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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

8. 10. 2010 - 22:13

Ein Brummen im Schlossberg

Das Programm des Elevate-Festivals in Graz birst dieses Jahr vor Höhepunkten. Neben Tanzmusiken diversester Färbung ertönt Soundforschung jenseits des Dancefloors. Mount Kimbie, Toro Y Moi, Oneohtrix Point Never und vieles mehr.

Das Elevate-Festival
für zeitgenössische Musik, Kunst und politischen Diskurs, von 21. - 26. Oktober in Graz.

Beschweren wird sich jetzt niemand mehr können, dass die Festivals in Österreich sich allzusehr auf längst Erprobtes und das Immergleiche verlassen, dass sie den heißen Funky-Act von heute dann 2014 ins Line-Up buchen und nicht selten nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Geschmacks-Nenners arbeiten. Das Elevate in Graz hat sich "Music, Arts and Political Discourse" als Losung in den Untertitel geschrieben, und neben dem üppigen Angebot an Vorträgen, Diskussionen und Workshops zieht sich dieses Jahr vom 21. bis zum 26. Oktober ein Musikprogramm durch den Schlossberg, das tatsächlich mit Ahnung und Liebe in der Gegenwart und ein bisschen auch in der Zukunft der Musik bohrt. Nicht wenige der Acts, die heuer das Elevate bespielen werden, haben dieses Jahr herausragende Alben veröffentlicht, Alben des Jahres möglicherweise, mitunter gerade noch frisch aus dem Ofen gezogene Debüts.

Moutn Kimbie sitzen am Dock

Mount Kimbie

Mount Kimbie

Wie vom Elevate gewohnt durchmisst das Musikprogramm zwischen gerader und gebrochener Bassdrum wieder ein breites, komplex verschachteltes Klangspektrum, von House und Techno, über Ambient und Electronica, nach Juke, Dubstep, Noise und - Achtung! - Chillwave.

Tory Y Moi auf dem Skateboard

Toro Y Moi

Toro Y Moi

Einen voraussichtlichen Höhepunkt stellt die leibhaftige Live-Manifestation des jungen englischen Duos Mount Kimbie dar. Im vergangenen Jahr haben Kai Campos und Dominic Maker u.a. mit dem Stück "Maybes" einen Track des Jahres produziert, sie haben schon große Kaliber wie die Foals oder The XX mit Remixen beglückt und kürzlich beim herausragenden englischen Label Hotflush ihr komplett herrliches Debüt-Album "Crooks & Lovers" veröffentlicht. Ein Album, das an den Rändern von Dubstep an einer kleinteiligen Science-Fiction-Popmusik bastelt. Neben Mount Kimbie hat das Elevate mit Toro Y Moi einen zweiten ganz großen Durchstarter dieses Jahres ins Programm geholt. Chazz Bundick ist mit seinem Projekt neben dem Neon Indian und Washed Out quasi der Popstar des vagen Mini-Mini-Genres mit dem schönen Namen "Chillwave". "Causers Of This" von Toro Y Moi, auch eines der schönsten Alben des Jahres. Stranderinnerungen, verhuschte Echos aus der Vergangenheit, die Hinüberrettung der Beat-Bastelei eines Flying Lotus in eine Lo-Fi-Indie-Ästhetik.

Oneohtrix Point Never

Oneohtrix Point Never

Oneohtrix Point Never

Es fällt auf, dass neben dem Floor zuarbeitenden Acts wie dem Techno-Großmeister Robert Hood, Herrscher der Minimal Nation, dem englischen Post-Dubstep-Wonderboy Joy Orbison ("HPH MNGO" ist immer noch nicht totgepielt) oder Jamie xx, dem Beatschmied von The XX, dieses Jahr auch verstärkt in abstrakteren, experimentelleren Feldern gepflügt wird. Bereiche, in denen nicht unbedingt das Tanzen oberste Priorität hat. Das neue - noch einmal - englische Duo Walls beispielsweise, das vor kurzem beim Kölner Qualitätslabel Kompakt ein wunderbares Debütalbum im Spannungsfeld von Ambient und Shoegazing veröffentlicht hat, wird live auftreten. Ebenso wie zwei US-Acts, die dieses Jahr über das Wiener Label Editions Mego nicht minder umwerfende Platten in die Regale gestellt haben: Emeralds und Oneohtrix Point Never. Ein Brummen, ein Rauschen, Drones der Zärtlichkeit, Letztgenannter auch mit einer unterschwelligen Vorliebe für leicht cheesigen 80er-Pop.

Was man außerdem nicht verpassen möchte: Die Future Music von Actress, die wackelige Bassmusik von Hudson Mohawke, die österreichische Menschmaschine Elektro Guzzi, die Sound-Folter von Merzbow und Christoph de Babalon. Das genaue Programm gibt's hier. Fieber.