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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

19. 9. 2010 - 16:00

"Am Ende eines Sommers"

Ein Brit-Roman von Isabel Ashdown.

"Aber nun ging´s wirklich ab: Buddy Holly und die Crickets, die Stones. Sooft es ging, sind wir nach London gefahren, ich und ein paar Kumpels, um da in die Musikclubs zu gehen. Da hat´s gebrummt!"

Frau Ashdown, Autorin vor Tür, UK

Ashdown

Isabel Ashdown

Brumm, brumm, da hat´s gebrummt. Gleich vorweg: Es heißt ja, man soll Romane immer in der Originalsprache lesen und nicht in einer Übersetzung. Das wird etwa mit chinesischer oder arabischer Litratur schwierig werden, für die meisten von uns jedenfalls, aber auch natürlich mit "gewohnteren" Sprachen - Spanisch oder Italienisch - ist das für mich jedenfalls unmöglicher, als ich erst denken würde. Zum Glück handelt es sich hier aber ja um ein englischsprachiges Buch: "Glasshopper", so das letztes Jahr erschienene Original, wurde für die deutsche Übersetzung zu "Am Ende eines Sommers". Ein schöner Titel, der naturgemäß sogleich leichte Wehmut heraufbeschwört, schließlich ist das Ende eines Sommers eben das Ende eines solchen, unabwendbar und mit dem bereits Vergangenen behaftet. Den prallen Herbst überspringen wir fast ganz und landen gleich im ersten Kapitel:

Jake, November 1984

"Ich liebe den November. Ich liebe das bereifte Gras, das zwischen den Gehwegplatten herausguckt, und den Dampf, der einem aus den Nasenlöchern wölkt wie der Atem eines Drachen."

Buch-Cover, Meer und Menschen

Eichb

Ein poetisches, altkluges Kind muss dieser Jake sein, jedenfalls seiner Wortwahl nach zu schließen; ein junger Man von 13 Jahren, der auch die "nach Salz und Essig duftende" Hitze in einem lauten Pub mag. Da schlägt mein anglophilies Herz bei diesen allerersten Zeilen gleich höher, wenn da, man muss es leider nocheinmal sagen, diese Art der Übersetzung nicht wäre: "Willst du ´ne Tüte Nüsse, Jakey?".

Jake, Neujahr 1985

Jake lebt in Portsmouth, an der englischen Südküste, Mitte der 1980er Jahre. Seine Eltern trennen sich und Jake nimmt sein Leben selbst in die Hand: Zeitungen austragen, beim Gemischtwarenhändler mitarbeiten und einen Yorkshire-Terrier namens Griffin ausführen: "Ich spare nämlich jetzt für eine Midi-Anlage. Das wird zwar ewig dauern, aber ich will meinen eigenen Plattenspieler und LPs haben."
Da sind zwei Brüder, die Alkoholiker-Mutter Mary, der kaum mehr anwesende Vater; und dann tritt eine Tante Rachel, von der Jake nichts wusste, auf die Bildfläche. Ihr Sohn, Jakes Cousin George, obwohl so alt wie Jake, ist ebenfalls ein bisher Unbekannter.

Buch-Cover mit Bub

Miyriad

Der Roman ist in deutscher Übersetzung von Rainer Schmidt im Eichborn Verlag erschienen; der englische Original-Titel "Glasshopper" 2009 bei Myriad Editions in Brighton.

"George ist schmalgesichtig und klein wie ich. (...) Sein mausbraunes Haar hängt rechts und links neben seinem Gesicht herunter und endet in kleinen Locken auf seinen Schultern."

Da sind Landhäuser und Dufflecoats, Mary-Quant-Frisuren, Bobtail- und Yorkie-Hunde, Folien-Kartoffeln und Baked Beans, der Pier von Brighton, die Isle Of Wight, der New Musical Express, The Cure, das Weiße Album der Beatles, die Doors und "Blue Monday" von New Order im 12-Inch-Vinyl-Format. Und da sind eine Portion Teenage-Angst und die britische Klassengesellschaft.

Mary, Dezember 1965

Rückblende auf die Swinging Sixties von Großbritannien: Mary und Rachel sind zwei behütete Oberschichts-Mädchen. Mary, Kunststudentin, wird schwanger - in einer nicht standesgemäßen Verbindung - und ihre Familie verstößt sie.

"Am Ende eines Sommers" ist eine Familiengeschichte, ein Coming-Of-Age-Roman, ein Zeitdokument, ein Brit-Novel mit Pop-History-Referenzen - samt Radio mit Doppelkassetten-Deck. "Am Ende eines Sommers" ist bittersüß und eigentlich ohne Happy End. "Am Ende eines Sommers" ist das Debut der Britin Isabel Ashdown.

"Er wälzt sich auf dem Rücken und hält sich den Bauch, und die Tränen rollen ihm über das Gesicht: 'Glashüpfer!', heult er, 'Glashüpfer!'"

Passender Soundtrack:

  • Philip Selway: "The Ties That Bind Us"
  • The Motels: "Suddenly Last Summer"
  • The Cure: "Boys Don´t Cry"