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21. 10. 2010 - 15:53

Alles andere als ein "typical girl"

Ein Nachruf auf Ari Up, Sängerin der The Slits.

"If I were to name the best ten sessions of all times, The Slits sessions would be in the top 10. Just mesmerizing. The inability to play coupled with the determination to play the kind of conflict between these things was magnificant", sagte John Peel über The Slits und ihren Session-Auftritt im Jahr 1977, der unter anderem auf dem 2009 wiederveröffentlichten Slits Debüt "Cut" zu hören ist.

"Als die Slits 1979 ihr erstes Album "Cut" veröffentlichten, auf dessen Cover die - ausschließlich weiblichen - Bandmitglieder komplett nackt zu sehen waren, nur mit einer dicken Schicht Schlamm bekleidet, war endgültig klar, dass (Post)Punk und Reggae zusammen gingen."

Aus Return of the giant Slits von Sonja Eismann

Ariane Forster wurde am 1. Jänner 1962 in München geboren und verbrachte ihre Kindheit und Teenagerzeit in einem höchst musikalischen Haushalt in London. Ihr Stiefvater war John Lydon, Sänger der Sex Pistols. Wegbereiter und Wegbegleiter der Punkbewegung wie z.B. Joe Strummer waren im Haus ihrer Eltern ständige Gäste, und so überrascht es wenig, dass sie 1976 mit 14 Jahren ihre erste Band The Slits gründete. Mit "Typical Girls" schrieben The Slits eine Hymne, die später von der Riot Grrl Bewegung wiederentdeckt wurde.

Nach der Bandauflösung 1981 siedelte Ari Up mit ihrer Familie nach Jamaica. Ihre musikalische Ausrichtung, die schon bei den Slits von Dub beeinflusst war, wechselte zu Reggae und Techno Dancehall. Als musikalisches Manifest ihrer Vielseitigkeit sei nicht nur das Slits Reunion-Album "Trapped Animal" erwähnt, sondern auch "Return From Planet Dub", das Werk der österreichischen Dub Formation Dubblestandard rund um den Sänger, Bassisten und Produzenten Paul Zasky, auf dem neben Ari Up auch Lee Scratch Perry zu hören ist.

Paul Zasky über Ari Up

Paul Zasky erinnert sich an die Zusammenarbeit, Freundschaft und Begegnung mit der Musikerin Ariane Forster, die am 20.10. 2010 nach schwerer Krankheit verstorben ist:

Ari Up aka Madussa aka Arianne Forster habe ich über unseren Labelboss Nicolai Beverungen von Echo Beach/Collision kennengelernt, der eine Kollaboration für das Dubblestandart Album Immigration Dub 2007 einfädelte.

Ich kannte Ari von Adrian Sherwoods Onusound und den New Age Stepper's Dub Produktionen der frühen 80er. Irgendwann ist sie dann am Flughafen in Schwechat vor mir gestanden und ich habe das Gefühl gehabt, mit jemandem über Dub, Reggae, Crossover, das Leben usw. zu reden, mit dem ich erst gestern zusammen war. Als würde man sich schon irgendwie aus einem anderen Leben kennen. Vor jedem Studiotag hier in Wien musste Eis gegessen werden. Ari konnte eine Menge Eis essen von diesem Eissalon im 1. Bezirk.Und du konntest ihr diese Wünsche nicht abschlagen.

Wir waren mit Ari in Kanada auf Tour. Sie sagt auch vor 10000 Leuten ihre Meinung. Ungefiltert.

Ari konnte mich zur Weißglut bringen und alle "ich bin ein cooler Bassist einer noch viel cooleren Dub Reggae Band" -Prinzipien über Board werfen lassen. Ein Packerl Tschick in 10 Minuten mit ihr zu rauchen ist möglich und danach hat man sogar das Gefühl, dass dieser "Auszucker" (von ihr und einem selber) für die kreative Entwicklung irgendwie wichtig war.

Wir sind für einen Videodreh mit ihr auf die Häuserdächer von Tivoli-Gardens/Kingston gestiegen, am Nachmittag hat sie uns die schönsten Wasserfälle Jamaicas gezeigt und selbst wenn wir organisatorisch bei vielen Aktionen mit Ari halb kollabiert sind, war es das Erlebnis mit ihr on stage oder im Studio immer wert.

Ari Up

Ari Up

Irgendwie fällt mir jetzt so im Nachhinein auf, dass Ari für mich viele Brücken für mein persönliches musikalisches Verständnis geschlossen hat. Sei es hier in Wien mit Leuten aus der Punk- & Reggae-Szene oder international.
Immer, wenn sie in Wien war, haben wir es auch geschafft, mit Leuten hier abzuhängen, sie hat sich ausgetauscht, sich vielleicht auch ein paar Freunde gemacht.

Als Teil der OnU Sound Crew hat sie für mich entscheidend zur Weiterentwicklung von Reggae beigetragen. Durch die Vermischung von Jamaican Reggae mit Punk, Industrial und Rock- & Beatelementen haben Leute wie Adrian Sherwood, Ari Up, Mark Stewart, Dub Syndicate, Gary Glail oder Tackhead die Urban Sounds von heute vorweggenommen. In all ihren Ausprägungen von Dubstep bis Ambient, von Modern Electronica bis zur Club & Dance Music des 21. Jahrhunderts.

Nichts hat so tief und mystisch die Westwelt mit all ihren kalten Stereotypen im Spiegel der hypnotischen Reggae-Beats dargestellt wie der OnU Sound von New Age Steppers und der gesammten OnU Sound Crew.

Um ehrlich zu sein, wenn ich jetzt über unsere Zusammenarbeit mit Ari schreibe, kommt mir das so angeberisch vor. Ja, unser letztes Album mit Ari Up & Lee Scratch Perry war definitiv der Burner und als wir letztes Jahr dann im Central Park NYC alle gemeinsam auf der Bühne standen, ist bei uns definitiv die Sicherung gegangen, ich gestehe. Aber darum geht’s nicht. Es geht um die Live Sessions im Studio, die wir mit ihr machten und bei denen du das Gefühl hattest, ein wenig Geschichte zu schreiben.

Es geht um ihr messerscharfes Gehör, wenn sie im Studio mit Robbie an Dancehall Beats bastelte und sie in ihrem bayerischen, englischen, patois-Sprachmischdingsbums erklärte, worum es ihr geht. Wenn Robbie der Kopf explodierte und er es aber dann doch genauso hinbekam, wie sie es wollte. Weil sie eben auch auf Menschen beim Musikmachen eingehen konnte.Weil sie eine Getriebene war und weil sie Gegebenes nicht hinnehmen wollte. Und das auch noch Jahre nach ihren Erfolgen mit den Slits. Weil sie nicht müde wurde, im Gegensatz zu vielen anderen.

Ari liebte Jamaica, aber es machte sie auch fertig. Ari hat zwei erwachsene Kinder und einen 12-jährigen Sohn, der seit diesem Jahr in den USA zur Schule geht. Jamdown wurde zu gefährlich und die Sorge um ihren Sohn zu groß.

Was immer man über Ari sagen will, ich habe sie schlussendlich als sensiblen, liebevollen und nach innerer Ausgeglichenheit und einem tieferen Sinn im Leben suchenden Menschen erlebt.

Ihre Verdienste um Sound und Weiterentwicklung von Reggae und Crossover, ihr "political & female correct" Spirit sowie Bekanntheit/Einfluss in der internationalen Musikwelt sehe ich als gegeben und werde ich hier nicht diskutieren.

Wir haben im April dieses Jahres noch in New York zwei Tracks bei Emch von Subatomic Sound System aufgenommen. Da erlebte ich sie als konzentrierte, pünktliche und hochbegabte Musikerin und Sängerin. An einem wunderschönen sonnendurchfluteten Sonntagnachmittag haben wir dann in irgendeinem Park in Brooklyn auf einer Bank gesessen und über das Leben, die Musik und all die Aufs und Abs des Lebens gesprochen. Ich kann mich erinnern an dieses wunderbare Wetter an diesem Tag und wie harmonisch dieser Nachmittag mit ihr war.

Das nehm ich jetzt als letzte Erinnerung an Ari mit. This goes straight to my heart. Her soul and music shall live forever.