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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

28. 9. 2010 - 18:31

Neuigkeiten aus dem Hipster-Ghetto

What’s the time? It’s time to sit down, man. Das Hip Hop Trio Das Racist aus Brooklyn verschenkt another Mixtape.

We are not joking, just joking, we are joking

So nahe kommen New York derzeit nicht einmal die bedbugs. Die wacken, sicken, verrauchten, verruchten, irren, furcht- & fruchtbaren, zerstreuten, verstrahlten, ungewaschenen, tighten, butterweichen, superfitten, urkomischen, todernsten, derb illsten - Superreimer, Sample-Bitches, Dilletanten, Billigfleischfresser, Aufschneider, Abstinker, Fladeranten, Weltmusikschänder, Hip Hop Heretics, Faulsäcke, Meme-Philosophen, Thomas Mann Buchklub Mitglieder, ADD-Vertreter, Rhizomaten, Ethno Anarchos, Cloud Busters, Wohnungsbesetzer und Stadtchronisten von Das Racist sind zurück.

Wer sie wegen bis dato hartnäckiger Unbekanntheit gar nicht vermisst hat: Das sind die drei, die früher zwei waren und vorletzten Sommer diesen staubtrockenen One Dollar-Menu-Tanzbodenhit "Combination Pizza Hut & Taco Ball" zusammengeschraubt haben - mit Hilfe von Software-Fastfood, resistenzschwachen Studiosklaven und vor allem jeder Menge Rauchwaren der Marke Cheech & Chong.

Vom Künstler-Ghetto der Wesleyan Universität in Connecticut, wo sich Himanshu Suri und Victor Vazquez bei einem - jaja - Anti-Rassismus Seminar kennengelernt haben, zog es das frisch formierte Rap-Duo vor vier Jahren ins Hipster-Ghetto von Williamsburg/Brooklyn. Gekommen war man mit Kommilitonen, die unter den Namen MGMT und Chairlift ihr Glück versuchten (scheint ein guter Jahrgang gewesen zu sein ...). Der um die Formation Boy Crisis, bei denen Vasquez anfangs seine Stimmbänder schwang, erweiterte Kreis wurde in Hipsterhausen bald als "Wesleyan Mafia" bekannt.

Während die anderen Formationen fleißig die 80er Jahre gepoppt und zartrosa Geschmacksnerven getroffen haben, veranstalteten Das Racist Anti-Rassismus Panels in Künstlerklausen, kaperten die Wohnung einer französischen Studentin, engagierten den hype man Ashok Kondabolu als dritten Steuermann und zogen eine Spur der konzertanten Verwüstung durch das Babylon namens Brooklyn.

Das Racist live @ Knitting Factory

Das Racist

Christian Lehner

Das Racist

Christian Lehner

Das Racist

Christian Lehner

Der familiäre Background der drei ist afrokubanisch +/− Indien. Die Raps reflektieren das zwar, machen es aber bloß zu einem Referenzpunkt unter vielen (daneben das "Internet", die "Popkultur" und vor allem - und mit großer Liebe und Detailkenntnis - die Hip Hop Geschichte).

"Wir sind eine typische Rap-Band des Jahres 2010. Die Zusammensetzung ist ein Abbild der modernen US-Gesellschaft", sagt Ober-Racist Himanshu "Hi Man" Suri. Es soll so ziemlich der einzig brauchbare Satz bleiben, der während des zweistündigen Interviews in der Küche der Bandwohnung in East Williamsburg fällt. Der Rest ist praktizierte Medienverweigerung mittels THC-Torpedos.

Video zu "Ek Shaneesh" aus dem ersten Das Racist Mixtape - "Shut Up, Dude", das auf der Bandsite ebenfalls als Gratisdownload erhältlich ist.

In den Texten wird so ziemlich alles verramscht und gesampelt, was einem auf der Straße begegnet und im Internet allgemein unterkommt. Wer etwas über die momentane Verfasstheit des Multiversums New York und darüber hinaus erfahren möchte, ist bei Das Racist richtig, auch wenn man nur selten versteht, was das Ganze eigentlich soll. Die wilden Assoziatinsketten sprengen den Hip Hop Kontext und gleichen auf wunderbare Weise unserem täglichen Irrlichtern durch das Netz. Der Hyperlink als leuchtender Pfad im Datenschungel, er führt schlussendlich nach Absurdistan, so könnte die Botschaft der drei Unweisen aus dem Neverland lauten. Und: so viele Stimmen, da fehlen mindestens noch drei! Oder: man muss am Baum der Ironie einfach nur ordentlich rütteln, dann kommt auch nix Ordentliches dabei raus.

Das Racist

Christian Lehner

Das Racist

Christian Lehner

Auch das zweite Das Racist Mixtape "Sit Down, Man" (presented by Mishka, Mad Decent, and Diplo), das die drei seit letzter Woche zum Gratisdownload anbieten, ist wieder ein wilder Ritt auf der Müllhalde der Popkultur, ein tiefes Eintauchen in den ethnischen Schlick von New York, eine Auto-Mockery der Hipsterkultur von Williamsburg und ein brillantes Referenz-Feuerwerk der Hip Hop Geschichte.

Die Frage lautet nun Harold & Kumar oder John Maxwell Coetzee?

Und der Name? Ja, der Name!