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Roland Gratzer

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9. 10. 2010 - 14:47

Fürchtet euch nicht!

Der böse Facebook-Kraken will Geld mit unseren Privatdaten machen. Na und?

"500 Millionen dumme Ficker" schrieb der Falter vor eineinhalb Wochen und eröffnete damit den Reigen der Facebook-Cover-Stories, die die österreichische Holzmedienlandschaft in der letzten Woche bestimmten. Grund dafür ist ein Biopic über einen gerade einmal 26 Jahre alten Unternehmer-Superstar namens Mark Zuckerberg. Der unscheinbare Lockenträger ist so was wie der fleischgewordene Feuchtigkeitstraum aus den Hacker/Startup-Buden dieser Welt. Aber im Vergleich zu vielen seiner Artgenossen, die für die Dotcom-Blase noch zu jung waren, macht er auch Geld mit seiner Idee. Dafür musste er sein Baby nicht einmal an einen Big Player verkaufen, wofür ihm spätkapitalistischer Respekt gebührt.

Vor allem jene Boulevardblätter, die in letzter Zeit vor dem Datenkraken gewarnt haben, sind die ersten, die ein Foto eines dreizehnjährigen Unfallopfers aus Facebook herunterladen und ungefragt abdrucken. Der in diesem Fall gern verwendete Foto-Credit "privat" ist ganz schön postmoderner Zynismus.

"Tatort Facebook", "Schattenseiten von Facebook" oder "Mark Zuckerberg - der Cyber-Cäsar" lauteten die Schlagzeilen der letzten Tage. Es hat den Anschein, man stünde hier einem mit Allmachtsfantasien und tatsächlich unbegrenzter Macht ausgestattetem Hyperunternehmen gegenüber. Aber Facebook für Kündigungen oder Stalking verantwortlich zu machen, ist in etwa so, als würde man die Schwerkraft dafür verantwortlich machen, dass Autounfälle passieren.

Mark Zuckerberg

facebook

Dieser Mann will mit ihren Daten Geld machen. Aber er ist halt ein Unternehmer.

Allerdings hinkt dieser Vergleich dann doch ziemlich. Die Schwerkraft lässt sich nämlich nur mit enormem Geldaufwand überwinden, bei Facebook ist das ganze viel einfacher. Auch wenn die Sicherheitseinstellungen gut versteckt und schwer zu kapieren sind: Als User bestimme immer noch ich, wer was sieht. Und in letzter Konsequenz kann ich mich dem ganzen sehr einfach verweigern, indem ich einfach nicht beitrete. (Irgendwann aus Protest wieder austreten und dann auf Twitter drüber schreiben gilt aber wirklich nicht.)

Andere Datendiebe agieren viel schlimmer und bekommen kaum die mediale Aufmerksamkeit, die ihnen zusteht. Ihre Opfer sind nämlich nicht webaffine Jugendliche, sondern wehrlose Opfer wie Immigranten. Wer die schlimmsten in diesem Metier sind, könnt ihr bei den Big Brother Awards am 25. Oktober erfahren.

Facebook ist keine sozialmediale Allmende

Bei all der berechtigten Kritik an personalisierter Werbung und dem Weiterreichen von persönlichen Daten an Dritte sollten wir nie vergessen: Facebook ist und bleibt ein an Profitmaximierung orientiertes Unternehmen! Die Website ist keine sozialmediale Allmende, in der die wenigen Weltenbürger mit Internetanschluss und Endgerät das Recht haben, herumzutoben. Dessen sollten sich alle bewusst sein, die schamlos lügen, wenn sie den "Ich habe die AGB gelesen und stimme zu"-Button klicken. Achtung Kindergarten-Kapitalismus: Ein Unternehmen will Geld machen, am besten Gewinn. Das ist im Internet sehr schwierig. Das wertvollste Gut unserer werbedominierten Hemisphäre sind spezifische Nutzerdaten. Damit lassen sich Konsum-Profile erstellen und mittels gezielter Werbung mehr Umsatz erzeugen. Wer da als Konsument mitspielt, soll sich nachher auch nicht beklagen.

It's Eigenverantwortung, stupid!

In all den kritischen Artikeln und Kommentaren der letzten Zeit gewinnt man den Eindruck, wir wären Zuckerberg und seinen apokalyptischen Apps hilflos ausgeliefert. Damit verleugnen wir eines der wichtigsten Ergebnisse des seit der Aufklärung tobenden Kulturkampfes: das Recht auf Selbstbestimmung. Das inkludiert nicht nur völlige Wahlfreiheit der Online-Portale, auf denen wir uns herumtreiben, sondern auch ein gewisses Maß an Eigenverantwortung. Facebook ist ein Publikationsmedium und keine geheime Rollenspiel-Party in einem versifften Keller, in dem alles geheim bleibt. Wenn ich etwas poste, muss ich damit rechnen, dass sich andere Leute damit ein Bild über mich machen. Wenn ich besoffene Partyfotos veröffentliche, dann ist nicht die Plattform schuld, sondern ich selbst. Wenn ich meinen Job verliere, weil ich auf Facebook meinen Boss beschimpfe, dann bin ich kein Opfer, sondern einfach nur ein Vollidiot. Und das Recht, sich zum Vollidioten zu machen und daraus vielleicht noch was zu lernen, darf uns durch das elitäre Facebook-Bashing niemals genommen werden.