Erstellt am: 25. 10. 2010 - 16:01 Uhr
Fußball-Journal '10-61.
Meisterschaft und Cup, das "europäische Geschäft", das Nationalteam, der Nachwuchs, aber vor allem auch das hiesige Medienverhalten und die Wahnsinnigkeiten im Umfeld: das Fußball-Journal '10 begleitet die Saison ungeschönt.
Heute mit Anmerkungen zum Medienverhalten, anläßlich eines ORF-Kurzinterviews von Peter Pacult am Sonntag vor dem live übertragenen Rapid-Spiel.
Rapdi-Coach Peter Pacult wird ja, das höre ich oft, ganz unglaublich missverstanden. In Wahrheit sei er, sagen Verteidiger und Entschuldiger, ein echt Freundlicher und Fröhlicher, nur die Anwesenheit von Kameras, Mikros und angespitzten Reporter-Kulis mache ihn in der Sekunde dann so grummelig, wie er medial auch immer rüberkommt.
Zuletzt wurde zum Zweck der Erklärung dieses seltsamen Phänomens sogar PR-Geschichten lanciert, die Verständnis für die "Weißglut", die den Betreuer immer dann erwischt, wenn er sich unerwarteten (aber auch erwarteten) Fragen gegenübersieht, zu erheischen.
Subtext-Motto dieser kleinen Kampagane: Pacult ist kein Medien-Muffel, sondern im Gegenteil eher ein Medien-Kritiker, also ein Vorreiter, ein lässiger.
Am Sonntag nun entsponn sich vor dem Match Wr. Neustadt - Rapid (einem durchaus unterdurchschnittlichen Kick, der sich nahtlos ans herrschende Sauwetter anpasste) folgender (wortgetreu zitierter) Kurzdialog zwischen Pacult und dem ORF-TV-Reporter, der für die Statements vor dem Spiel zuständig war.
... kenn ma ja, hamma ja scho...
Reporter:
Ja, Peter Pacult steht vor seinem 80. Bundesliga-Sieg als Rapid-Coach, muss heute allerdings auf Kapitän Steffen Hofmann verzichten. Warum und wie lange wird der Steffen ausfallen?
Pacult:
Warum, die Gründe kenn ma ja, hamma ja scho vorm Sofia-Spiel ghabt. Wie lang dass er ausfallen wird, weiß ich auch noch nicht.
Nun kann man Field-Reportern, die atemlose Spieler und aufgeregte Trainer vor/während/nach dem Match mit substanzlosen "Wie war's?"- Fragen nerven, als "Medien-Kritiker" jeden nur erdenklichen Vorwurf machen - eine Nachfrage, die durchaus deutlich vor Match-Beginn in der Absicht gestellt wurde, dem TV-Publikum eine simple aber wesentliche Information zukommen zu lassen, ist jedoch so legitim wie sonst gar nichts.
Da ist keine Falle eingebaut, kein Hinterhalt an Meinung, keine Kritik an Trainer, Spielern oder Spiel - da geht's um den Transfer von Wissen. Und eine Primär-Quelle wie der dafür zuständige Head-Coach ist genau dafür zuständig und verantwortlich.
Der Zacken und die Krone
Pacults Antwort hätte also so oder so ähnlich lauten können, sogar müssen: Ja, der Steffen hat ja schon in Sofia nicht durchspielen können, die chronische Schambeinreizung, die ihm schon seit Wochen belastet, hat auch andere Probleme, z.B. an den Adduktoren nach sich gezogen. Der Steffen wird regelmäßig fitgespritzt, spielt unter Schmerzen. Er braucht diese Pause dringend, um das alles endlich auszuheilen.
Niemandem fällt bei so einer Antwort, die alle relevanten Informationen enthält, ein Zacken aus der Krone. Außer natürlich "Medien-Kritiker" Peter Pacult.
Der ist davon angenervt, dass er eh vor dem Spiel B Dinge gefragt wird, die er beim Spiel A schon angesprochen hat. Dass es sich dabei um verschiedene Reporter, um verschiedene Medien (Spiel A, das in Sofia, hatte Sky live übertragen) und auch ein anderes Publikum handelt, übersteigt scheinbar die Vorstellungs-Möglichkeit des Cheftrainers.
Weil Pacult aber mit seiner "Ich werde missverstanden und ihr seid alle echte Volltrottel!"-Campaign bereits so viel Angst und Schrecken verbreitet hat, fragt der Field-Reporter nicht nach, sondern geht ansatzlos zur nächsten Frage über (die was mit der guten Stimmung nach dem Sieg in Sofia zu tun hat).
Grund: er weiß, dass jede Nachfrage von Pacult als Insultierung angesehen würde und er sich verbale Prügel und einen Boykott einfangen würde. Diese Stategie der Einschüchterung greift da.
Verantwortung fürs Produkt?
Denn eigentlich hätte der in etwa folgendes sagen müssen: Sicher, Herr Pacult, die Gründe für den Ausfall sind mir und ihnen bekannt; sie haben sie womöglich am Donnerstag im Vorfeld des Sofia-Spiels auch bereits öffentlich geäußert. Allerdings ist Hofmann dort aufgelaufen und heute spielt er nicht. Es hat sich seit Donnerstag also offensichtlich etwas ereignet. Da aber ohnehin nicht alle Menschen, die jetzt hier zusehen, auch ihre Donnerstags-Aussage gehört haben (die war auf einem anderem Sender, vor deutlich weniger Zuschauern), ist es doch nicht zuviel verlangt, die Fakten in einem kurzen Satz klarzumachen und darzulegen. Das nämlich ist die Aufgabe von Medien: Informationen zu transportieren.
Man könnte diese Antwort auch mit Vergleichen aufpeppen; dass etwa Josef Pröll auf eine Sach-Frage nach der Kürzung der Familienbeihilfe auch nicht "Heast, steht ois in der Presseaussendung drin!" sagen würde, oder dass Steve Jobs auf die Frage nach Problemen bei iPod sich auch nicht auf ein "Wissma eh!" zurückziehen würde.
Einfach weil die Verantwortung fürs Produkt bei ihm liegt. Das ist sein Job; auch die Auskunftserteilung.
Damit allerdings wäre das Gespräch (das ja keines ist, weil es sich nur um den Abtausch von Statements handelt, wie mittlerweile praktisch alle Sport-Interviews, ein großer Jammer und die Schuld der Verluderung und Verhaberung in dieser Branche) auf eine Meta-Ebene gelangt, die womöglich beide Teilnehmer überfordert hätte.
Beidseitige Überforderung
Der TV-Reporter, das Gegenteil von einem alten Hasen, erarbeitet sich eine diesbezügliche Kompetenz erst noch. Und Pacult, das lässt sich als Fakt festhalten, besitzt sie einfach nicht; die Medien-Kompetenz.
Weil er's schlicht nicht kapiert.
Weil er ernsthaft davon ausgeht, dass er alles, was er jemals einem Reporter gesagt hat, allen gesagt hat.
Weil er ernsthaft davon ausgeht, dass er einmal Gesagtes in einem gänzlich anderen Medien-Zusammenhang nicht noch einmal neu erwähnen muss.
Es ist auch klar woher das kommt: das sind die Regeln eines, der immer nur mit einer überschaubaren Gruppe kommuniziert.
Pacult überträgt also die Regeln des echten Lebens auf die Medien.
Das ist ihm nicht einmal wirklich zum Vorwurf zu machen. Da ist er mit 70, 80% der Österreicher, die auch ohne jegliche Medien-Kompetenz leben, und deren Kommunikations-Fähigkeit deshalb auf dem Level unserer fast noch sprachlosen Vorfahren festklebt, gleichauf.
Den Vorwurf müssen sich die Verantwortlichen machen, die sich, ihren Verein und letztlich auch ihr Produkt, den Fußball nämlich, von Peter Pacult repräsentieren lassen.