Erstellt am: 2. 10. 2010 - 15:21 Uhr
Das Spiegelbild des KaSSbach Karl
Es kommt nicht selten vor, dass man gefragt wird, ob man nicht über dieses oder jenes etwas auf seinem FM4-Blog schreiben möchte. So geschah es auch diesmal und oft lautet meine Antwort mit freundlicher Distanz: Ich schau es mir an. Die DVD lag wenige Tage später im Postfach und als alter Fan von Kottan ermittelt war ich schon neugierig, was Peter Patzak im Jahr 1979 über den wiener Alltagsfaschismus zu erzählen gehabt hat.
Filmarchiv
Schaurig
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Nun verstehe ich besser, warum im Westen der Spuk umhergeht, dass es in Wien so hässlich sei. (Als eigentlich recht zufriedener Wahlwiener konnte ich diese Skepsis nicht wirklich nachvollziehen). Aber der Blick auf das Wien der späten 70er Jahre ist doch recht ernüchternd. Fand ich diesen Retro-Chic bei Mundl immer noch recht clownesk, so habe ich dieses als weit in der Vergangenheit liegendes Film-Setting erfasst. Bei Kassbach kommt die Kulisse weit mehr der Gänsehaut entgegen, weil diese Fassaden und Gfrieser immer noch da sind.
Man kennt sie aus der Straßenbahn, den Eckbeisln, dem Wien außerhalb des Boboville und von Parteiveranstaltungen, die sich redlich um den kleinen Mann bemühen. Die Töchter und Söhne von Karl Kassbach sind immer noch das leicht auffindbare Achselzucken Wiens, wenn es um das Nachbohren in der braunen Vergangenheit geht.
Der Film von Peter Patzak - nach dem Buch von Helmut Zenker - ist eine filmische Fiktion, die den täglich erlebten Alltag in Wien dokumentiert. – Beschrieb Sigmund Freud diese Form von Voyeurismus nicht mit Fäkallust? – Es ist widerlich, die Abgründe dieser Seele so genau dokumentiert zu sehen und man erkennt den Ursprung des Neofaschismus-Unwesens im weinerlichen kleinen Jungen, der Liebesentzug mit Gewalt beantwortet. Ein armer Mistkerl.
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Kassbach - Ein Portrait (1979)
So 3.10., 17:00 anschl. Podiumsdiskussion
Di 5.10., 21:00
Do 7.10., 18:45
So 10.10., 16:30
im Metro-Kino in Wien
Kommenden Sonntag, 3. Oktober, am Tag der ersten Wiederaufführung im Metro Kino, gibt es eine Podiumsdiskussion, die über die Kassbachs der Gegenwart sprechen möchte: Es diskutieren Peter Patzak, Tibor Zenker (Sohn des verstorbenen Autors Helmut Zenker), der Journalist Peter Huemer, der Zeithistoriker Siegfried Mattl und die Medienwissenschaftlerin/Bloggerin Jana Herwig unter der Moderation von Andreas Ungerböck (Herausgeber, ray Filmmagazin).
Es ist gut, die “lebenswerteste Stadt der Welt” wieder einmal auf den Boden der Realität zurückzuholen und die bevorstehende Landtagswahl wird ebenso ihren Beitrag dazu leisten. Aber wie immer muss auch hier den guten Menschen gesagt werden: Dieser Film gehört ins Autokino, in die Vierteln der Stadt, wo die Kassbachs leben und an die Hauswände der Parteizentralen. Ich habe Angst, dass wir uns am Podium nur wieder gegenseitig zustimmen werden.