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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

16. 10. 2010 - 14:11

Tiere in drei Dimensionen

Zack Snyder lässt Eulen fliegen, Alexandre Aja entdeckt die Killerfische: Notizen zu "Legend Of The Guardians" und "Piranha 3D".

Mir persönlich ist ja immer noch nicht ganz klar, was ich von Zack Snyder halten soll. Man könnte das durchaus als Kompliment auffassen, denn wenn man dem US-Regisseur eines nicht vorwerfen kann, dann Berechenbarkeit.

Nach einem vielsprechenden, weil schnörkellos und straight inszeniertem Debütstreifen, dem Zombieremake "Dawn Of The Dead", entdeckte der ehemalige Werbefilmer die Welt der visuellen Effekte für sich. Und das führte in der Folge zu einigen hochgradigen ästhetischen Missverständnissen.

Die Frank-Miller-Verfilmung "300" verzückte brachialverliebte Buben aller Altersstufen mit Slow-Motion-Szenarien, die wie das filmische Pendant zum rabiaten Metalkitsch à la Rammstein wirkten. Ob Zack Snyer mit seinem Historienschlachtfest auch verstaubte Survival-Of-The-Fittest-Ideologien postmodern grinsend propagierte, darüber streiten sich Fans und Gegner noch heute.

Mit dem Comicepos "Watchmen" sorgte der Regisseur erneut für Kontroversen. Zumindest die enorme Ambition, mit der er dieses Monsterprojekt realisierte, muss man ihm aber hoch anrechnen.

Auch inhaltlich ergab sich endlich ein schlüssigeres Bild: Hinter dem stets gutgelaunten Sonnyboy Snyder dürfte sich einer jener amerikanischen Nihilisten verbergen, wie wir sie in all ihrer kulturpessimistischen Schwarzmalerei lieben, siehe Fincher, Reznor und andere. Nur die vielen dämlichen Zeitlupenspielereien hätte er sich auch in "Watchmen" sparen können.

Legend Of The Guardians

Warner Bros

Und jetzt das, ein 3D-Film von Zack Snyder, in dem sprechende Eulen die Hauptrolle spielen. Ganz genau, sprechende Eulen. Und zwar keine stilisierten Cartoonkäuze, wie man sie im aktuellen Animationskino von Pixar oder Dreamworks erwarten würde. Nein, wir reden bei "Legend of the Guardians: The Owls of Ga'Hoole" von fotorealistischen Viechern und von einer Geschichte voller ungebrochenem Pathos und Heldentum.

In ihren Fantasybüchern entwirft die Autorin Kathryn Lasky eine mythische Tierwelt, in der edelmütige Eulen im Mittelpunkt stehen. Aber es gibt auch die faschistoide Kaste der Reinsten, die kleine Eulenkinder entführen und sie zu Soldaten ausbilden. Ein großes Gefecht steht bevor, bei dem das Böse zu triumphieren scheint. Die einzige Rettung sind die heroischen Krieger von Ga'Hoole, von denen man in Legenden erzählt.

Wenn am Anfang putzige Vogelbabys in die Kamera blinzeln, will man den Regiecredits gar nicht trauen. Aber spätestens wenn die Eulen in den Krieg ziehen, mit Messern an den Klauen, lässt Zack Snyder seine Handschrift durchschimmern. Und wenn sich dann auch die Federtiere in Zeitlupe gegenseitig killen, mutet der Sprung vom antiken Griechenland ins Eulenreich nicht so drastisch an.

Vielleicht fragt jetzt einer von euch ganz nebenbei: Muss man diesen Film sehen? Nun, die Animation ist virtuos, die Farben berauschend, die 3D-Effekte schließen beinahe ans "Avatar"-Niveau an. Ansonsten hinterlässt "Die Legende der Wächter" einen komischen Nachgeschmack: für die lieben Kleinen zu martialisch angelegt, für Erwachsene in seiner Infantilität nervig. Wer auch immer die angepeilte Zielgruppe sein soll, zumindest meine Wenigkeit zählt nicht dazu.

Legend Of The Guardians

Warner Bros

Zack Snyder ist nicht der einzige, für explizite Gewalt berüchtigte Filmemacher, der sich für seinen neuesten Film ins Tierreich begibt. Wobei Alexandre Aja bei seinem Ausflug in die Zoologie genau das liefert, was man sich von einem Vertreter des Splat Pack erwartet: Killerfische, Blutfontänen, Eingeweide.

Mit seinem zweiten Spielfilm "Haute Tension" wurde der französische Jungregisseur zum Helden der Horrorcommunity. Der Film löste eine neue Welle tabubrecherischer französischer Splattermovies aus, Monsieur Aja verabschiedete sich aber in Richtung USA. Dort drehte er mit "The Hills Have Eyes" und "Mirrors" gleich zwei Remakes ab und etablierte sich als Recyclespezialist. Und auch in seinem neuen Film beruft sich Alexandre Aja auf die Vergangenheit.

Harmlose Badeurlaube wurden in den siebziger und achtziger Jahren plötzlich zu Himmelfahrtskommandos. Schuld daran war ein großer weißer Hai, der sich in Steven Spielbergs Megaerfolg "Jaws" auf Touristenjagd machte. Schon bald verunsicherten auch Killerwale, Riesenoktopusse und Barracudas die Hollywood-Gewässer.

1978 präsentierten der sympathische Trashinnovator Joe Dante und Produzentenguru Roger Corman mit "Piranha" die ultimative Exploitation-Antwort auf Spielbergs Klassiker. Ein blutjunger Regienovize namens James Cameron wurde danach in das Projekt "Piranha 2: The Spawning" gedrängt, das ihm bis heute peinlich ist.

Piranha 3D

Disney

Wenn es nach Alexandre Aja geht, wird das Schwimmen jetzt wieder zur Mutprobe. Der Remake-erprobte Franzose lässt das gute alte Killerfisch-Kino wieder aufleben, mit zusätzlichem 3D-Bonus.

Nach einem Seebeben öffnet sich im Lake Victoria im amerikanischen Südwesten eine riesige Erdspalte. Prähistorische Piranhas schwärmen unentdeckt an die Oberfläche. Dumm, dass ausgerechnet jetzt die Spring-Break-Saison startet, der See zur Partyzone erklärt wurde und unzählige Teenager in Feierlaune herumtümpeln. Noch blöder, dass auch die Kinder von Sheriff Forester (Elisabeth Shue) mitten in der Gefahrenzone sind.

Richard "Matt Hooper" Dreyfuss, Christopher "Doc Brown" Lloyd und Eli "Hostel" Roth in Gastrollen, ein Sammelsurium korrupter Politiker, edelmütiger Polizisten, grenzdebiler Jugendlicher: "Piranha 3D" lässt aber wirklich kein Filmzitat und Genreklischee aus.

Ganz im Gegenteil. Alexandre Aja badet sich in Klischees. Und er taucht ganz tief in Kunstblut-Gewässer ein. Der Film ist eine einzige Orgie aus zerfetzten Körperteilen, Silikonbrüsten, Großraum-Electro-BummBumm und geschmacklosen Witzen. Das ist oft ganz schön anstrengend, aber auch sehr konsequent. "Piranha 3D" ist Mainstreamkino, das den Mainstream auf brutale Weise parodiert.

Piranha 3D

Disney