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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

28. 10. 2010 - 18:15

Abstieg new school

Bergroller treten an, um das Bergsteigen zu revolutionieren. Hinauf geht's klassisch zu Fuß, herunter auf futuristischen Downhill-Rollern. Ein Praxistest mit Senad Grosic.

Jahrhundertelang waren die Berge des Menschen Feind. Von den Bergen kam nur gefährliches herunter: Lawinen, Muren, Steine. Niemand wollte mit diesen Ungetümen etwas zu tun haben. Es brauchte englische Alpinisten, um die Einheimischen mit ihren Bergen zu versöhnen und ihnen klar zu machen, dass Bergsteigen etwas Erhabenes sein kann. Der fordernde Aufstieg, die Rast am Gipfel, ein traumhafter Ausblick, einzig der Abstieg stört ein wenig: Anspannung und Konzentration sind weg und man will einfach nur mehr ins Gasthaus oder zum Auto. Diese paar Stunden mit Knieschmerzen könnte man sich eigentlich sparen.

Im Winter funktioniert das schon sehr gut: Da kommt zum Aufstieg und dem Ausblick am Gipfel auch noch eine tolle Abfahrt hinzu. Der Wunsch nach etwas Ähnlichem im Sommer wurde jetzt vom Outdoormarkt erhört. Seit letztem Jahr wurde eine Reihe von Bergrollern entwickelt, die das klassische Bergsteigen mit einer Mountainbike-Abfahrt verbinden sollen. Rauf trägt man sie am Rücken, runter rollt man. Das Ganze ist knieschonend und verspricht eine Portion Adrenalin.

Simon Welebil im Interview mit BMX Profi Senad Grosic

Stefan Voitl

Im Interview mit Senad Grosic

Das wollte ich mir genauer ansehen und habe einen Bergroller, den Mountain Skyver, am Semmering getestet. Und da ich nur Experte im Bergaufgehen bin, habe ich jemanden mitgenommen, der mehr vom Fahren und von großen Sprüngen versteht, BMX-Profi Senad Grosic. Senad war anfangs ein wenig skeptisch, denn einen "Bergroller" auszuprobieren klingt mehr nach einer Aktion für Kinder als nach einer angemessenen Beschäftigung für einen der weltbesten BMX-Fahrer.

Futuristisches High-Tech-Gerät

Doch schon der erste optische Eindruck machte Senad neugierig, ihn auszuprobieren: "Eine futuristische Weiterentwicklung eines Rollers, quasi ein High-Tech-Roller. Schaun wir mal, was das Gerät kann." Und er beginnt schon am Parkplatz herumzutricksen.

Der Roller sieht aus wie ein reduziertes Downhill-Bike, bei dem man alle Komponenten, die man nicht unbedingt fürs Bergabfahren braucht, weggelassen hat, um Gewicht zu sparen: Es gibt weder einen Sattel, noch Pedale, Kette oder Schaltung. Falls es einmal nicht bergab gehen sollte, muss man anschieben. Was nicht fehlen darf sind hydraulische Scheibenbremsen und eine ausgiebige Federung.

Gruppe trägt Bergroller zusammengeklappt am Rucksack

Stefan Voitl

Mein Roller ist zusammenklappbar und man kann ihn mit zwei Gurten auf jedem Rucksack befestigen. An das Gewicht gewöhnt man sich schnell, wenn man ein wenig trainiert ist. Der Rucksack wird etwa so schwer wie bei einer Snowboard-Tour (die leichteste Ausführung des Rollers wiegt etwa sieben Kilo, die schwerste ca. 12). Angeblich wird er von Bergläufern zur Konditionsschinderei verwendet.

Am Gipfel baut man den Roller dann mit drei Handgriffen zusammen. Man klappt den Rahmen auseinander, setzt das Vorderrad ein und verschraubt alles fest miteinander. Geübte Nutzer schaffen das anscheinend in unter 30 Sekunden, ich brauche etwa zwei Minuten dafür. Senad wartet schon ungeduldig.

Zusammenbauen der Bergroller

Stefan Voitl

Geplant war, dass Senad die Slopestyle-Strecke im Bikepark Semmering runterfährt, während ich mich mit der Familienabfahrt vergnüge, aber damit war Senad nicht einverstanden. So musste ich mich auch über den Singletrail hinunterstürzen, nur mit meinem Kletterhelmchen geschützt.

Es brauchte ein paar Meter, bis man ins Fahren kommt, denn anders als beim Radfahren steht man parallel und fix auf dem Roller, nicht versetzt. Doch in ein paar Minuten hat man das Gleichgewicht gefunden. Man muss sich auch weiter zurücklehnen. Bei Senad geht das Gewöhnen ans Gerät anscheinend schneller, er reißt schon die ersten Sprünge an.

Senad Grosic bei der Abfahrt im Wald auf dem Bergroller

Stefan Voitl

Mit den Bremsen muss man vorsichtig umgehen, denn die ziehen gewaltig, aber bald hat man ohnehin heraußen, dass es sich leichter fährt, wenn man nicht so viel bremst und furchtlos in die Kurven geht. Irgendwie komme ich heil unten an, wo Senad schon auf mich wartet. Sein Fazit: "Ein handliches, geiles Gerät, sehr wendig!" Mein Fazit: So sollte Bergsteigen sein: Klassich rauf, new school runter! Aber vielleicht sollte ich mir noch Protektoren zulegen.

Zum Anhören

Der Praxistest mit Senad Grosic.

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