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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 9. 2010 - 12:18

Fußball-Journal '10-57.

"Der braucht einen Psychologen." Das Trainer-Team Constantini lebt in einer Parallelwelt, vor der man die Nationalmannschaft dringend schützen sollte.

Meisterschaft und Cup, das europäische Geschäft, das Nationalteam, der Nachwuchs, aber vor allem auch das hiesige Medienverhalten und die Wahnsinnigkeiten im Umfeld: das Fußball-Journal '10 begleitet die Saison ungeschönt.

Heute mit einem Besuch bei der ÖFB-Pressekonferenz, bei der die Kader für die Länderspiele gegen Aserbaidschan/Azerbaijan/ Azerbaïdjan und in Belgien bekanntgegeben und die fortgeschrittene Unfähigkeit zur Kommunikation preisgegeben wurden.

Drei Beispiele dafür, dass die Administration Constantini jegliches Maß verloren hat und bereits in ein Parallel-Universum abgehoben hat, in dem es sich trefflich (weil nach eigenen unbeeinspruchbaren Regeln) leben lässt. Für die zu betreuende Mannschaft kann ein solches Verhalten aber in einer regelrechten Katstrophe enden.

Beispiel 1:

Irgendwann muss ich die Entscheidung ja treffen, grummelt Constantini und bezieht sich dabei auf die nach dem letzten Match, dem Entsetzen gegen Kasachstan kritisierte Positionierung von Roland Linz.
Und er habe es sich bestätigen lassen, bei der jüngsten UEFA-Tagung, vom Milan, dass auch andere Coaches das erst nach dem Trainingslager tun. Janko war Fixstarter, irgendeiner musste halt die zweite Spitze sein. Und diese Entscheidung muss eben spät, also am Spieltag, also am Freitag fallen, und wo ihm das einfalle, ob "am Radl" oder am Klo oder sonstwo sei bitteschön wirklich seine Sache.

Um Klarheit in die wirren Teamchef-Worte zu bringen. Freitag meint Dienstag, Constantini hat den Spieltag und die Wochen verwechselt, und Milan ist Milan Miklavic (das klärt der Pressechef später auf, Constantini grunzt nur ein verächtlichliches "wurscht!" dazu).

Der Kader für die EM-Quali-SpieleÖFB-Site(www.oefb.at )gegen Aserbaidschan am 8.10. in Wien und gegen Belgien am 12.10. in Brüssel:

Tor: Christian Gratzei (Sturm), Michael Gspurning (Xanthi/GRE), Jürgen Macho (Panionios/GRE),
Auf Abruf: Pascal Grünwald (Innsbruck).

Abwehr: Florian Klein, Aleksandar Dragovic (Austria), Sebastian Prödl (Werder Bremen/DEU), Franz Schiemer (Salzburg), Christian Fuchs (Mainz/DEU), Thomas Schrammel (Ried).
Auf Abruf: niemand.
Emanuel Pogatetz (Hannover/DEU) verletzte sich danach - und fällt für beide Spiele aus.

Mittelfeld: Paul Scharner (Westbrom/ENG), Julian Baumgartlinger, Zlatko Junuzovic (Austria), Fabian Koch (Innsbruck), Jakob Jantscher (Salzburg), Veli Kavlak (Rapid).
Auf Abruf: Ümit Korkmaz (Frankfurt/DEU), Andreas Hölzl (Sturm), Christoph Leitgeb (Salzburg).
Am Montag, den 4.10. wurde Yasin Pehlivan (Rapid) für den verletzten Pogatetz nachnominiert, also ein Mittelfeldspieler für einen Verteidiger. Pehlivan stand zudem nicht auf der Abrufliste...

Angriff: Marko Arnautovic (Werder/DEU), Martin Harnik (Stuttgart/DEU), Erwin Hoffer (Lautern/DEU), Marc Janko (Twente/NED), Stefan Maierhofer (Duisburg/DEU), Roland Linz (Austria), Roman Wallner (Salzburg).
Anm.: Wallner scheint im auf der ÖFB-Site angegebenem Kader nicht auf, im Presse-Handout war er noch dabei. Und, siehe da, mittlerweile ist dieser Verheber behoben, Wallner dabei, aus 22 wurden 23 Mann.
Auf Abruf: Marcel Schreter (Innsbruck), Roman Kienast (Sturm Graz).

Verletzt: Heinz Lindner (Austria), Ekrem Dag (Besiktas/TUR), Andreas Ulmer (Salzburg), David Alaba (Bayern/DEU), Daniel Beichler (Hertha/DEU), Peter Hackmair, Stefan Lexa (Ried), Christopher Drazan (Rapid), Rubin Okotie (Nürnberg/DEU).
Nicht 100% fit: Manuel Ortlechner (Austria).

Nicht berücksichtigt: Markus Berger (Academica/POR), Thomas Prager (Luzern/SUI), Marco Stankovic (Austria) uvam...

Blacklisted: Alexander Manninger (Juve/ITA), György Garics (Bologna/ITA), Martin Stranzl (Spartak/RUS), Andreas Ibertsberger (Hoffenheim/DEU), Andreas Ivanschitz (Mainz/DEU).

Die von Berti Vogts betreute Mannschaft von Asertbaidschan wurde von Ruttensteiner und Scout Josef Degeorgi beobachtet. Angeblich hat Vogts sein Team immer zwei Wochen pro Monat beisammen und es so zu einer edchten einheit geformt. Gegen Deutschland hat man lange Zeit tapfer mitgehalten.

Mit Belgien wird man sich dann nach dem ersten Match, "ab Sonntag" beschäftigen.
Der Kader der Belgier wird erst später benannt.
Anm.: Mittlerweile ist er bekannt.

Das Drama an dieser überflüssigen Verteidigungsrede von Constantini ist aber, dass er die Kritik an seiner Entscheidung entweder nicht kapiert hat oder tatsächlich nicht einordnen kann.
Denn es ging nie und niemandem um den Fakt, dass es Linz wurde oder dass die finale Aufstellung eben erst am Morgen des Spieltags entstand. Das ist normal und, richtig, seine Sache.
Der Kritikpunkt war die Position von Linz, als hängende Spitze - und dass das Trainerteam diese Variante trotz einer Woche Trainingslager nie üben ließ. Weder mit Linz noch mit einem anderen in dieser Rolle.

Wer nun die Kritik an sich nicht versteht (egal ob aus einem Mangel an Intellekt oder wegen eines blinden Flecks im Denken) der ist per se lernresistent. Und somit als Fußball-Lehrer wenig geeignet.

Beispiel 2:

Direkt nach dieser Defensiv-Ansprache, die eine Zone verteidigt, die gar nicht gefährdet ist, dafür jedoch das Tor unbeschützt lässt, kommt (ganz ohne Journalisten-Frage) eine Attacke.

Er würde das ja verstehen, sagt Constantini, dass bestimmte junge Journalisten (und er nennt die Namen zweier Kurier-Redakteure) ihn da angreifen. Schließlich habe der Helmut Brandstätter (der neue Kurier-Chefredakteur) ja ausgegeben, dass er, der Constantini, rausgeschrieben werden müsse, weil er, der Constantini, ihm, dem Brandstätter, nicht passen täte. Und natürlich sieht er es ein, dass die jungen Redakteure da ordentlich unter Druck wären, da habe er Verständnis.

Diese Vorgangsweise wäre taktisch clever, wenn sie nicht so patzig und weinerlich performed wäre, wie Constantini das tut. Auch das personelle Outing mit direkter Ansprache (Ja, dich meine ich!), die alles andere als Nachwuchs-Hascherln sind, könnte zum Zweck der Kumpanei funktionieren, wäre es nicht mit hasserfülltem Unterton vorgetragen.

Inhaltlich ist diese Leberwurst-Attacke absurd.

Der Kurier hat ihn, den Teamchef, seit einiger Zeit, weitaus länger als der neue CR Brandstätter dort ist, am Kieker.
Was nach seinem Taktik ist überschätzt-Sager auch nachvollziehbar, sogar erste sportjournalistische Bürgerpflicht ist. Schließlich ist das ÖFB-Team nicht ein Spaß-Projekt irgendeines irren Mäzens, der machen kann was er mag, sondern ein gesamtösterreichisches Projekt. Und dass der Kurier seit einiger Zeit diverse Trainer-Interviews auch mit der Taktik-Fragekonfrontiert, ist kein "Rausschreiben", sondern folgerichtig.

Abgesehen davon ist öffentlich ausgelebter Verfolgungs-Wahn, samt persönlicher Schuldzuweisung, noch nie ein gutes Rezept gewesen, um eine Situation in den Griff zu bekommen.

Neben inhaltlicher und formaler Absurdität zeigt dieser Angriff aber noch eines: völlige Bewusstlosigkeit was die eigene Situation betrifft. Nämlich warum er wurde, was er aktuell ist.

Constantini ist, seit der Medien-Campaign zu seiner Bestellung, ein reines Produkt der hiesigen Mainstream/Boulevard-Medien. Nicht seine Erfolge (welche denn?) oder seine Ausbildung (was da genau außer schweigend neben Happel sitzen?) haben ihn in die aktuelle Position gebracht, die Medien haben ihn gemacht, installiert, gefestigt. Weil sie mit ihm und seinem öffentlichen Image gut können; weil er ihnen gut zu Gesicht steht.
Und er, der Constantini, hat sich monatelang in diesem unkritischen Faulschlamm, den der Boulevard bereitgestellt hatte, gesuhlt.
Genüßlich.
Zu genüßlich - denn abgesehen von ein paar Medien-Coups kam ja nichts.

Wenn sich Constantini jetzt, bei logischer und nachvollziehbarer Kritik von einzelnen nicht ganz so Verhaberten, nicht ganz so Ahnungs- und vor allem Mutlosen, gegen die Medien wendet und öffentlich Chefredakteure anpatzt, dann ist das so, als würde sich ein Püppchen gegen seinen Puppenspieler auflehnen: total lächerlich. Ein peinliches Drama.
Und es zeigt eine totale Unawareness. Ein drastisches Nicht-Rinschätzen-Können seiner Situation, der Realität. Deshalb auch die entsprechende Flucht in eine Parallel-Welt, in der böse Mächte, ihn, den Teamchef, eine Art Dr. Kimble, verfolgen.

Beispiel 3:

ÖFB-Pressesprecher Peter Klinglmüller hatte heute auch den Technischen Direktor, Willy Ruttensteiner, zur PK eingeladen - damit ein bissl mehr als nur das kurz angebundene Constantini-Gebelle rüberkommt und nicht alles wieder nach zehn Minuten vorbei ist - eine solche Pressekonferenzen-Performance ist schließlich peinlich.

Ruttensteiner erzählte also Interessantes vom UEFA-Trainertreffen in Madrid, kaum durch ein paar Worte des Teamchefs unterstützt.

Weiters will Klinglmüller auch die sonst nur verloren herumsitzenden Assistenten Peischl und Zsak einbinden; also hat er für jeden eine wirklich gute Frage vorbereitet, wirft da die Hölzel, so elegant es geht.
Er verweist etwa auf die fünf Austrianer, auf die nominierten Innsbruck und Ried-Akteure und fragt nach der aktuellen Qualität der Liga (die anhand dieser Beispiele für einen Blinden ersichtlich sind), was jede Menge Platz für Lob und das Ausweisen einer Expertise bietet.
Manfred Zsaks Antwort: Das hat aber nix mit meiner Austria-Vergangenheit zu tun. Wir schaun auf die Form von die Spieler, so wird einberufen.
Aus.

Nicht nur, dass Zsak die Frage nicht kapiert hat.
Nicht nur, dass er einen aufgelegten Elfer verbal oder gedanklich nicht reinschieben kann.
Das erste, was Zsak sieht, selbst in der liebevollen Frage seines Pressesprechers, ist ein möglicher Angriff auf ihn.
Da funktioniert nur das Reptilienhirn, alles andere ist weggedrückt.

Verfolger sind keine guten Berater

Das alles ist also wahrhaftig armselig.
Verfolgungswahn.
Realitätsflucht.
Falsche Reaktion.
Verkennung der Situation.
Rückzug auf die primitivsten Reflexe.

Das ist allerdings auch verdammt gefährlich.
Wie soll ein Coaching-Team, das auf dieser Basis lebt, kommuniziert und handelt, irgendjemandem etwas Sinnhaftes beibringen?
Wenn beim ÖFB-Team Taktik schon wurscht ist und im Training das, was im Match gemacht wird, eh nicht geübt wird, dann sollte doch zumindest der alte Käse mit der "Motivation" passen. Wo doch Constantini die gute Stimmung und seine Fähigkeiten zum Teambuilding so gern und so poserhaft vor sich herträgt.

Wer in diesen Belangen so neben den Schuhen steht wie die ÖFB-Trainer, wer sich so im "Außenfeind"-Schema einnistet, wer sich so gegen die Wirklichkeiten sperrt, wird maximal Foulspiel oder rote Karten wegen Schiri-Kritik evozieren. Spielerische Qualitäten werden durch solche Herangehensweise definitiv nicht gestärkt.

Klar ist es nicht lustig, wenn die Medien (wieder einmal der pösepöse Kurier) jeden Fehler breittreten (mir gefällt die Terrassen-Besprechung mit Lauschern am besten).
Aber wer außer geschönt gelesenen Bilanzen nichts aufgebaut hat, über keine Philosophie, keine Strategie, kein System und auch keine Taktik verfügt und sich ständig nur an den Spielern abputzt, der muss sich das schon gefallen lassen. Dass man das Potemkinsche Dorf, auf das nur die Gläubigen reinfallen, anzählt.

Ein Psychologe schadet hingegen nie

Schön-ironischer Kommentar von Peter Altmann auf laola1.
Und die Reaktion des Kurier samt Kommentar.

Vielleicht verhält es sich mit dem Ratschlag, den Constantini seinem Spieler Korkmaz laut Kurier-Infos gegeben hat ("Der braucht einen Psychologen". Anm.: der Teamchef besteht darauf, dass dieser Vorwurf aus der Luft gegriffen wäre, dass er sowas nie gesagt habe. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung), so wie das zumeist der Fall ist: das, was wir anderen gerne empfehlen, würde uns selber gut tun.

Dietmar Constantini und seine Co-Trainern legen sich so also einen Besuch beim Psychologen quasi selbst ans Herz.
Und, tatsächlich, es könnte helfen: gegen Verfolgungswahn, gegen absichtliches Falsch-Verstehen und gegen unverhaltnismässige Reaktionen.

Es würde die Coaches vor allem aus der Parallel-Welt, in die sie sich aus eigenem Verschulden hineintheatert haben, herausholen. Und das ist dringend nötig, wenn sie ein noch dazu recht junges Team in wichtige Spiele geleiten sollen.

Die finden nämlich hier statt, in der wirklichen Welt.