Erstellt am: 24. 10. 2010 - 15:15 Uhr
Die Blumen des Bösen
Really, it was a major heart attack. I mean, it was a triple bypass. I think they put a stent in, but I’m not sure if they’ve solved it.
Oliver Stone
Die Wall Street nach dem Herzinfarkt, die Welt nach dem Ende der Unschuld. Oliver Stone, so viel hat man in der Vergangenheit schon gelernt, ist kein Mann der subtilen Bilder. Es muss knallen bei diesem Regisseur, die Bilder müssen stimmen: in Wall Street: Geld schläft nicht legt er Kurskurven über die Skyline des Big Apple. Eine Pulslinie für die Stadt, die niemals schläft: Kammerflimmern, Infarkt, dann die Flatline.
Aber es geht nicht um pure Sensationen, schon gar nicht um Angstmacherei: wenn überhaupt dann naturalisiert Stone den Kollaps, ohne ihn zu bagatellisieren. Er vermenschlicht ihn: etwa wenn Douglas seinem Schwiegersohn und Jungbroker Shia LaBeouf die Geschichte vom Amsterdamer Tulpenkrach erzählt. Mitte des 17. Jahrhunderts versetzen einige Holländer ihr ganzes Hab und Gut, um an eine einzige Tulpenzwiebel zu kommen. Ein paar Jahre später platzt die Blumenspekulationsblase, die Konsequenzen sind verheerend. Stone hat mittlerweile den Glauben daran verloren, dass sich der Kapitalismus aus Überlebensgründen immer selbst berichtigt.
Fox
Die Zukunft des Kapitalismus
I am confused as are many people in the world right now whether capitalism in its present form can work. It seems not, it seems that it’s excessive an unregulated. I would love to see serious reform. In 1987 I thought it was going to correct itself. I really did, that the system will correct itself, but it didn’t. It got worse. There’s a tremendous inequality and injustice in that. And that has to be corrected.
Oliver Stone
Staatliche Regulation, das legt Stone einem indirekt nahe, ist ein möglicher Ausweg aus dem Systemkollaps. Eine andere Arbeit des Regisseurs, die Dokumentation South of the Border, kann man fast als Appendix zu „Wall Street 2“ lesen: darin kaut er Kokablätter mit dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales, plaudert mit Hugo Chavez und zeichnet zum Schluss gar das utopische Bild einer sozialistischen USA auf die Leinwand. Vorerst kümmert sich Stone aber noch um reale Problemfelder, und die macht er anhand von Vater-Sohn-Gespannen begreifbar: Gordon Gekko verliert nach seiner Inhaftierung am Ende des ersten Films seine Familie, führt nach seiner Freilassung den Freund seiner ihm feindlich gesinnten Tochter dennoch genüsslich in die „Wall Street“-Zirkel ein.
Fox
Fathers and Sons
You know the movie starts with Gordon coming out of jail, so he is a busted man. He’s got no family waiting for him and he has no real money. So it’s another approach. If he would come out as the former Gordon Gekko, it would have been a long haul for us to go to the end of the movie, because it would have been tedious. We had a good approach from the bottom of the barrel up and that gave it what it needed.
Oliver Stone
I truly felt that rather than having to repeat the archetype from the first one, the setup was a guy starting from the bottom of the barrel with one hand tied behind his back. He could not trade, he did not have any money, he was alienated from his only living blood relative, his daughter, lost a son to drug overdose while in jail. So it was great arch to come over.
Michael Douglas
Hollywood-Legende Eli Wallach gibt derweil den betagten Hochfinanz-Übervater, der gar nicht mehr spricht, sondern nur mehr pfeift, wie in einem Western. Am eindringlichsten funktioniert Stones Film in der Geschichte des Gentleman-Bankiers Frank Langella: der wird gemeinsam mit seinen moralethischen Leitlinien von der „Wall Street“-Walze überrollt und sucht den Freitod. Parallelen zu Stones eigenem Vater, ebenfalls ein „Wall Street“-Banker der alten Schule, liegen auf der Hand.
My father was a different type of style. He was 1930s, 40s, 50s, 60s, 70s. He was a real broker and an economist and he wrote economic letters for publication. He believed in serving his clients. That’s gone. There is no clients unless except you have a lot of money, nobody wants to take you.
Oliver Stone
Fox
Mit „Wall Street: Geld schläft nicht“ ist dem radikalen Formalisten Stone ein überraschend zurück genommener, entspannter Thriller gelungen: der momenthaften Panik hält er die Überzeugung entgegen, dass die menschliche Gier und Selbstsucht ewig sind – und dass der systemische Kapitalismus die Unmoral fördert. Ob Stone ein politischer Visionär ist, muss jeder selbst entscheiden. Ein visionärer Regisseur, das ist der unbequeme New Yorker auf jeden Fall.