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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

26. 10. 2010 - 19:47

Elektronisches Zentrum

Dank Spring- und Elevate-Festival bietet Graz eine überdurchschnittliche Vielfalt an elektronischer Musikkultur. Das sorgt für vielseitige, lebendige Szenen - auch abseits der Festivalzeiten.

Gestern Nacht ist in Graz die bereits sechste Ausgabe des Elevate-Festivals für elektronische Musik und politischen Diskurs zu Ende gegangen. Wie jedes Jahr haben in diesem Rahmen auch viele heimische Bands und DJs Auftritte gehabt. Noch viel länger als das Elevate gibt es das Spring-Festival, das 2001 erstmals an den Start gegangen und vor allem in den letzten Jahren sehr umfangreich ausgefallen ist und international beachtet wird.

2000 bis 2010

"Durch die Festivals werden die Blicke auf Graz gelenkt - das ist auch für die Rock/Pop-Szene wichtig", sagt Singer/Songwriter und Produzent Thomas Petrisch alias Effi. Spring und Elevate haben gute Strukturen für die Musiklandschaft der Stadt geschaffen, auch abseits der Elektronik-Communities. Vor zehn Jahren war das noch anders, weiß auch der langjährige Grazer DJ und Produzent Nikolaus Wegscheider alias Bernstein. Er sieht neben dem Spring das Kulturhauptstadtjahr 2003 als wegweisend für die Entwicklung einer lebendigen Grazer Musikszene. "Vorher hat es ein paar vereinzelte Dinge gegeben, aber das war sehr rudimentär, sehr außenseiterisch.", so Wegscheider.

Effi

Johannes Würzler

Effi

Das damals noch junge Spring-Festival war ein idealer Nährboden für heimische Acts und eine Win-Win-Situation für Veranstalter und die sich zügig formierende Grazer Elektronikszene. Doch man hat sich schnell auseinander gelebt. Das stete Wachsen und eine stärkere internationale Ausrichtung des Spring-Festivals sind schon bald auf die aufstrebende Selbstsicherheit und die gute Vernetzung der heimischen DJs und Live-Acts gestoßen. 2005 gründen Vertreter der lokalen Experimental- und Breakcore-Szene das Elevate-Festival, und seit 2008 gibt es sogar während des Spring die Gegenveranstaltung Springbreak. Nikolaus Wegscheider rechnet sich auch dieser Untergrund-Szene zu, doch seiner Empfindung nach haben sich die anfänglichen Spannungen mit dem seit einigen Jahren kommerzieller agierenden Spring-Festival mittlerweile gelegt.

Mehr Motivation, gleiche Hürden

Ob kommerzialisiert oder aus dem Herzen des Underground: Die Grazer Musikerinnen und Musiker sind sich mittlerweile weitgehend einig darüber, dass die gegenwärtigen Strukturen der Stadt in Bezug auf Pop- und Elektronikmusik zu einem guten internationalen Ruf geführt haben. Produzentin und Minimal-DJ Clara Prettenhofer alias Clara Moto lebt mittlerweile in Berlin, hat jedoch lange Jahre in Graz aufgelegt und kommt immer wieder gerne in ihre Heimstadt zurück. Graz sei international bekannt, so Clara Moto, doch das alleine genügt noch nicht. "Während der Festivals bekommen die lokalen Künstler Auftrittsmöglichkeiten, doch zu den anderen Zeiten muss die Szene selbsttätig aktiv bleiben."

Clara Moto

antonia legenstein

Clara Moto

Nikolaus Wegscheider bestätigt diese Einschätzung: Spring und Elevate haben für eine lebendige, aktive Szene gesorgt und dadurch ist auch die Motivation der kleinen Veranstalter und Musiker/innen gestiegen. Doch abseits der Festivalzeit ist das Organisieren nicht einfacher geworden. Und selbst für die Festivals ist es mit der Akzeptanz der Stadt und Fördergeldern nicht ganz so weit her, wie man glauben könnte. "Von der Stadt wird etwa der musikalische Teil des Elevate weitgehend ignoriert. Damit kriegt man als kleiner Veranstalter sehr schwer Förderungen. Die müssen über andere Programmpunkte wie Ausstellungen, Talks und Workshops hereingeholt werden. Die reinen Clubveranstaltungen werden oft als reines Feiern und nicht als musikalische, künstlerische Aktivität gesehen."

Mehr Respekt

Trotz der Widrigkeiten sind es aber vor allem die guten Kuratierungen der Musikprogramme, die Spring und Elevate-Festival auszeichnen. Das sorgt auch für eine Wertsteigung der heimischen Artists. Früher, so Wegscheider, hätte man in Graz kaum jemanden ohnen einen internationalen Act zu einer Party locken können. Das sei heute ganz anders: "Der heimische Respekt gegenüber der Szene ist gewachsen."