Erstellt am: 4. 10. 2010 - 16:40 Uhr
Oktoberfest - Ein Versuch
Das mit dem Oktoberfest ist ja eine zwiespältige Sache. Trotz Komasauferei und Ballermann im Zelt hat die Angelegenheit ja auch ihre freundlichen Seiten: Ein sonniger letzter Oktoberfestsonntag war, zumindest bei meinem letzten Wiesnbesuch (und im Biergarten vor dem Zelt) eine äußerst entspannte Angelegenheit.
BailefunkBassDubElektrowahnsinn
Heuer gab es erstmals einen „historischen“ Oktoberfest-Themenpark auf dem Gelände, und in dem steht das Herzkasperlzelt, ein kleines Bierzelt mit Kabarettprogramm und Musik, die normalerweise im Bierzelt eher nicht anzutreffen ist. Zum Beispiel mit Hip Hop und BaileFunkBassDubElektrowahnsinn. Ein kleines, entspanntes Refugium der Andersartigkeit, ein gallisches Dorf in der Turbosaufhölle drum herum.
FM4 / Rainer Springenschmid
Bereits am Wiener Westbahnhof lässt mich der Anblick der Lederhosen noch einmal kurz die Sinnhaftigkeit des Unternehmens überdenken. Es bleibt aber im Zug einigermaßen entspannt.
FM4 / Rainer Springenschmid
Bei meinem letzten Wiesnbesuch waren die Rollen noch klar verteilt: Die in der Lederhose und im Dirndl haben das Bier herangekarrt, die anderen haben's ausgetrunken. Obwohl mir Trachtenträger versichern, immer wieder nach einer frischen Maß gefragt zu werden: Die Lederhosen- und Dirndldichte liegt mittlerweile auch bei den BesucherInnen bei fast 50%. Was das Ganze etwas erträglicher macht: Alle Neonfarben dieser Welt kommen vor, und es gibt deutlich mehr Bastard-Mixe als reinrassig Trachtiges. Hat eher was von Halloween-Konstümparty.
Reclaim the Party
FM4 / Rainer Springenschmid
Ponyhof-Outfit? FM4 Moderatorin Fiva in ungewohntem Aufzug.
Das Herzkasperlzelt ist nicht einmal ein Viertel so groß wie die Abfüllstationen draußen. An den Türen gibt's bereits am frühen Nachmittag Blockabfertigung wegen Überfüllung. Freudige Erwartung, gelöste Stimmung drinnen.
Auf Veranstalterseite ist man nicht ganz so entspannt. Beim ersten Versuch mit Hip Hop letzte Woche wurde die Band von zwei Trachtenträgern mit Schweinshaxen beworfen und beinah von der Bühne geprügelt. Aber diesmal ist ein großer Teil der BesucherInnen extra wegen der Musik gekommen. Und trotzdem ist der Altersschnitt nicht so niedrig wie gedacht.
Den Anfang machen Doppel D, und da ist schnell klar, dass das hier ein Heimspiel wird. Das Zelt singt mit, die Stimmung kocht, obwohl's erst Nachmittag um vier ist. Doppel D rappen auf Bayrisch, und schon nach kurzer Zeit fühlt sich das eh alles ganz normal an mit dem Hip Hop im Bierzelt.
FM4 / Rainer Springenschmid
Dann der Hauptact: Schlachthofbronx verstecken sich hinter ihren Laptops und hinter der circa 12köpfigen Landlerkapelle. G.Rag und seine Landlergschwister verbinden Punk-Attitude mit Bayrischer Volksmusik und dem einen oder anderen Hank Williams-Cover. Heraus kommt rumpelige Brachialfolklore, die mit glattgebügeltem Musikantenstadlsound genauso wenig zu tun hat wie mit authentelnder Gediegenheit à la Sepp Forcher. Es kracht und scheppert und ist eindeutig im Wirtshaus daheim. Zusammen mit dem Munich Bass von Schlachthofbronx kracht's und scheppert's gleich noch gehörig mehr. Und das Bierzelt ist der passende Ort dafür. Es kocht.
FM4 / Rainer Springenschmid
Nach sechs frisch einstudierten Nummern und der Kraftwerk-Coverversion Das Modell zum Abschluss überall strahlende Gesichter. Für Veranstalter Martin Jonas war es der Höhepunkt seines Oktoberfests, Landlergschwister-Trompeter Alois meint, solche Momente erlebt man als Musiker nur ganz selten. Labelmanager Daniel träumt schon von einer live-EP in Koproduktion mit Disko B. Experiment geglückt, das Bierzelt lebt.
FM4 / Rainer Springenschmid