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Karl Schönswetter

"Daylight it's web-design, at night partytime". Elektronische Musik, im Netz und auf Parties.

28. 9. 2010 - 17:25

BLK River 2010

Am Samstag gab es einen Galerienrundgang der besonderen Art. Eine Radtour entlang der Wände und Mauern Wiens sollte die Kunst der Straße sichtbar machen.

Das zweite Mal findet in Wien das BLK River Festival statt. An Ecken und Enden von Hausmauern und Asphaltstrecken gestalteten KünstlerInnen aus nah und fern ihre Visionen von urban-ästhetischer Aneignung. Letzten Samstag gab es eine von den Veranstaltern des Festivals organisierte Radtour, die ausgewählte Hot-Spots der "größten Galerie Wiens" auf dem asphaltschwarzen Tablett servieren sollte.

Erste Station [1] war die Werkstatt von Brad Downey, der entlang der wohlbekannten Graffiti-Wände flussabwärts vom Flex am Donaukanal Restaurierungsarbeiten vollzogen hat. Wer hätte gedacht, dass der Lack der Writer so dick aufgetragen wird? (Erstaunliche Parallelen zu ihren Kollegen am Mikrofon tun sich auf ...)

Brad Downeys Graffiti Schichten

Karl Schönswetter

Sein Ziel ist es, Graffiti-Pieces früherer Tage wieder zu restaurieren und zu dokumentieren. In der Praxis ist dies ein wirklich aufwändiges Geschäft, erfahrene RestauratorInnen müssen ihm bei seiner Arbeit unter die Arme greifen. Chemie und Hammer sind ihre Werkzeuge. Brad Downey präsentiert mit seiner Arbeit ein augenzwinkerndes Spiegelbild unserer von Konservierungswahn gezeichneten Gegenwart. Noch nie in der Geschichte wurde so viel bewahrt, wie in unserer Zeit. Leider konnte ich aber nicht herausfinden, ob sein dargelegter Eifer gute Show oder ernste Miene darstellt. Ich traue es ihm zu, dass er noch vor sich hin hämmert.

Die nächste Station [2] war die Arbeit von Know Hope, die sich ebenso am Donaukanal befindet. Genau beim Ausgang des Badeschiffs kauert eine traurige Gestalt von Vögeln umgeben und bewegt ihr knallrotes Herz aus der Mitte ihres Körpers.

Mbuchetics | Flickr

credit: Flickr: Mbuchetics

Diese wunderbar filigrane Arbeit beeindruckt durch ihre unmittelbare Beklemmung, die sie beim Betrachter auslöst. Man kann sich ihrer trägen Melancholie nur sehr schwer entziehen. Know Hope ist auf der Suche nach den versteckten Verbindungen zwischen den Menschen und beweist mit diesem gelungenem Beispiel, dass es weniger um die Suche, denn um das Finden von Andockstellen geht. Seine Arbeit ist jedenfalls ungeheuer kommunikativ. Genauso wie der Glamour-Glitzer-Tanz ein paar hundert Meter weiter flussabwärts auf dem gegenüberliegenden Ufer.

Scarygami | Flickr

credit: Flickr: scarygami

Dieses Wandbild [3] von Bastardilla unter der Brücke wird langsam vom Winde verweht, denn die ganze Arbeit besteht aus Glitter der sich unaufhörlich wieder von der Wand löst. Teile der Arbeit liegen nun in den Wohnungen der Radtour-TeilnehmerInnen, bei mir gibt es noch Reste am Pullover. Der prächtige Tanz verdeckt das schwere Thema der Arbeit, geht es doch um den "daily life struggle". Insbesondere das Leid von Frauen und Indios wird in das Zentrum der glitzernden Aufmerksamkeit gerückt. Zunächst hingerissen vom "bling-bling" Eye-Catcher bemerkt man erst mit dem zweiten Blick die Bürden der dargestellten Protagonisten. Sie sind sehr sehenswert und es eilt, denn "they’ll fade away".

Die Tour ging weiter zum Vorgartenmarkt. Dort befindet sich die Zentrale des Festivals mit einer kleinen Ausstellung und es gab Stärkung und etwas Entspannung. Das Wetter hatte uns einen mächtigen Schrecken eingejagt, denn vom Donaukanal bis zum Vorgartenmarkt gab es Regen, ein paar verärgerte Autofahrer und die schöne minimale Arbeit von dem französischen Künstler OX. Seine Irritationen auf Plakatflächen im urbanen Raum nehmen die Umgebung auf und spiegeln sie mit humorvollen Brüchen. Das funktioniert schon sehr gut bei der Bushaltestelle [4], mein Lieblingsbeispiel ist aber das folgende Bild:

BLK River | Flickr

credit: Flickr: BLK River

Ich mag diese Form von Minimalismus und seine Entscheidung, als Ausstellungsfläche Plakatwände zu verwenden, finde ich ganz besonders lobenswert.

Beim Vorgartenmarkt [5] gab es dann die Arbeiten von SAM3 zu sehen. Überlebensgroße Scherenschnitte auf den Hausmauern der Marktstände spielen Szenen des urbanen Alltags und laden zu einer Entdeckungsreise rund um diesen noch verlassenen Marktplatz in der Leopoldstadt ein. Die Arbeiten sind recht dekorativ, aber es lauern an manchen Ecken auch freche Kommentare, die sich wie verselbständigte Schatten über das Geschehen der Stadt lustig machen.

Phreak 2.0 | Flickr

credit: Flickr: Phreak 2.0

Zum Schluss hatten wir noch zehn Kilometer vor uns. Es ging zum Albernen Hafen [6] wo uns der inoffizielle Höhepunkt des Festivals erwartete. Ein Künstler, der nicht will, dass man weiß, dass er BLU heißt, hat einen ehemaligen Speicher des Hafens mit einer überdimensionalen Wandmalerei versehen. Diese Arbeit ist allein schon durch ihre Monströsität und die unglaublich faszinierende Location ein "must-see". Ihre Qualität spricht für sich.

Karl Schönswetter

Scarygami | Flickr

credit: Flickr: Scarygami

Das BLK River Festival läuft noch bis zum 6. Oktober und bei der Finissage erwartet uns ab 19.00 Uhr ein Street-Culture-Stelldichein mit den Mannen von RUN VIE in der Kunsthalle Wien Projectspace, 1040 Wien, Treitlerstrasse 2.

Die wunderbare Radtour war eine Präsentation von einem Ausschnitt der Arbeiten des heurigen Festivals, für Interessierte bietet die Homepage des Festivals noch mehr aufregende Arbeiten.