige Entwicklung an den Universitäten. In seiner Arbeit über Wesen und Unwesen der monetären Bewertung von Universitäten, die durch die Verpflichtung zur Führung sogenannter „Wissensbilanzen“ ihren Höhepunkt findet, diagnostiziert er, dass es in der Wirtschaft nicht genügend adäquate Arbeitsplätze für Universitätsabsolventen gibt. Ein Bachelor des Jahres 2010 wird, so Hörmann, auch nicht mehr verdienen als ein Absolvent einer Handelsakademie. Sogar ein Master-Abschluss komme für ihn keiner Karriere-Garantie gleich.

Bestätigt wird das von einer Studie des Zentrums für Berufsplanung an der WU, dort geht man davon aus, dass zukünftige Bachelor Absolventen in wirtschaftlichen Studienrichtungen am ehesten die Absolventen der Handelsakademien vom Markt drängen werden.

Außerdem kritisiert Hörmann am Bologna Prozess, dass permanent von der „Wettbewerbsfähigkeit“ der Hochschule und der „arbeitsmarktbezogenen Qualifizierung“ die Rede ist, sodass unschwer erkennbar sei, dass einseitig ökonomische Überlegungen dominieren. Tatsächlich drängt sich diese Diagnose auf, wenn man beobachtet, in welchem Zusammenhang die meisten Regierungsmitglieder häufig über universitäre Fragestellungen diskutieren.

Somit verwundert es auch wenig, dass vor allem Wirtschafts- und Finanzminister im Zuge der Streichung der Familienbeihilfe ab 24 regelmäßig davon sprechen, den Bachelor-Abschluss zum Regelfall einer akademischen Arbeitsmarkt Qualifikation zu machen.

Insofern kann auch diese Entscheidung durchaus als Lenkungsmaßnahme hin zu einer Bildungs-Transformation von Bildung zu Ausbildung nach Kriterien der Verwertbarkeit verstanden werden. Die Wand an Kritik und Ablehnung, die nun nicht mehr auf Gruppen "links" der Mitte oder Studierenden-Vertretungen beschränkt ist, wurde aber offenbar unterschätzt.

Protestierende Studierende mit Plakatbanner "Finger weg von Familienbehilfe" vor der Grazer Burg

Radio FM4

Demonstration am 28. 10.2010 in Graz

Ministerin Karl behauptet zwar im oben zitierten Mittagsjournal, dass es sich bei der nun kolportierten Abfederung nicht um die Korrektur eines Schnellschusses handelt, trotzdem drängt sich der Verdacht auf, dass man von der Intensität und auch Qualität der Proteste überrascht war.
Immerhin hat die Regierungsspitze bis gestern festgestellt, dass dieses Sparpaket keinesfalls wieder aufgeschnürt wird – genau das ist aber nun zumindest teilweise der Fall.

Inwieweit hier auch koalitionsinterner Druck verantwortlich war bleibt Gegenstand von Spekulationen, es ist jedenfalls bemerkenswert, dass ein Budget nur fünf Tage nach Verkünden bereits korrigiert werden muss - und das wegen einer Bevölkerungsgruppe, die für gewöhnlich keine Lobby hat.