Erstellt am: 16. 10. 2010 - 16:27 Uhr
Oh! Fernsehfett
Oh! - Irritationen im Alltag
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Träge bewegt sich mein fauler Finger in Richtung Fernbedienung. Ich schalte das Deppenkastl aus und fühle es: Mein Leben ist sinnlos, seit mehr als vier Stunden schon. Mir fehlt die Fähigkeit des Zapp-Dich-Durch, mir fehlt Eigeninitiative und niedriges Frustrationslevel. Mir fehlt die Basis.
Denn bereits früh in meinem Leben wurde verabsäumt, mir genügend Satellitenanschlüsse und bunte Fernbedienungen zur Verfügung zu stellen. Statt dessen gab's Liebe und Aufmerksamkeit und viele Geschwister. Und mich: Eine demütige, dankbare und genügsame Fernsehkonsumentin. Ich habe einfach nicht gelernt, umzuschalten.
elisabeth gollackner, fm4
Unser Fenster zur Welt war ein Ungetüm in schwarz, das erhöht in einem Kasten versteckt wurde, wenn draußen die Sonne schien. Ganze fünf Sender waren dank Grenznähe empfangbar. Wollte man umschalten, musste zuallererst einmal basisdemokratisch darüber abgestimmt werden, ob überhaupt umgeschalten werden durfte. Je älter die fordernde Person, desto höher die Erfolgsquote.
Konnte man sich (trotzdem) durchsetzen, kam die nächste Hürde: Etwa 10 Meter von der Couch zum Gerät (zu nahe = macht Augen kaputt), rauf auf einen Sessel (der irgendwann einfach dort stehen blieb, weil man doch sowieso jeden Tag irgendwas schauen durfte), und rein mit der Hand ins Ungewisse. Denn die Fernbedienung hatte entweder leere Batterien, oder sie war in einer der vielen Schluchten unserer alten Couch verschwunden. Deshalb musste an der rechten Außenseite des Fernsehers in einem eleganten Schlitz herumgefingert werden, wo sich kleine Knubbel für Lautstärke und Programmwechsel versteckten. Wir standen damals kurz vor der Zukunft, kurz vorm Millenium! Vom Staubsauger bis zum Haarfön nannte sich alles irgendwie "2000", alles war schwarz oder grau, und gut sichtbare Knöpfe gabs höchstens noch bei Seniorentelefonen.
Dass es bei derartigem Herumgefingere regelmäßig zu Verwechslungen kam - logisch. Dass die Geschwistermeute in solchen Fällen laut schreiend über einen herfiel, weil sie böse Absicht und fehlenden Wille zu demokratischen Verhandlungen vermutete - ebenso logisch. Schließlich wollte man Alf lauter haben, nicht plötzlich den alten Bayern im Orgelmuseum.
Und weil zuviel Basisdemokratie für Kinder auf Dauer auch nicht gesund sein kann und Wunden am Haaransatz immer so stark verkrusten, gab's um des lieben Friedens Willen eine Schüssel Erdnüsse, ungeschält. Taktil abgelenkt, den Mund voller Brösel, wurde eingeschalten und glücklich so lange geschaut, bis es Zeit zum Zähneputzen war.
Mit dem Erbe dieser Jahre liege ich also hier und merke, dass ich stundenlang furchtbare Filme gesehen habe, mit Synchronsprechern in den Hauptrollen, die um Himmels Willen doch Synchronsprecher hätten bleiben sollen. Werbeblöcke, in denen Schokolade und Abführmittel in harmonischem Yin Yang ko-existieren können. Und Diskussionen mit schlecht gekleideten Menschen und ihren schlecht verkleideten Vorurteilen. "Ich bin wirklich nicht ausländerfeindlich", sagt die Scheckige, aber. Ja ja. Irgendwann lerne ich das auch noch, und dann schalte ich euch alle um.