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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

4. 10. 2010 - 14:40

Varianten des Scheiterns

Derzeit im Kino: "The Last Exorcism" und "The Town".

Da ist sie wieder, die inzwischen auch schon höchst wohlvertraute Wackelkamera. Seit dem "Blair Witch Project" gehören Realityschocker zu den Fixpunkten des Horrorkinos.

Im spanischen Zombiestreifen "[REC]" und der dazugehörigen Fortsetzung wird der Filmbericht eines TV-Kameramanns zum Dokument des Grauens, auch das Monsterspektakel "Cloverfield" und zuletzt der Okkult-Thriller "Paranormal Activity" speisen sich aus vermeintlichen Videoaufnahmen von Amateurfilmern.

Mit "The Last Exorcism" versucht nun ein weiterer Film mit zittrigen Bildern die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion zu verwischen.

Im Mittelpunkt steht Cotton Marcus (Patrick Fabian), ein falscher Prediger, den irgendwann die Gewissensbisse zu plagen beginnen. Zu vielen leichtgläubigen Provinzlern hat er schon mit gefakten Exorzismen das Geld aus der Tasche gelockt. Vor der Kamera eines Doku-Filmteams gesteht Marcus seinen Schwindel ein - und will sich noch ein letztes Mal bei einer getricksten Teufelsaustreibung begleiten lassen.

The Last Exorcism

Stephan Welan

Aber Cotton Marcus hat die Rechnung ohne den Beelzebub gemacht. Und ohne Horrorguru Eli Roth, der diesen Low Budget-Horrorstreifen produzierte. Auf einer abgelegenen Farm in den Südstaaten geht es nämlich tatsächlich nicht mit rechten Dingen zu. Die streng christlich erzogene Tochter des Hauses (Ashley Bell) zeigt alle bedrohlichen Anzeichen einer echten Besessenheit.

"Der letzte Exorzismus" beginnt als sarkastische Untersuchung des grassierenden religiösen Fanatismus, der bestimmte Teile Amerikas zu vergiften droht. Dabei zeigt der deutsche Regisseur Daniel Stamm gleichzeitig die fanatische Landbevölkerung auch von einer menschlichen Seite, abseits der ansonsten üblich höhnischen Redneck-Karikaturen.

Damit sich aber die versprochene Gänsehaut einstellt, gibt "The Last Exorcism" schlussendlich, wie alle Exorzismusfilme, der Kirche recht. Das Böse lebt, wütet, tobt, es spricht mit verzerrter Stimme und gehört mit vorsintflutlichen Methoden ausgetrieben.

Auch wenn man diese Genrekonvention akzeptiert, bleibt immer noch der plakative Twist, mit dem Daniel Stamm zum Finale nervt. Dabei lebt der Film zuvor von atmosphärisch dichten Momenten und einer gesunden Portion Selbstironie. Fazit: Eine passable Mockumentary für zartbesaitete Seelen, abgebrühte Horrorfans werden sich wohl langweilen.

The Last Exorcism

Stephan Welan

Cotton Marcus, der Exorzist wider Willen, ist nicht die einzige Figur, der man auf der Leinwand derzeit beim Scheitern zusehen kann.

Vielleicht liegt es nur an bestimmten Filmen, die ich in den letzten Wochen geballt gesehen habe, sowohl in diversen Pressevorführungen als auch beim grandiosen Slash-Festival. Oder aber unsere Zeit der ökonomischen, moralischen und psychischen Krisen produziert einen gewissen Grundpessimissmus. Jedenfalls kommt ein Happy End dieser Tage selbst in Hollywood nicht mehr zwingend zum Einsatz.

Auch im Großstadtdrama "The Town" zeichnet sich bald ab, dass den Charakteren ein erlösende Katharsis verwehrt bleibt. Das liegt schon an der Location der Geschichte. Hollywoodstar Ben Affleck hat nach der Krimiverfilmung "Gone Baby Gone" seine zweite Regiearbeit erneut in Boston angesiedelt, im Stadtteil Charlestown, wo die Kriminalitätsrate so hoch ist wie das soziale Elend groß.

Nun ist Affleck ja eine vielgescholtene Gestalt, dem es im Gegensatz zu seinem früheren Weggefährten Matt Damon nie gelungen ist, als Schauspieler ernst genommen zu werden. Mit "The Town" bemüht er sich um Imagekorrektur, der Film kommt neben seinen Actionelementen vor allem als triste proletarische Milieustudie daher.

The Town

Warner Bros

Mit den glamourösen Gangstern üblicher Hollywood-Heistmovies haben die irischen Ghettoburschen in "The Town" nichts gemeinsam. Von einem alten Bandenchef zu immer gewagteren und gewalttätigeren Banküberfällen getrieben, sitzt ihnen das FBI bald gefährlich im Nacken.

Ben Affleck, der selbst ganz passabel den Anführer der Ganoventruppe spielt, achtet im Regiestuhl auf Rauheit und Street Credibility. Trotzdem ermüdet der Plot mit Konventionen, wie man sie aus sämtlichen Copthrillern der letzten Jahre kennt, wirken viele Charaktere reißbrettartig.

Über den Durchschnitt heben "The Town" dann doch die Darsteller. Die großartige Rebecca Hall ("Vicky Cristina Barcelona") möchte man nach ihrem Part der verängstigten Zeugin endlich mal in einer Hauptrolle sehen. Der manische Jeremy Renner ("The Hurt Locker") brilliert als hitzköpfiger Soziopath. Auch TV-Stars wie Jon Hamm ("Mad Men") oder Blake Lively ("Gossip Girl") können auf der großen Leinwand bestehen.

Dass sowohl "The Last Exorcism" als auch "The Town" mitten im Mainstream auf die Schattenseiten des American Dream verweisen, macht diese Filme sympathisch. Einen faden Nachgeschmack hinterlassen sie leider dennoch beide.

The Town

Warner Bros