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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

13. 10. 2010 - 15:24

Rot-Grün: Keine Experimente?

Für Michael Häupl ist es ein Risiko mit unsicherem Ausgang. Dabei ist Rot-Grün längst ein etablierte Regierungsform, wie viele europäische Städte zeigen: von Amsterdam bis Zürich, von Paris bis München.

Joschka Fischer bei seiner Vereidigung 1985, in Turnschuhen

DPA

Der "Turnschuhminister" wird vereidigt: Joschka Fischer und Holger Börner im Jahr 1985.

Der politische Tabubruch fand schon 1985 statt, als der damalige hessische Ministerpräsident Holger Börner den Politrabauken Joschka Fischer und seine "linksgrüne Chaotentruppe" in die Landesregierung holte. Gefundenes Fressen für Konservative, den baldigen Weltuntergang respektive die kommunistische Eroberung Hessens heraufzubeschwören. Damals war die Erinnerung an den "deutschen Herbst" noch frisch, und eine Partei, die zum Teil aus dem selben Umfeld hervorgegangen war wie Jahre zuvor die Terrorgruppe RAF, löste in weiten Kreisen des Bürgertums nackte Angst aus.

Doch obwohl die erste rot-grüne Regierung in Hessen, dem Vorurteil entsprechend, schon nach 14 Monaten an der Atompolitik scheiterte, waren rot-grüne Regierungen seither auf allen Ebenen in Deutschland gangbare Optionen. In Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und auch in Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen.

Rot-grünes Chaos...

Inzwischen gibt es in Hamburg und einigen Städten Baden-Württembergs auch schwarz-grüne Koalitionen. Dazu sind die Linken jetzt auch im Westen in Parlamente eingezogen und kommen als Mehrheitsbeschaffer in Frage; so haben sie die Grünen als Gottseibeiuns der bürgerlichen Politik abgelöst. Und auch der Stehsatz, dass Koalitionen mit den Grünen an deren Basisdemokratie und Prinzipientreue oder auch Unberechenbarkeit zu schnellem Scheitern verurteilt seien, ist in Deutschland längst aus dem politischen Alltag verschwunden.

Die Wien Wahl 2010 auf FM4

München ist das beste Gegenbeispiel dafür. Zwar kracht es immmer wieder in der Rathauskoalition, zuletzt etwa als es um die Frage der Bewerbung für Olympia 2018 ging, aber inzwischen wird München bereits seit 20 Jahren rot-grün regiert - inklusive der für so lange Bündnisse üblichen Abnutzungserscheinungen.

... und rot-grüne Abnutzungserscheinungen

In Städten wie Paris, Zürich oder Amsterdam gibt es zwar keine Koalitionsregierungen, trotzdem bestehen auch hier, teilweise schon seit Jahrzehnten, solide links-grüne Mehrheiten.

In Baden-Württemberg werden Oberbürgermeister und Gemeinderat einzeln gewählt, der OB für acht, Gemeinderat für fünf Jahre.

Eine Besonderheit, auch für Deutschland, ist Baden-Württemberg. Denn hier gibt es grüne Oberbürgermeister, in Freiburg und Tübingen, und auch in Stuttgart sind die Grünen seit letztem Jahr stärkste Fraktion im Stadtrat, allerdings stellt dort die CDU den Bürgermeister. Glaubt man aktuellen Umfragen, dann könnte sich bei der baden-württembergischen Landtagswahl im März aber auch landesweit erstmals eine ganz andere Mehrheit ausgehen: Grün-Rot.