Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Don't smoke! Don't drink! Don't fuck!"

Chris Riebenbauer Graz

Protestkultur, Musik, Mode - punk routine in blog form.

20. 10. 2010 - 16:22

Don't smoke! Don't drink! Don't fuck!

Straight Edge bezeichnet eine Gegenkultur in der Subkultur des Hardcore Punk. Die FM4 Basement Show hat Gabriel Kuhns neues Buch "Sober Living For The Revolution" zum Anlass genommen, das mal näher zu betrachten.

Gabriel Kuhn ist politischer Schriftsteller und anarchistischer Hobby-Fußballer aus Österreich. Dieses Jahr ist sein Buch "Sober Living for the Revolution: Hardcore Punk, Straight Edge, and Radical Politics" auf PM Press in Oakland erschienen. Es setzt sich darin mit dem Thema Straight Edge in Form von Interviews und Essays von Ian MacKaye (Minor Threat/Fugazi), Mark Andersen (Dance of Days/Positive Force DC), Dennis Lyxzén (Refused/The (International) Noise Conspiracy) oder Andy Hurley (Racetraitor/Fall Out Boy) u.a. auseinander. Hier kommen Leute zu Wort, die Straight Edge geprägt und maßgeblich beeinflusst haben. "Sober Living for the Revolution" ist ein Dokument über eine Bewegung, über den gemeinsamen Kampf für eine bessere Welt.

Die FM4 Basement Show widmet sich in den kommenden drei Ausgaben dem Phänomen Straight Edge.

Teil I : I've Got Straight Edge

Eva Genie, Sängerin der Vegan Straight Edge Band Gather

Burkhard Müller

Mein erster Kontakt mit Straight Edge war wohl durch meinen Punk-Rock-Weggefährten Tom Zwanzger. Tom war schon Straight Edge bevor er und ich wussten, was das überhaupt bedeutet. Er blieb einfach immer nüchtern, denn er hatte keinen Bock auf die gesellschaftlich legitimierte Zudröhnerei. Ich hatte so wenigstens immer einen der auf mich aufpasste. Außerdem gab es nie Streit, wer hinters Steuer musste, wenn es in die Arena nach Wien ging.

Das erste Mal in Berührung mit Straight Edge-Bands kamen wir dann '97 beim Refused Konzert in der Szene. Und es war schon faszinierend. Straight Edge war anders. Irgendwie so wie Tom.

Entstanden Anfang der 80iger als Gegenbewegung zum selbstzerstörerischen Habitus der übriggebliebenen 70iger Punks hat sich dieses "lifetime commitment" mittlerweile zu einer weltweiten Bewegung entwickelt, die auch kommerziell vermarktet wird.

Als sich Anfang der 80iger Jahre der schnelle und aggressivere Hardcore-Punk entwickelte, wurden die meist jungen Anhänger mit zwei Problemen konfrontiert: Einerseits begegneten ihnen die älteren Punks der 77iger Generation mit Ignoranz und andererseits konnten sie aufgrund ihres Alters oftmals diverse Szene-Konzerte gar nicht besuchen. Eine Band aus Washington DC, bei denen ein gewisser Ian MacKaye den Bass bediente, fing aus diesem Grund irgendwann an, sich ein großes "X" auf den Handrücken zu malen. Als Kennzeichen der "Minderjährigkeit" für Türsteher und Barangestellte. Inspiriert von Bands wie Black Flag oder Bad Brains schaffte es die Crew rund um die Teen Idles dadurch, All Ages Shows zu veranstalten. Langsam aber sicher entwickelte sich das "X" zum Identifikationssymbol junger Punks, und die Teen Idles legten mit ihrer 1980 erschienenen EP "Minor Disturbance" den Grundstein für ein subkulturelles Phänomen, das die Punk-Szene über Generationen beeinflussen sollte. Das Nachfolgeprojekt der Teen Idles, thematisierte vorher angedeutete Pflicht und Lust zur Nüchternheit noch deutlicher.

I'm a person just like you
But I've got better things to do
Than sit around and fuck my head
Hang out with the living dead

Diese Textpassage aus dem Minor Threat Song "Straight Edge", von ihrer 1981 erschienenen Debüt-Single stammend, förderte den rasant wachsenden Kult um die Band und MacKaye, den dieser aber stets ablehnte. Auch betonte er über die Jahre hinweg immer wieder, mit dem "Movement" nichts am Hut zu haben.

Minor Threat machten Straight Edge nichtsdestotrotz zum Kult und gaben einer neuen Generation von Außenseitern eine Stimme und die nötige Etikettierung.

Den DIY-Idealen des Hardcore Punk verpflichtet, releaste man natürlich auch auf dem eigenen Label: "Dischord Records".
Neben Minor Threat waren es auch Bands der "ersten Generation" wie Seven Seconds oder SSD, die der Straight Edge Szene immer mehr Anhänger einbrachten und noch dazu das positive Denken proklamierten. Zusätzlich begründeten Minor Threat mit ihrem Song "Out of step" und dem darin enthaltenen "Don't fuck" eine neue Grundhaltung gegenüber dem allseits so beliebten One-Night-Stand. Minor Threat setzten damit ein Zeichen gegen promiskuitiven Sex innerhalb der Punk-Szene. Denn dieser sei oftmals wichtiger als der Respekt vor der anderen Person. "Gegenkultur", werden jetzt viele meinen, "what the fuck?"

Ihren ersten Niedergang erlebte das "Straight Edge Movement" Mitte der Achtziger, als sich viele Bands der ersten Stunde auflösten. Diese "erste Generation" drogenfreier Punker war noch keineswegs militant. Erst in späterer Folge waren Anzeichen von Radikalisierung verschiedener Crews rund um den Erdball zu erkennen. Mehr dazu aber im zweiten Teil des Straight Edge Schwerpunkts im House of Pain.

Die FM4 Basement Show widmet sich ab heute, Mittwoch, dieser jugendkulturellen Bewegung und versucht musikalisch das Phänomen Straight Edge zu dokumentieren. In der ersten Reihe unserer SXE Trilogie geht es genau um die Geburtsstunde dieser Jugendkultur und die Auswirkungen auf die Szene, die schließlich auch die Punks in Österreich beeinflusste. Hierzu zu Gast: Punk-Urgestein Rainer Krispel.

Die FM4 Basement Show im House of Pain! Mittwoch Nacht ab 22 Uhr.