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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

13. 10. 2010 - 14:33

Business Casual

Chromeos neues Album: Tron, Miami Vice und Cameos Hodenschutz in da Discotheque

Chromeo in Interview - heute, 13.10.2010, zu hören in der FM4 Homebase ab 19 Uhr

Das Gespräch mit Chromeo hat unter bizarren Umständen stattgefunden. Der Schauplatz: Backstage bei einem Festival. Die Beteiligten: Dave 1 und P-Thugg aka Chromeo, ich, und ein sehr motvierter Pressebetreuer, dem eine gewisse Ähnlichkeit mit Ali G.s Charakter Bruno nicht abzusprechen war.

chromeo

Chromeo sind optisch ein fantastisch ungleiches Paar. Dave 1 ist riesengroß und dünn, sieht aus wie ein Literaturstudent an einer Elite-Uni der sich in Discofunk verliebt hat, aber selbstverständlich ist von der Hornbrille bis zu den Socken alles perfekt im Lot. Die Doktorarbeit in Literaturwissenschaft schreibt er tatsächlich in den Tourpausen, wenn er nicht gerade die Gitarre umgehängt die Chromeo Rampensau raushängen lässt. P-Thugg ist klein rundlich und in Hip Hop Baggy Wear gewandet und strahlt vor in sich ruhender Gutmütigkeit.

Ohne mit der Wimper zu zucken, lassen Chromeo sich von Bruno minutenlang vor Bierfirmenlogos hin und her schieben. Geschickt will Bruno uns so hinstellen, dass kein Sponsorenlogo verdeckt wird, er fuchtelt ganz viel mit den Händen und erklärt, dass alles sofort und direkt fantastischerweise webgecastet wird. Ich kann nicht erkennen, ob Chromeo hinter ihren offenen Äuglein auf Standby geschalten haben, oder ob die Freundlichkeit der Jungs aus Montreal, die sich einst als "the most successful Arab/Jewish partnership since the dawn of human culture" beschrieben haben, tatsächlich deart unerschütterlich ist.

Nach endlosem Herumschieben und Lichteinrichten, fragt Bruno, ob so alles allright ist für das Interview. Nachdem Chromeo immer noch auf gequälten Popstar Standby geschalten haben, wage ich es, ja zu sagen. Bruno ist erzürnt: "Not for you Honey for them!" Das scheint Chromeo zu amüsieren. Sie erwachen und grinsen. Bruno rauscht mit der Bemerkung, "you have two minutes thirty" aus dem Focus der Webcams.

Chromeo sind gerade im Begriff ihr drittes Album zu veröffentlichen: "Business Casual". Ein überladenes, süßes Disco Funk Monster. Electrofunk, Gitarre, Keyboard quietschen, über Vocoder wird eindringlichst geschmachtet, mit Talkbox-verzerrter Stimme wird "Sweet Sweet Love" in da Discotheque gefordert. Am liebsten würde ich gleich die erste Frage in Richtung Selbstironie dirigieren. Es erscheint mir aber nach dem ganzen hysterischen get ready Theater vor the Interview doch etwas zu unverschämt. Erkundigen wir uns also nach dem Titel, mit dem sie uns ihr drittes Disco Musical vorsetzen, und nehmen es als Grundannahme, dass in Chromeos Welt nichts ohne Augenzwinkern geht.

"Business Casual", das klingt für mich nach "Komm doch am Freitag in Reizwäsche ins Büro". Ja, die Denkrichtung stimmt, meint Dave, er wollte einen Platz in einem Restaurant in Miami reservieren und das Tonband erklärte ihm den Dresscode: Business Casual. Zwischendurch wurde die Idee verworfen, aber als das Album fertig war, meinten sowohl Chromeo als auch Daves Bruder, der auch sehr umtirebige DJ und Producer A Track: "Nichts summiert den Vibe der Tracks besser".

In einem anderen Interview meinten sie, es geht im Titel darum, lässig und stylisch zugleich zu sein. So wie die Jungs von Miami Vice. Oh ja! Eine Frau, die sich mit sieben in Sunny Crocket verliebt hat, versteht das nur zu gut.

Ich erkenne, Chromeo spielen in meiner Alters- und Reminiszenzen-Liga. Wir sind 80ies Kids, Gameboy, BMX, Tron, Miami Vice, Cameos Hodenschutz im Word Up Video, Mamas Discoplatten. Hängen sie an diesen Erinnerungen genau so wie ich? Sie nicken, "the fabric of our memories".

Dave 1, erzählt mir, wie er und A Track die aufgeschlossen liberalen Eltern durch zu Tode Scratchen ihrer Plattensammlung auf der Heimstereoanlage zur Verzweiflung brachten, und P-Thugg meint, dass seinem Lawyer Dentist Type Father bis heute noch nicht so ganz klar ist, was er eigentlich mit seinem Leben so tut. Vielleicht sollte P-Thugg seinem Papa den Auftritt, den sie letztes Jahr in meiner Lieblingskindersendung "Yo Gabba Gabba" hingelegt haben, vorspielen, um die Sache zu erläutern.

Chromeo sind normalerweise zweisame Einzelkämpfer. Dennoch als Gäste auf "Business Casual" zu hören Solange Knowles, die kleine Schwester von Beyonce, weil sie eine Freundin der Chromeo Disco Family ist und wie Chaka Kahn klingt. Auch mit dabei La Roux. Sie singt auf einer Bonus Version von "Hot Mess", die nicht auf dem Album ist, und ebenfalls ein Outtake ist die Nummer gemeinsam mit Ezra Koenig vom Vampire Weekend.

Wer noch tiefer in die Chromeo-Welt eintauchen möchte, dem sei ihr Blog ans Herz gelegt. Dort findet man ihre Videos und Interviews, aber auch 80er-Jahre-Perlen, von denen sie sich inspirieren ließen und zu denen sie liebevolle Reviews in dieser Art verfassen:

"Pure badass groove. The type of charmingly clumsy rock-guy disco that we tried to pay homage to on Night by Night. Notice that homeboy's combover-mullet combo is the quintessential business casual haircut: as they say, business in the front, party in the back."