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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

16. 10. 2010 - 15:33

"Deutsche Kinder werden Kartoffel genannt!"

Wir haben seit letzter Woche ein neues Problem: Die Deutschenfeindlichkeit.

In Berlin, eigentlich in ganz Deutschland, gibt es seit letzter Woche ein neues Problem: Die Deutschenfeindlichkeit.
Deutschenfeindlichkeit - ein seltsames Wort für eine neue Bedrohung: Wir leben im eigenen Land in feindlicher Umgebung! Auslöser der Debatte war der Artikel "Deutschenfeindlichkeit in Schulen" in der Mitgliederzeitschrift der "Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft". Der Artikel erschien zwar schon vor fast einem Jahr, aber es passte gerade jetzt so gut! Denn der Bundespräsident hatte in seiner Rede zum Nationalfeiertag darauf hingewiesen, dass der Islam inzwischen zu Deutschland gehöre. Daraufhin mussten ihm die rechtskonservativen der CDU, die eh um ihr Profil bangen, natürlich widersprechen. So kam die Meldung "Viele Schüler leiden unter Deutschenfeindlichkeit!" gerade recht. Die Familienministerin gab betroffene Interviews und klagte an: "Deutsche Kinder werden Kartoffel genannt!"

Kartoffeln mit aufgemalten Gesichtern

Ginou Choueiri

Kartoffeln sind auch Menschen ! Kartoffel -Porträts von dem in Beirut lebenden Künstler Ginou Choueiri

Deutschenfeindlichkeit sei eine Form von Rassismus, die wie Antisemitismus und Islamfeindlichkeit bekämpft werden müsse. Und Deutschenfeindlichkeit gehe natürlich von türkisch- und arabischstämmigen Schülern aus.
Nun lebt ja in Berlin die größte türkische Community außerhalb der Türkei, und die Bewohner des Stadtteils Kreuzberg sind zu einem Drittel Migranten, in manchen Straßenzügen und Quartieren sind es sogar bis zu 79 Prozent. Trotzdem erfährt der deutschstämmige Kreuzberger wenig Deutschenfeindlichkeit, es sei denn er verlässt Berlin und reist in die deutschsprachigen Nachbarländer.

haus der geschichte

Auch wer in Kreuzberg Kindergarten Grundschule, Gymnasium - alles Institutionen mit hohem Migrantenanteil - durchlaufen hat, oder als Elternteil involviert war, wundert sich. Stresser gibt es natürlich auf jedem Schulhof und gemobbt wird überall. Auf den Berliner Hauptschulen, die jetzt abgeschafft werden, ging es wahrscheinlich noch krasser zu, weil sämtliche Berliner Verlierergruppen auf sie abgeschoben wurden.

Auch einzelne Berliner Lehrer zeigen sich verwundert über die Art dieser Debatte“. Es sei nichts Neues, dass Schüler einander mobbten – und zwar entlang aller möglichen Unterscheidungsmerkmale: Schlanke gegen Dicke oder eben Migranten gegen Deutschstämmige. Bisher seien nur meist die Migranten in der Opferrolle gewesen. Wenn Migrantenkinder in der Überzahl tun sie eben das, was Mehrheitsgruppen oft mit Minderheiten tun.“

Inzwischen hat sich sogar der Verfassungsschutz zum Thema gemeldet, will aber vorerst keine Ermittlungen gegen die Deutschenfeindlichkeit anstellen, ein christlich-sozialer Minister hatte angekündigt eine Initiative zu starten, wonach deutschenfeindliche Parolen künftig als Volksverhetzung bestraft werden sollen. Das gilt dann aber nicht nur für die deutschenfeindliche Kartoffel sondern auch für die Krauts und Piefkes!