Erstellt am: 23. 9. 2010 - 18:15 Uhr
Dead in the Head
Vor 25 Jahren debütierte er mit seinem alptraumwandlerisch-abgründigen Roman "Less Than Zero", später schuf er mit "American Psycho" die fratzenhafte Karikatur eines Yuppies jenseits von Gut und Böse. Nun ist der Mann, der seit neuestem gern behauptet, er habe mit sich mit dem amerikanischen Ekel Patrick Bateman sein Alter Ego vom Leib geschrieben, wieder da. "Imperial Bedrooms" ist, ncht nur, was die Titelanspielung auf Elvis Costello betrifft, eine Fortsetzung von "Less Than Zero".
Randomhouse
"Sie haben einen Film über uns gemacht", lautet etwa der erste Satz. Und tatsächlich wurde "Less Than Zero“ 1987 verfilmt. Der Ich-Erzähler Clay, den wir schon als Rich Kid-Monster aus dem Debüthit des damaligen Studenten kennen, ist in "Imperial Bedrooms" selbst Drehbuchschreiber in einer taumelnden Welt der Trugbilder zwischen falschem Lächeln und Snuff Movies. Mysteriöse Nachrichten am I-Phone geben den Takt der (im Laufe der Handlung mehr und mehr begründeten) Paranoia vor. Mit eisgekühlten Drinks in der Hand taumelt Clay wie narkotisiert durch ein Los Angeles der Partys und Geschäftsdeals. Ein Hollywood Babylon, das sich nicht mehr durch zelebrierte Ausschweifungen und den Glamour der Skandale auszeichnet, sondern durch den nüchternen Zynismus seines Funktionierens, durch die von Ellis erbarmungslos ausgeleuchteten Ausbeutungsverhältnisse von Sex, Prominenz, Macht und Geld: „...und der Wagenmeister übernimmt das Auto, und dann gehen Rain und ich zurück in Nummer 508, und ich darf sie lecken, und als ich hart genug bin, bläst sie mir einen, und als ich am nächsten Morgen fort bin, ist sie fort.“
Kipeneheuer&Witsch
So buchstabiert sich Verliebtheit bei Ellis. Viel kunstloser kann man das nicht mehr machen. Ähnlich wie Andy Warhol oder sein später Schüler Jeff Koons betont Ellis ständig: Es gibt keine Tiefe. What you see is what you get. Da ist nichts – außer Markennamen, Porno, Splatter und Pop. Da ist nichts außer namenlosem Schmerz und einem Narziss ohne Sprache. Da ist nichts außer der kalifornischen Variante der Vergletscherung der Gefühle. Da ist nichts außer der Suche nach Selbstvergessenheit in Sex, Rausch und plötzlichen Orgien der Gewalt, die wegen ihrer empathielosen Protokollform zutiefst osbzön wirken. The horror, the horror.
Ich bin so leer, dass ich nicht einmal weiß, ob ich leer bin, hatte einmal ein Clubbesucherüber die sogenannte Blank Generation in New York um 1977 gesagt. Wenn die Leere über die Jahrzehnte so voll geschrieben wird wie bei Ellis, dann vermuten wir erst recht so viel dahinter. Manche sogar eine Moral. Das ist der Trick des Lieblingsfeindes der Political Correctness, der sich hüten wird, sich jemals auf so etwas wie eine kritische Position festnageln zu lassen: „So wurde ich zu dem Jungen, der nicht begreift, wie es in der Welt läuft. So wurde ich zu dem Jungen, der einen Freund im Stich lässt. So wurde ich zu dem Jungen, der das Mädchen nicht lieben kann.“
Der Junge, das ist der Drehbuchautor Clay, der im Buch lange Zeit in New York gelebt hatte. Hat er dort an der Wall Street seinen "American Psycho" studiert? Hat er dort "Lunar Park", das Buch über das Familienleben eines Autors namens Bret Easton Ellis nach dem Skandal von „American Psycho“ geschrieben? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass dieser Mann in "Imperial Bedrooms" seinem Ich-Erzähler einen nachdröhnenden Schlusssatz in den Mund gelegt hat, von dem man nicht weiß, wie ernst man ihn nehmen soll: "Ich habe nie jemanden gemocht und ich habe Angst vor allen."