Erstellt am: 12. 10. 2010 - 18:52 Uhr
Fußball-Journal '10-60.
Meisterschaft und Cup, das "europäische Geschäft", das Nationalteam, der Nachwuchs, aber vor allem auch das hiesige Medienverhalten und die Wahnsinnigkeiten im Umfeld: das Fußball-Journal '10 begleitet die Saison ungeschönt.
Heute mit der Live-Berichterstattung zum EM-Qualifikationsspiels gegen Belgien, das ab 20.45 in Brüssel, im Stade Roi Baudouin, beginnt und in ORF 1 übertragen wird.
Hier eine taktische Preview von laola1, das auch einen LiveTicker anbietet. Das ist der offizielle UEFA-Liveticker.
Die Ausgangs-Position:
Nach der Zufalls- und Hilflosigkeit im Heimspiel gegen Aserbaidschan und der verheerend miesen Partie gegen Kasachstan folgt jetzt der erste Elchtest.
Der ÖFB-Chefcoach hat sich aus seiner weirden verschwörungstheoretischen Abwehrhaltung ein wenig befreit, allerdings steckt das Nationalteam immer noch in einer starken Glaubenskrise, die aus üblem strategischen Unvermögen gespeist wird, was wiederum den Verband in seiner Gesamtheit lähmt.
Ja, und dann noch: shameless self promotion, die inhaltlich aber passt.
Vergessen wir bitte eines nicht.
Die zehn Spiele umfassende EM-Qualifikation für 2012 (in Polen und der Ukraine) hält fünf Gegner und somit 5 Auswärtsspiele bereit. Und dann noch drei schwierige Heimspiele gegen Deutschland, Türkei und Belgien. Die restlichen zwei Spiele sind bereits erledigt; die zwei nämlich, in denen ein Punkte-Gewinn am wahrscheinlichsten war; gegen die zwei Underdogs aus Vorder- und Zentralasien.
Die restlichen acht kommen noch. Die acht Spiele, in denen es richtige Gegenwehr geben wird. Wie die aussehen wird, hat Aserbaidschan heute am frühen Abend im Spiel gegen die Türkei vorgezeigt.
Und heute Abend in Brüssel geht es los, mit Teil 1 von 8.
Beachten wir bitte noch etwas.
In den beiden Heimspielen gegen Kasachstan und Aserbaidschan hat das ÖFB-Team grottenschlecht, teilweise am Rand der Hilflosigkeit gespielt und zweimal eher zufällig gewonnen. Was angesichts einer Nicht-Planung, Nicht-Taktik, konfusen Vorbereitung, irgendwie kurzfristig umgebeutelter Aufstellung und ohne ersichtliches Spielsystem auch kein größeres Wunder ist.
Es hat gereicht; irgendwie halt.
Berücksichtigen wir bitte auch etwas anderes.
Weil sie keinerlei Plan, keine Strategie, keine Zuordnung und keine Taktik mitbekommen hatten, und weil sie nicht imstande sind ein Spiel zu bestimmen, zu gestalten, Offensiv-Fußball zu spielen, griffen die ÖFB-Teamspieler auf das zurück, was sie aus sich selber heraus beherrschen: den schnellen Gegenangriff, das Konterspiel; im eigenen Stadion wohlgemerkt.
Das sah dort, vor allem gegen zwei eigentlich unterlegene Gegner nicht nur peinlich aus, sondern zerstörte auch die beiden Matches, machte sie zu niveaulosen Begegnungen.
Weil aber nicht anzunehmen ist, dass sich der Matchplan heute Abend gegen Belgien ändern wird (es gab bisher keinen, es wird auch heute keinen geben...), wird es wieder aufs Gleiche rauslaufen.
Das ÖFB-Team wird (in Ermangelung eigener Gestaltungs-Fähigkeit) wieder versuchen zu kontern.
Lasst mich deshalb also eine "Entweder-Oder"-Voraussage treffen.
Entweder diese Strategie des Zufalls tritt einer bislang nicht so sonderlich gefestigten belgischen Mannschaft (die sowohl personell, als vor allem taktisch doch über das Ö-Team zu stellen ist) auf die Ferse, bringt sie zum Stolpern und verursacht so Verunsicherung, die womöglich in einem Kontertor oder gar einem Erfolg mündet.
Im übrigen ist das mit der Nationalmannschaft so wie mit der Wien-Wahl. Auch da ist die Kronen-Zeitung die "offizielle Zeitung des österreichischen Fußballteams". Und das Halbgratis-Blatt Österreich der zweite Sänger im Chor der Claqueure. Wer braucht Berichterstattung oder gar Analyse, wenn es mit Campaigning geht?
Oder das ÖFB-Team wird spielerisch und taktisch überrollt und plattgemacht und rennt, wenn es versucht einen rausgespielten Rückstand wettzumachen, in sein Verderben.
Beides wäre Resultat einer ausgewiesenen Nicht-Planung und Nicht-Vorbereitung samt Nicht-Taktik. Insofern ist es völlig egal, was und wie Constantini aufstellt. Innerhalb von ein paar Tagen - und mit Belgien beschäftigt man sich, sehr kursorisch, seit Sonntag (und da, laut Auskunft Maierhofer, genau eine halbe Stunde) - lässt sich nix Grundlegendes ändern.
Eine dritte Möglichkeit ist übrigens nicht vorstellbar.
Die Aufstellung des ÖFB-Teams
Im Tor wie gehabt Jürgen Macho (1);
Die Abwehr bleibt in Abwesenheit des verletzten Pogatetz konstant: Klein (17), Prödl (15), Schiemer (3), Kapitän Christian Fuchs (5);
Defensiv im Mittelfeld spielen Baumgartlinger (14) und Scharner (16) als sogenannte "Läufer" (Zitat Constantini), davor wird sich eine Offensiv-Reihe mit Kavlak (13) Junuzovic (8) und Arnautovic (11) versuchen.
Ganz vorne als Prellbock: Maierhofer (22).
Österreichs Kader für die Spiele von Freitag und heute ist hier aufgelistet.
Bank: Gratzei (23), Dragovic (2), Pehlivan (6), Jantscher (10), Harnik (19), Hoffer (9), Linz (29).
Tribüne: der nummernlose Gspurning im Tor, Schrammel (4), Fabian Koch (18) und Wallner (7). Verletzt und gar nicht nach Brüssel mitgeflogen ist Janko (21).
Schiri ist der Engländer Michael Dean (die Nummer 2 hinter Howard Webb), an der Linie Darren Cann und David Richardson.
Der 25er-Kader von Belgiens Coach Georges Leekens:
Tor: Logan Bailly (Gladbach/GER), Jean-François Gillet (Bari/ITA), Silvio Proto (Anderlecht).
Abwehr: Vincent Kompany und Dedryck Boyata (Man City/ENG), Jelle Van Damme (Wolves/ENG), Daniel Van Buyten (Bayern /GER), Filip Daems (Gladbach/GER), Nicolas Lombaerts (St. Petersburg/RUS), Toby Alderweireld (Ajax/NED), Guillaume Gillet und Olivier Deschacht (Anderlecht).
Mittelfeld: Marouane Fellaini (Everton/ENG), Jan Vertonghen (Ajax/NED), Dries Mertens (Utrecht/NED), Timmy Simons (Nürnberg/GER), Steven Defour und Axel Witsel (Standard Lüttich), Kevin De Bruyne (Genk).
Angriff: Eden Hazard (Lille/FRA), Jonathan Legear und Romelu Lukaku (Anderlecht), Yassine El Ghanassy (Gent), Marvin Ogunjimi und Jelle Vossen (Genk).
Verletzt: Thomas Vermaelen (Arsenal/ENG), Igor de Camargo (Gladbach/DEU), Tom de Sutter (Anderlecht)
Nicht nominiert sind die Problemkinder Anthony Van den Borre (Genua/ITA), Wesley Sonck (Lierse) und Sébastien Pocognoli (St. Lüttich) sowie Tormann Simon Mignolet (Sunderland/ENG), Gill Swerts und Maarten Martens (AZ/NED), Mousa Dembélé (Fulham/ENG), Gaby Mudingayi (Bologna/ITA), Roland Lamah (Le Mans/FRA), Kevin Mirallas (Olympiakos/GRE), Thomas Buffel (Genk), Tom de Mul (St. Lüttich), Jonathan Blondel (Brügge) und Altstar Emile Mpenza, obwohl der aktuell bei Nefchi Baku in Aserbaidschan (!) spielt.
Belgien, wie immer wenn's geht, in leuchtendem Rot, spielt mit Bailly (1) im Tor; Alderweireld (2, Jungstar bei Ajax), Kapitän Daniel Van Buyten (3), Ex-Wunderkind Vincent Kompany (4), Vertongen (5) in der Abwehr; Simons (6) als Besen davor, Witsel (7), Wuschelkopf Fellaini (8), Vossen (10, der offensivste) und Legaer (11) im Mittelfeld; und Jungstar Ogunjimi (9) vornedrin.
Ersatz: 13 Gillet; 12 Boyata, 14 Lombaerts; 16 Van Damme, 15 Defour; 17 Hazard, 18 Lukaku.
Hier ein paar Hinweise zur prinzipiellen strategischen Ausrichtung der Belgier.
Die ins Auge springenden Probleme:
1) Die Positionierung von Schiemer im Abwehrzentrum, weil er das bei Salzburg kaum spielt. Gegen Aserbaidschan war das noch irgendwie wurscht, weil wenig durch die Mitte kam, gegen Belgien mit Vossen, dem wuseligen Ogunjimi und später Lukaku sieht das anders aus.
2) Nicht Hoffer, sondern Maierhofer vorne im Zentrum. Hoffer könnte Van Buyten und Kompany durch die langen Beine laufen. Der unbewegliche und damit fürVan Buyten nachgerade zugeschnittene Maierhofer war zwar einer der wenigen Aktivposten am Freitag - heute ist er womöglich eine taktische Vorgabe.
Augenhöhe?
Im Vorlauf zum Match tauchen seltsamen Ansagen auf. Dass man einander hier auf Augenhöhe begegnen würde.
Soso.
Die letzte Hochblüte des belgischen Fußballs war in den 80ern, zehn Jahre nach der letzten Hochblüte Österreichs. Da das letzte Bewerbsspiel der beiden Mannschaften von Ende 70 herrührt, verzerrt der Blick auf die Statistik die Realität doch ein wenig.
Österreichisch-belgische Konktaktpunkte gibt es einige. Da wären einmal Ernst Happel und Edi Krieger, die mit Brügge im Europacup-Finale standen. Direkt neben Krieger in der Abwehr: George Leekens, der heutige Coach der Roten.
In Antwerpen spielten mit Karl Kodat und Alfred Riedl in den 70ern zwei außergewöhnliche Österreicher. Später in den 80ern war es der bullige Richard Niederbacher bei Waregem.
Wichtigster Belgier in Österreich war wohl Jan-Pieter Martens, Mitglied der großen Sturm Graz Mannschaft, der nicht nur als Kicker und Mädchenschwarm, sondern auch als Musiker und Konzert-Veranstalter nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Die Konzertreihe und Musiker-Plattform, die er in Graz begründet hat, gibt es heute noch.
Ja, zurück zur Augenhöhe. Im Vorab-Interview spricht es Constantini aus: "Konter" sagt er. Sonst eh nix. Wenn das Team keine Klasse hat, dann tut es sich schwer auswärts, sagt Prohaska. Word.
Jetzt aber zum Spiel...
... besser gesagt zum Tamtam davor. Und, schau an: auch Belgien liegt irgendwie in Österreich. Denn auch hier pfeifen Pfeifen zur gegnerischen Hymne. Und buhen sie nachher aus. Wie machtvoll!
Oh, Van Buyten ist ausgefallen - Lombaerts rückt nach und Kompany ist Kapitän. Da ist kurzfristig was passiert. Das wirft die Aufstellung und einiges andere über den Haufen.
Belgien startet wie erwartet, fast überfallsartig. Ein Vossen-Schuss in der 1. Minute markiert das. Man spielt schnell und direkt nach vorne. Österreich müht sich.
Belgien spielt aufgrund des Ausfalls ihres Ringer-Sprosses jetzt so:
Bailly (1); Alderweireld (2) rechts, dann Kapitän Kompany (4) daneben Lombaerts (14) zentral und der recht offensive Vertongen (5) links; Simons (6) ist ein klarer Solo-Sechser, halbrechts vor ihm der optisch leicht zu erkennende Fellaini (8), rechts im Mittelfeld Legaer (11, der sehr Blonde) und links Witsel (7) - die beiden rochieren allerdings auch nach Bedarf; Vossen (10) macht die hängende Spitze hinter Speerspitze Ogunjimi (9).
Das ist eine Art 4-1-3-1-1, bei dem vor allem Fellaini das Bindeglied zwischen Defense und Offense macht.
Nämlicher Fellaini vernudelt in der 7. Minute einen Rechts-Cross von Legaer.
Wer sich jetzt fragt, warum ich hier nichts über die tatsächliche taktische Formation der Österreicher tippsle - über Inexistentes kann man nichts Sinnvolles schreiben. Das ÖFB-Team hat große Probleme der belgischen Denk- und Handlungs-Geschwindigkeit.
Die erste Aktion in der 10. Minute entstand wieder einmal rein zufällig, sorgt aber für Erholung. Dass der TV-Kommentator beim ersten Eckball gleich die Entscheidung herbeisehnt, zeigt die "lowered expectations", die man der eigenen Mannschaft gegenüber hat.
Im Gegenzug setzt Ogunjimi einen langen Ball von Kompany in einen guten Pass in den Strafraum um, und Vossen ballert das Ding volley rein. 1:0. Gegenspieler war Schiemer (kein Vorwurf, das war eng).
Die Konterer ausgekontert...
Schon blöd, dass die ÖFB-Konterer da in der Fremde ausgekontert wurden, nach ihrem ersten (völlig unkoordinierten) Angriff. Und ich bin sicher, dass nachher genau darüber gejammert werden wird. Dass man nur mit den eigenen Waffen geschlagen wurde, dass die destruktiven Ideen dann böse sind, wenn sie von den anderen kommen und dann gut, wenn sie dem Eigennutz dienen - diese verdummende Denke ist sehr mitschuld an vielem.
Dann in der 13. Minute der zweite Corner von Junuzovic und ein vorbildlicher Kopfball von Schiemer, und wieder ein Kopfball-Tor, wie schon am Freitag. 1:1. Und es spricht für die individuelle Qualität von Juno oder Schiemer (wie im Aserbaidschan-Spiel die von Prödl).
Und, schau an, plötzlich ergibt sich die erste spielerische Aktion, Kavlak ist beteiligt. Dann in der 16. große Erregung als Maierhofer wenig bedrängt aufs Tor zieht, aber sein Stangenschuss war eh schon davor abgepfiffen. Handspiel.
Aber, immerhin: das ÖFB-Team ist, erstmals heute, im Spiel dabei. Aber, dann ab der 19. Minute, hat sich Belgien wieder beruhigt und zieht sein Angriffspiel auf; eine Mischung aus schnellem direktem Kurzpass-Spiel und weitgreifenden Seitenwechseln, gezielt auf in die Räume wieselnde Spitzen.
Österreich steht aktuell recht kompakt, das 4-2-3-1 funktioniert.
In der Defensive.
Das Umschalten in die Offensive klappt dann wieder nur zufällig, am ehesten noch über Kavlak. Aber sie schaffen es praktisch nie drei fehlerfreie Passes hintereinander zu spielen.
Gefährlich ist Belgien. In der 26. Minute setzt Legaer einen weiten Cross von Alderweireld volley knapp nebens Tor - er war zwischen Prödl und Klein durchgelaufen, um so die Schwäche der ÖFB-Abwehr zu dokumentieren.
In der 28. Minute kassiert Maierhofer die gelbe Karte für ein saudummes Foul von hinten. Das muss selbst der englische Rugby-Schiri geben.
Und die Konterer kontern dann retour...
Dann noch eine Wiederholung von Freitag: ein zweites Tor nach einer Aktion von Arnautovic (in der 29.). Der trägt Junuzovic den Doppelpass an und kriegt ihn, weil Maierhofer den Ball durchlässt, dann halblinks wieder, recht frei vorm Tor. Ein satter Schuss und das ist das 1:2.
Das war kein so augenfälliger Genieblitz wie sein Tor zum 2:0 am Freitag, aber durchaus vergleichbar - denn wieder wollte das der Typ mit dem Poscher genau so; auf den Fuß gespielt eben.
Nach dem Tor setzen die Belgier unverdrossen nach, was den Konterern die Chance auf weitere Konter öffnet.
In der 33. dann Dreifach-Chance für Belgien. Nach Vorarbeit von Legaer über rechts schießt Vossen zweimal, zweimal pariert Macho irgendwie mit den Füßen, den dritten Schuss von Witsel dreht er an die Latte.
Die Nervosität setzt sich fort: Schiemer sieht in der 36. gelb. Und Maierhofer legt sich in der 37. Minute verletzt hin. Und wieder gelingen keine drei Passes in Folge - Situationen ergeben sich also nur zufällig.
Einzige Ausnahme: die Arnautovic-Aktion zum Tor.
Was uns im Spiel hält: auch das Passspiel der Belgier steckt voller Fehler.
Aber sie kreieren Torszenen. Fellaini reißt mit einem kleinen Pass nach rechts die Abwehr völlig auf, Legaer haut die Kugel unbedrängt drüber (39.).
Allen belgischen Angriffen zum Trotz: die Mittelfeld-Zentrale mit Scharner und Baumgartlinger, manchmal auch Junuzovic hält alles recht dicht, weshalb die Roten meist auf die Flanken ausweichen.
In der 42. Minute holt Kavlak nach einer Aktion, die über mehr als drei Stationen ging, einen Corner heraus, der in weiterer Folge für erstaunlich viel Gefahr sorgt. Lufthoheit haben die Belgier in ihrem Strafraum wirklich keine - und das liegt nicht nur an der Abwesenheit von Daniel Van Buyten.
Zwei Minuten Nachspielzeit gibt es, und gelb für Kompany, der Junuzovic in Strafraumnähe legt (was eine Matchsperre fürs Retourspiel nach sich zieht). Und, schau an, Arnautovicens Poser-Freistoß ist sogar ansatzweise gefährlich.
Und sein Fersler-Aufleger für Junuzovic zu dessen Schuss in der letzten Nachspielminute ist natürlich ein Hingucker.
Augenhöhe? Augenhöhe.
1:2 in Brüssel, da schau her.
Man hatte wie immer keinen Plan außer "kontern", das spielerische Element ist noch weit außerhalb der Reichweite im Chemiebaukasten des ÖFB-Teams, kaum einmal schafft man drei Passes am Stück - und trotzdem wird geführt.
Wie das geht?
Ein stark ausgeführter Standard, wie schon gegen Aserbaidschan. Da genügen zwei Ballkontakte.
Und eine einzelne Aktion über die Arnautovic-Seite, von Arnautovic erdacht und auch vollendet, auch wie schon gegen Aserbaidschan. Da sind mehr als drei Kontakte nötig.
Das ist so offenkundig, dass es sogar Assi Zsak erkannt hat und auch formulieren kann (was ja nicht so häufig vorkommt).
Die Chancenauswertung ist herausragend - zwei Szene, zwei Tore.
Die linke Seite (Fuchs, Arnauto) lebt, wie schon gegen Aserbaidschan; die rechte ist vergleichsweise recht tot (wie schon auch gegen...), das Zentrum arbeitet recht anständig.
Die Abwehr steht unter Druck, leistet aber durchaus anständige Arbeit - vor allem wenn man die wuchtige belgische Offensive mitbedenkt.
Es hat sich deshalb so etwas wie Augenhöhe entwickelt, weil mein "Entweder"-Szenario von Beginn eingetroffen ist. Bis jetzt zumindest.
Die 2. Halbzeit bringt Neues...
... nämlich Boyata (den kennen wir vom Man City-Spiel von Salzburg) für Alderweireld, das ist ein reiner Rechtsverteidiger-Tausch, der wohl etwas mit Arnautovic' Leistung zu tun haben wird. Leekens lastet Alderweireld wohl das zweite Tor an...
Ich hatte eher mit Lukaku und einer Umstellung in der Offensive gerechnet.
Aber die Offensive powert weiter ungeheuerlich.
Und sofort (46.) gibt's eine Superchance für die Belgier. Degaer stolpert (gefoult) in den Strafraum und legt auf für Witsel, der scheitert wieder am Fuß von Macho, aber die Rebound-Flanke köpft dann Fellaini (47.) ins Tor - obwohl er in der Luft gegen Prödl und Macho steht. Das war Pech - aber angesichts der bisherigen Szenen ist das keinesfalls ungerecht, sondern nur folgerichtig. 2:2.
Und sofort setzen die Belgier nach. Schuss von Vossen (48.), das ist wie immer die Markierung. Und Macho macht den nächsten Fehler.
Ich hoffe nur, dass der Blödsinn, der da in den Pausengesprächen kursiert ist (... das Resultat halten...) nicht Teil der Kabinen-Befehlsausgabe war. Denn damit ist gegen die Belgier in Brüssel kein Staat zu machen,. Da hilft nur Gegenwehr, am besten spielerische.
Und, schau an, Scharners Schusserl in der 53. ist das Ende der ersten Ballstaffette, die erfolgreich über an die fünf Stationen ging. Mit dabei: wieder Kavlak, und zwar links, weil Arnatuto jetzt rechts agiert.
In der 54. Minute versucht es Junuzovic mit einem hohen Freistoß in Richtung Tor und fast nützt er die Verwirrung aus.
Hoffer wird kommen.
Ich kann nur hoffen, dass die Aktivposten (Kavlak, Arnauto, Juno) drin bleiben und Maierhofer geht - wie die gleichzeitig laufende Aktion (Maierhofer verstolpert, Kavlak legt für Juno auf, der aus 20 Meter knapp drüberschießt) belegt.
Umstellung des Grauens
Constantini bringt in der 57. Minute tatsächlich Hoffer (9) für Veli Kavlak, den heute spielerisch deutlich besten Mann. Auweia.
Österreich spielt jetzt mit zwei Spitzen, Arnauto bleibt rechts, Juno muss nach links rücken. Wir halten jetzt also bei einem flachen 4-4-2 mit zwei Ketten mit dem üblichen Riesenloch in der Kreativ-Zentrale. Doomy.
In der 60. Minute vergibt Vossen die nächste Riesenchance, haut einen klugen (von Fellaini) gespielten Ball volley vorbei.
In der 61. Minute schießt Arnautovic einen exzellenten 30-Meter-Freistoß und zwingt Bailly zu einer wilden Abwehr.
Den Ball beim Corner danach (wieder Junuzovic) bringt niemand unter Kontrolle, ehe ihn Franz Schiemer auf Raten (und über zwei Gegenspieler) ins Tor stolpert.
2:3, unglaublich!
Es war zwar wieder nur Zufall nach einem Standard, aber die Serie hält.
Quasi im Gegenzug schießt Ogunjimi einen Witsel-Pass knapp daneben. Weil die Belgier die vielen Chancen, aber die schwache Percentage haben. Österreich hält dagegen immer noch bei fast 100%.
Das Publikum vorort wird leiser - die Serie wird ihnen unheimlich. Und auch auf dem Platz macht sich Unsicherheit breit. Gelb für Simons (64.), steckenbleibende Angriffe.
Dann Aufregung in der 68. Minute. Und die rote Karte für Scharner, weil es im Aufstehen Vertonghen per Kopf gegen den Schiedsrichter rempelt. Anderswo geht das - aber den Schiri damit indirekt berühren - doof; und rot.
Scharner rückt das System wieder zurecht
Denn jetzt muss man das 4-3-2 enger ziehen, jetzt können Junuzovic und Arnautovic nimmer außen hängen, sondern müssen zentraler agieren. Und das ist gar nicht so schlecht, rein strategisch.
Leider wird Constantini das sofort wieder "reparieren". Er nimmt den zweiten Spielgestalter raus und setzt Pehlivan (6) neben Baumgartlinger in die defensive Zentrale (71).
Das bedeutet eine Umstellung auf 4-4-1, mit Hoffer rechts und Arnautovic links.
Belgien wechselt (in der 73.) so, wie ich es schon zur Halbzeit vermutet habe: Lukaku (18) für Simons (6) - das heißt es gibt zwei Spitzen und keinen 6er mehr .
Leekens stellt auf eine Dreier-Abwehr um, Kompany ist raus und spielt direkt davor. Fellaini und Vossen sind das kreative Mittelfeld, das nunmehr vier Anfgreifer füttert: Witsel und Legaer außen und Lukaku sowie Ogunjimi im Zentrum.
Der Schuss von Florian Klein in der 76. Minute ist die erste aus dem Spiel heraus entwickelte Torchance, die nicht ins Ziel findet.
Und der knappe Fehlschuss von Arnautovic in der 78. Minute (Wir sind Konterer!) das zweite - aber nicht selber erspielt, sondern aus einem belgischen Fehler entstanden.
Nachdem Hoffer einen 4zu3-Konter mit einem Schuss drüber (81.) abschließt, kommt der nächste Stürmer: Hazard (17) kommt für Fellaini - das heißt es gibt neben der Dreier-Abwehr und Kompany als Libero/Sechser davor eigentlich nur noch Angreifer.
Gelb für Klein in der 83., lange geht es nimmer.
Allerdings richten sich jetzt alle auf ein Powerplay ein.
Hoffers Konter-Solo in der 84. bleibt stecken, aber sowas wird jetzt in der Schlussphase öfter passieren.
Powerplay vs. Konterer
Jetzt ist's wie im Handball, alles um den Kreis und die Lücke suchen für die einen, wegdreschen und auf dem Jimmy hoffen für die anderen. In der Luft sind die Österreicher besser, am Boden die Belgier. Lombaerts verköpft in der 86. knapp.
Und dann gelingt Ogunjimi nach so einem Handball-Links-Rechts-Kreisgepasse aus 5 Meter der Ausgleich (87.) zum 3:3. Natürlich verdient, gar keine Frage. Und eine Folge des Drucks. Und der spielerischen Überlegenheit.
Constantini bringt Harnik (19) für Arnautovic, vielleicht um einen verlässlicheren Mann am Platz zu haben, als den unberechenbaren Zauberer.
Trotzdem bemerkenswert, dass mit Kavlak, Junuzovic und Arnautovic die drei Besten ausgewechselt wurden.
Dass Lukaku in der 89. noch an die Stange schießt - eh klar, fasst das Spiel schön zusammen. Den nachfolgenden Rebound dreht Macho ins Torout.
Aber dann ist der Druck zu hoch. Lombaerts gelingt in der 91. Minute das, was Schiemer in der ersten Halbzeit schaffte: toller Kopfball nach gutem Corner. Und die zweite Führung für Belgien, zum 4:3.
Eh klar, dass in einem solchen Spiel dann noch ein 4:4 fällt. Baumgartlinger erwischt einen Zufallsball, passt ihn auf Harnik, den Neuen, der linkerhand vormarschiert und den Tormann überlupft.
Fazit
Hier die Fakten zum Spiel. Morgen werde ich hier die brauchbaren Analysen verlinken, die ihre Überlegungen erst überschlafen müssen...
Zuerst die Kollegen von Ballverliebt mit einer scharfsinnigen Analyse. Auch 90Minuten hat was Substanzielles zu sagen.
Dann, am Mittwoch abend folgen die Taktikanalyse von laola1, die in einem nachgereichten Kommenatr noch verstärkt wird, und die Netzwerkanalyse des Standard.
Und schau, am Donnerstag sind auch die Web-Kollegen mit einer Analyse da, der ersten ihrer Art.
Es ist nicht viel, was da journalistisch weitergeht, aber mehr als vorher!
Spielerisch war das die gewohnte Magerkost, die von einer Öffentlichkeit, die gar nicht mehr weiß, wie es auch anders gehen würde, nicht mehr als solche erkannt werden kann. Österreichs Fußball-Freunde und Medien bekommen ja nur dann wirklichen Fußball, wirkliche spielerische Qualität vorgeführt, wenn Man City und Co hierzulande gastieren.
Vom Einsatz her war vieles, was die ÖFB-Auswahl angestellt hat, richtig.
Die Percentage bei den Chancen war überragend, die übliche Einzelaktion von Arnautovic führt wieder zum Torerfolg, und immerhin gab es - dem einzigen und simplen Auftrag zu kontern entsprechend - auch ein Kontertor zum finalen 4:4.
Mission completed.
Für ein Team, das nichts hat, keine Führung, keine Leitung, keine Taktik, keinen Matchplan, ist das recht bemerkenswert, fast schon das Optimum. Personell lässt sich gegen diese Mannschaft auch kaum etwas argumentieren (das war auch schon in den letzten Spielen nicht mehr das Thema, bei mir schon länger nicht).
Ob der glückliche Zufall, der heute sein Füllhorn fast schon hyperaktiv ausgeschüttet hat, über der österreichischen Mannschaft, die gesamte EM-Quali ein treuer Begleiter sein wird, darf durchaus bezweifelt werden.
Da diese Quali aber mit dem Coaching-Team um Constantini bestritten werden wird, gibt es gar keine andere Chance, als genau darauf zu hoffen. Denn jetzt wird sich nix Neues mehr ergeben, strategisch oder spielerisch. Jetzt muss man mit dem, was man hat, ins Jahr 2011.
Und das ist nicht viel. Gutes Personal, Wille und Ehrgeiz, dazu auch brauchbare Technik.
Da das ohne spielerische Maßnahmen, ohne jegliches funktionierendes Passspiel, ohne taktische Finesse oder strategische Überlegung auskommt, ist es leider nicht viel wert, sondern dem Bösesten aufgeliefert, das der Fußball bereithält: dem Zufall. Der ist nämlich eine echte Drecksau; und wendet sich brutal gegen den, den er gerade begünstigt hat.
Aber auf genau den muss man jetzt bauen.
Eine andere Wahl haben wir nicht.