Erstellt am: 19. 9. 2010 - 14:00 Uhr
Song zum Sonntag: Kings Of Leon
Es beginnt mit einem Bassroll, wie man ihn zuletzt bei "Cannonball" von den Breeders gehört hat: Dramatisch wie bei den Pastorensöhnen von Kings of Leon gewohnt. Dramatisch wie ihre ganze - erfundene oder wahre - Biographie, die einer zutiefst amerikanischen Erzählung genügt: Ihr Aufwachsen als Söhne eines christlichen Fundamentalisten, mit dem sie stets in "God's own Country" unterwegs sind und der sie von Teufelswerk wie Fernsehen, Friseur oder Rock'n'Roll fernhält.
Seltsamerweise kommt nun genau von diesen anscheinend rastlos, normadisch Aufgewachsenen eine Ursprungs- und Schollenverehrung von Song, so als ob sie erst vor kurzem die Farm der Großeltern verlassen hätten.
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Denn dass sie sind, wie sie sind, und warum sie so sind, wie sie sind, erklären die Kings of Leon in "Radioactive" durch eine Herkunft, einen Ort wo und die Art wie sie aufgewachsen sind. Und mit einer Geschichte.
Doch sie gehen noch weiter: Die Herkunft, die dich prägt- sie verlässt dich nicht nur niemals, wie sehr du auch herumwanderst, durch sie ist dein Dasein auch von einer besonderen Gestalt die - wie in einer antiken Erzählung, wie das Baden in der Lethe oder in Drachenblut - mit einem Schluck Heimatwasser herbei gerufen werden kann (und soll).
Radioaktivität ist hier nichts was "durch die Schnelle Kernfusion" "für dich und mich im All entsteht" wie noch bei den technologiegläubigen/kritischen Kraftwerk. Die Radioaktivität der Kings of Leon ist eine Metapher für das Unmittelbare, das alles Durchdringende, eine Art Äther, unsichtbar, stark und omnipräsent, etwas was dort ist, wo du herkommst, im dortigen Wasser enthalten ist und dich - einmal immunisiert - niemals loslässt.
Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.
Dass sie dass unbedingt in einem Video mit Drittwelts-Fußballwerbungs-Ästhetik untermalen wollten, wo uniformierte, schwarze Christenkinder, die von Glück und Dankbarkeit strahlen, lauthals die Schöpfung preisen, das ist schon ein Schock: Wo man doch nun all sein Wohlwollen aufgebracht hat, um diese vormoderne, 150 Jahre alt anmutende Peter Rosegger-Message noch als persönlich- künstlerisch oder gar irgendwie hintergründig zu verbrämen, um sich eine Lieblingsband nicht zu vergällen. Also lieber hören als sehen.