Erstellt am: 22. 10. 2010 - 18:00 Uhr
Eine Heigl Angelegenheit
Katherine Heigl, ich will bitte all die Tränen zurück, die ich „Grey’s Anatomy“-induziert um dich und den herzkranken Denny geplärrt habe. Und das waren einige. Seither aber hab ich mir dir nichts als Scherereien. Zunächst gab es da den wunderbaren Film „Knocked Up“ vom Komödien-Erneuerer und Netzwerk-Zampano Judd Apatow. Da hast du, Heigl, ich rede immer noch mit dir, dich danach beschwert, dass der Film a little sexist sei. Das ist zwar das erste Mal eine angenehme Abwechslung von den gebetsmühlenartigen „Oh I always wanted to work with him/we had such a good time on the set/he can always make me laugh/what a great experience“-Stehsätzen, die Schauspieler sonst in Interviews, die alleine dazu dienen, dass die Marketingmaschine nicht stillsteht, so zu sagen haben. Zweitens kann man über Apatows Frauenrollen durchaus diskutieren. ABER. Deine Post-„Knocked Up“-Filmografie lässt jetzt eigentlich nur einen Schluß zu: Die Sexismus-Anmerkung zu „Knocked Up“ war gar nicht negativ gemeint. Weil alles, was da seither filmmäßig aus Heigl-Country auf mich zurollte: Brechreizend. Und dem Sexismus durchaus nicht abgeneigt.
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Mit nur wenigen, aber dafür umso treuer der Starre und Einfältigkeit des Genres verpflichteten Filmen wurde Katherine Heigl rom com Instanz und Frauenrollen-Prototyp. Erfolgreich im Job, aber oh la la l’Amour. Da haperts vorne und hinten, weil die erfolgreiche Frau hat sehr genaue Vorstellungen, wie das im Kopf mit der Liebe und der Beziehung auszusehen hat. Manchmal rufen nach diesen Filmen auch die 1950er Jahre an und wollen ihre Vorstellungen zurück haben. Mit exakten Vorstellungen und hohen Ansprüchen im Kopf also und einem Stecken im Hintern sind diese Frauenfiguren ausgestattet. Und weil wir grad von Ausstattung reden: Deren Wohnungen sind auch stets gleich eingerichtet, meistens gibts noch eine Katze als Haustier, Taschentücher stecken in diesen beblümten Boxen und abends trinkt man Rotwein aus einem echten Rotwein-Glas. Unentspannt und die Hysterie stets griffbereit, das Ticken der biologischen Uhr ist der Beat, der diese Filme antreibt, können die rom com-Frauen mit dem Mann, den ihr der Film vorsetzt, meist wenig anfangen. Der männliche Mitspieler nämlich, bei dem ist das Kind im Manne Hauptmieter und Chef in Sachen Freizeitgestaltung.
Mit der "Opposites attract"-Attacke beginnt auch "Life as we know it"; Some years ago lässt die Schrift auf der Leinwand einen wissen und zur Sicherheit hat man an Heigls Kopf auch noch ein Stirnfransen-Toupet befestigt, nur um sicherzugehen, dass man auch wirklich den Zeitsprung später nachvollzieht. Damals, anno Stirnfranse, sollen Holly (Heigl) und Messer (Josh Duhamel) sich verabreden, auf Wunsch ihrer jeweils besten Freunde, die kurz vor der Hochzeit stehen. Holly also 1-2-3-Aufmaschelung, Eric also Baseballmütze, Lederjacke, eine Stunde Verspätung. Dann auch noch mit dem Motorrrad angereist, da steigt Holly sicher nicht auf, dann auch noch keinen Tisch reserviert, das findet Holly voll blöd und überhaupt, man solle die Sache einfach sein lassen, Dategate gerade nochmal verhindert.
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In der ersten von gefühlten dreitausend folgenden Happipeppi-Montagen sehen wir nun die Jahre vergehen, Die Hochzeit der Verkuppler-Freunde Alison (die großartige Christina Hendricks aus "Mad Men"!) und Peter und deren Baby, von dem Holly und Messer Pateneltern sind. Zwischendrin Hickhack zwischen Holly und Messer auf der Lieben/Necken-Klaviatur irgendwo zwischen tatsächlicher Abneigung und Koketterie. Denn nicht nur Peter und Alison sind sich sicher, die zwei sind füreinander bestimmt, auch jeder Kinozuseher, der nicht von Wölfen aufgezogen wurde, weiss, was Genre-Monstrum rom com von seinen Figuren verlangt. Und seit "Knocked Up" sind wieder vermehrt Babies Teil von rom com-Masterplänen. Je ungewöhnlicher die ins Spiel kommen, umso besser. Jennifer Lopez lernte nach der erfolgreichen künstlichen Befruchtung den Posterboy fürs Leben kennen ("Plan B"), Jennifer Aniston und Jason Batemen sind durch eine vertauschte Spermaspende gemeinsame Eltern ("The Switch") und in „Life as we know it“ beschert nicht Gevatter Storch sondern Gevatter Tod dem noch-nicht-Paar ein Kind. Als Alison und Peter in einem Autounfall sterben, erfahren Holly und Messer, dass es deren Wunsch war, dass die kleine Sophie in ihrem Elternhaus von ihnen beiden aufgezogen wird. Gemeinsam. Wenn ein Date die beiden nicht zusammengebracht hat, dann sicher ein gemeinsamer Lebensraum und ein frisches Waisenbaby.
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Dass Alison und Peter es zu Lebzeiten nicht geschafft haben, diesen Wunsch ihren besten Freunden mitzuteilen, ist natürlich ein bisschen gaga. Wird aber im Film übertüncht durch die Gaganess in Form von bizarrer Leichtfertigkeit, mit der mit dem Tod von Alison und Peter umgegangen wird. Und selbst das wird gegen Ende des Films verblassen, wenn Holly – nachdem sie und Messer mit ein bisschen Marihuana-Starthilfe im Bett gelandet sind – den Gedanken in die Welt entlässt, ob Alison und Peter das wohl alles geplant hätten. Aber sicher, Holly: Damit Freunde gemeinsam den kleinen Tod erleben, da rast man schonmal mit dem Auto in den großen Tod.
Anyone can play Papa
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Aber ich greife vor: Bevor es zu der Nacht mit Sex, Drugs (für Holly und Messer) und Augenroll (Publikum) kommt, muss noch einiges an Charakterzurechtstutzung passieren: Also Entfernung von Stecken im Arsch (Holly) und Vertreibung vom Kind im Manne (Messer). Bei Frauen erreicht man die Veränderung, sodass in der Komödie der Einreise ins Happilyeverafterland nichts mehr im Wege steht, durch Demütigungen am laufenden Band: Für die ansonsten so mit beiden Beinen im Leben stehenden, erfolgreichen Frauen, ist der Alltag plötzlich nicht mehr katastrophenfrei meisterbar: Gestolpere, Anpatzerei, totale Trunkenheit inkl. Ausfallendwerdung vor größerer Gesellschaft sind nur drei Bausteine des Karli Katastrophski Mantras, nachdem nun das Leben dieser Figuren verläuft. In „Life as we know it“ bietet Baby Sophie noch einige Zusatzmöglichkeiten, so landet nicht nur Babyessen sondern auch Babykacke in Hollys Gesicht.
Messer hat es in der Hinsicht ein bisschen einfacher, ihm gönnt der Film einen "Werthers Echte"-Moment, eine dieser musikalisch unterlegten, tiefsinnigen Motorradfahrten mit tiefsinnigerem Zwischenstop und noch tiefsinnigerem Blick-über-die-Stadt-schweifen-lassen. Davor hat er das Baby noch mit „I’m a creep“ in den Schlaf gesungen, because everybody loves Radiohead. Bald danach wird das Kind im Manne Messer die Koffer packen, dann hat der Film sein Ziel erreicht und eine weitere Familie aus dem Boden gestampft.
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„Life as we know it“ ist eine romantic comedy as we know and loathe them, eine weitere, lange Reise mit dem rom com-Express in Richtung Obviousville. Aber Genrekorrektur und ein Funken Hoffnung kommt aus unerwarterer Richtung. Doch zu „The Switch“ gibt’s demnächst hier mehr zu lesen. Und Heigl: Augen auf bei der Rollenwahl.