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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

22. 9. 2010 - 19:17

Wortlaut 10 - der zweite Platz

Nikola Schnell unterhält mit ihrer "unglaublich humorvollen" Geschichte "Unterwegs mit den Stars" die Jury: "er ist gleichzeitig wahnsinnig witzig, traurig und berührend".

Nikola Schnell - noch nie gehört den Namen. Bei der Mailadresse sind wir dann stutzig geworden. Nikola Butz - die war doch schon mal unter den Top 10 (Wortlaut 2007) und auf der Shortlist von Wortlaut 2009. Wie jetzt? Schnell oder Butz? "Butz und Schnell - tja, da gab's eine Party und danach war aus der Butz ne Schnell geworden - und aus Baby-Butz genauso. Aber nur Schnell, da Schnell-Butz einen ja fast dazu verpflichtet hätte, ne Raumpflegefirma zu gründen. So." Alles klar. So die kurze Antwort per Mail.

Im Interview erzählt sie dann, dass ihre eineinhalbjährige Tochter Lotta Johanna sie ziemlich auf Trab hält. Da bleibt weder viel Zeit zum Studieren noch zum Schreiben. Letzteres kann nur in der Nacht passieren. "Abgekämpft bin ich natürlich schon, ich seh auch meistens aus wie ein Gespenst. Aber dieses ganze Muttersein inspiriert einen auch und man sieht die Dinge etwas anders, gerade bei der Ideenfindung. Also es geht meistens tiefer und bleibt nicht so an der Oberfläche."

Nächtliches "Ausgehen" kennt Nikola nur mehr aus ihrer Vergangenheit. Obwohl sie da ganz naive Vorstellungen hatte: "Am Anfang hab ich gedacht, auf WG-Parties kann man in einem Raum nicht rauchen und da bin ich dann mit meinem Baby und ganz cool hören wir tolle Musik. Aber wenn man das Baby dann dabei hat, denkt man, ne, das geht echt nicht. Zehn Leute, die drum rum stehen und die man immer darauf hinweisen muss, hey, bitte nicht rauchen und hallo, wer hat die Tür auf'm Balkon aufstehen lassen. Draußen raucht jemand einen Joint – und das geht halt echt nicht. Am Ende denkst du dann, ich bleib doch lieber zu Hause und guck mir lieber eine totlangweilige Talkshow mit der Maischberger an."

Nicht weiter verwunderlich, dass sie in ihrer Kurgeschichte umso mehr was erleben will: „Stellt euch mal vor. Eine richtige Tour. Mit Bus und allem. Ein bisschen Promotion. Nicht übertrieben, aber fein. Stellt euch mal vor, wir treten wo auf und die kommen nicht wegen dem Bier, sondern wegen uns.“

geb. 1983 in Leverkusen; studiert am Karlsruher Institut für Technologie europäische Kultur- und Ideengeschichte sowie Angewandte Kulturwissenschaften. Sie schrieb Artikel für Zeitschriften und Theatermagazine, arbeitete als Agenturtexterin und inszenierte Jugendtheater. Gerade schreibt sie an ihrer Abschlussarbeit. Sie lebt in Karlsruhe und hat eine Tochter.

Wortlaut Nicola Schnell

FM4

Foto: Philip Butz

"Unterwegs mit den Stars"

Die Kurzgeschichte "Unterwegs mit den Stars" handelt von der tourenden Nachwuchsband "Thanks for Nothing". Sängerin Lillemor hofft auf ihren großen Durchbruch, obwohl sie insgeheim weiß, dass der große Erfolg ausbleiben wird.
"Bei der Lillemor hab ich mir jemanden vorgestellt, der sich auf der Bühne wirklich fühlt, und im richtigen Leben sehr orientierungslos ist. An einer Stelle wird zum Beispiel gesagt, wenn sie nicht so eine tolle Stimme hätte, dann könnte man mit ihr ja gar nichts anfangen. Und deshalb hatte ich so im Kopf, dass Lillemor süchtig danach ist, mit Fremden auszugehen, die sie nur auf der Bühne gesehen haben".

Soundtrack zum Text:
Lou Reed – Perfect Day
The Libertines – Time For Heroes
Violent Femme – Good Feeling

Unser Tourbus ist bloß ein Opel Kadett. Quer über die Motorhaube haben wir 'Deutschland, halt's Maul' gepinselt, in sonnengelb und sehr schön. Jetzt parkt das Auto auf der Wiese und die Türen sind weit geöffnet; auf dem Fahrersitz knutscht ein Junge jemanden, der selbst auch einer ist. Außerdem: Mückenstiche allenthalben, September zudem. Moos unter uns und Färberkamille, Wollgras platzt auf am Weg, wir essen Brote mit Butter und scharfer Kresse drauf, die wir im eisigen Brunnenwasser waschen.
Noch später dann der Mond und so weiter.
Da sind wir allerdings schon beim Rössel-Pils, es schmeckt natürlich nicht, wir trinken’s aber eh bloß so. Gunnar labert über 'Macht, wie Foucault sie denkt' und über Leibniz' Monaden; Peter hört zu oder sieht immerhin so aus, bei Bassern weiß man nie.
Neben mir kauert im nebelgrauen Polar-Schlafsack unser Schlagzeuger. Seine Freundin ruft und ruft nicht an und deshalb fragt er mich, ob ich glaube, dass sie sich irgendwie ans Bein gepisst fühlt von ihm. Ich sage 'mhm',denn ich weiß es nicht und esse außerdem eine kleine Salzbrezel.

Aus der Jurydiskussion:
Unglaublich humorvoll. Stilistisch so, dass es mir immer wieder so kleine Schmetterlingsflattereien im Zwerchfell gibt, wenn ich einen Satz lese. (...)
Ich bin leicht zu kriegen mit einer weiblichen Hauptfigur, die halbwegs auf den Putz haut, das halt ich dem Text zugute und ich find eben auch, er ist humorvoll, er ist zum Teil wirklich recht gut beobachtet. Keyboarder heißen eben alle Bernd. Das sind Tatsachen, die sehr gut beobachtet sind. Aber dann ist dann wieder so, dass die Band drüber diskutiert, über Macht, wie Foucault sie denkt. Das ist schon klischeehaft, sowas schreiben Leute, die nicht viel Foucault lesen. Aber das verzeihe ich dem Text. (...)
Ich find den großartig, auch wahnsinnig witzig – er ist gleichzeitig wahnsinnig witzig, traurig, berührend, man muss irgendwie, man kann sagen, mit Musikgeschichten, wenn Gruppen auf Tournee sind, das ist so Pop, dass einen prinzipiell die Atmosphäre nicht anspricht. Aber ich finde, sie schreibt das so wahnsinnig gut, in welcher Situation sie dort ist mit dieser Gruppe, die wahrscheinlich nie wirklich erfolgreich sein wird und trotzdem holt sie sich dort ihren – was sie auch zugibt – ihren Ego. Das ist so schön raus gearbeitet, dass sie danach nichts weil der weiß noch nicht, wie schwach sie eigentlich wirklich ist. Ich find den in mehrfacher Hinsicht gut und v.a. sprachlich einer der wenigen Texte, der wirklich witzig ist. Allerdings Witz und Humor, für einen ist was witzig, für den anderen nicht.

Der FM4 Literaturwettbewerb Wortlaut

Radio FM4

Wortlaut feiert

Ob "Unterwegs mit den Stars" euren Humor trifft könnt ihr am Freitag selbst herausfinden. Da wird Nikola Schnell, ebenso wie die Drittplatzierte Valerie Katrin G. Fritsch und die oder der Erstplatzierte aus ihren Gewinnertexten lesen.
Oder gleich aus dem Wortlautbuch, das es dann erstmals gibt - erschienen bei Luftschacht.

Wortlaut 10 - Der FM4 Literaturwettbewerb

mit freundlicher Unterstützung von
DER STANDARD

Der Standard

Alle Infos auf fm4.orf.at/wortlaut.

Heinz Reich legt Musik auf. Das eine oder andere Jurymitglied wird mit dabei sein, ebenso einige der sieben AutorInnen, die ebenfalls im Wortlautbuch vertreten sind, Freundinnen und Freunde und sonst noch einige nette Menschen. Wir freuen uns auf das Wortlaut Finale.

Am Freitag, 24. September ab 20 Uhr
im phil in der Gumpendorferstraße 10-12

Und zum Selbstlesen im Wortlaut-Buch, das im Literaturverlag Luftschacht erscheinen wird und ab Montag, 27. September, im Handel ist.

Ach ja, Nikola will nicht mehr antreten – auch nicht mehr unter anderem Namen - , sondern lieber anderen den Vortritt bei Wortlaut lassen ...