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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

17. 9. 2010 - 21:45

God's lonely man

In seinem zweiten Kinofilm wagt sich "Control"-Regisseur Anton Corbijn an das Thrillergenre. Trotzdem bleibt er in "The American" der Melancholie treu.

Keine Frage, nur wegen der Story sollte man sich "The American" nicht unbedingt ansehen. Denn die kommt einem aus vergleichbaren Thriller mehr als vertraut vor.

Ein amerikanischer Killer, gleich in einer eisigen Anfangssequenz als gnadenloser, einsamer Wolf charakterisiert, flieht nach einem missglückten Auftrag nach Italien. In einem abgeschiedenen Bergdorf in den Abruzzen will er sich vom blutigen Geschäft zurückziehen. Aber der berühmte allerletzte Auftrag wartet auf Jack.

Während er diszipliniert seinen Körper stählt, Waffen zusammenschraubt und auf Befehle wartet, sind da Menschen, die ihn aus seiner selbstgewählten Isolation reißen. Ein redefreudiger Dorfpfarrer sucht die Bekanntschaft des Amerikaners. Eine hübsche junge Provinz-Prostutierte verliebt sich in ihren schweigsamen Klienten.

The American

Tobis Film

Der liebenswerte Priester, die schöne Hure mit Herz, auf der anderen Seite eine skrupellose Femme Fatale als Killer-Konkurrentin und ein grimmiger Auftraggeber: Im falschen Film könnten so ein ein stereotypes Personal schnell mühsam wirken.

Aber Regisseur Anton Corbijn benutzt in seinem zweiten Kinowerk die Figuren so wie das karge Handlungsgerüst nur als Aufhänger. In Wirklichkeit will er von ganz anderen Dingen erzählen, von Einsamkeit, Leere und so etwas wie Sinnsuche. Der stoische Killer Jack, den es auf der Suche nach Erlösung innerlich immer mehr zerreisst, er ist nicht so weit entfernt vom tragischen Sänger Ian Curtis, aus Corbijns Debütfilm "Control".

Und auch an die Videoclips und Fotografien muss man denken, mit denen das niederländische Multitalent seit den frühen Achtzigern für Bands wie Depeche Mode, U2, Nick Cave & The Bad Seeds, Nirvana oder The Killers an der dunklen Imagepflege arbeitet. Immer wieder ist da eine Atmosphäre der Verlorenheit zu spüren, die Corbijn in hartkontrastige Bilder verpackt.

"The American" schließt hier direkt an, lullt einen als bedächtiger, existentialistischer Thriller ein, als bewusst actionarme Studio der Entfremdung. Der "Taxi Driver" aus Martin Scorseses gleichnamigen Klassiker fällt einem bisweilen ein, der sich als "God's lonely man" sieht, auch Filme von Paul Schrader oder Steven Soderbergh tauchen als Assoziationen auf. Ohne ein massenkompatibles Zugpferd wie George Clooney in der Rolle des Jack wäre eine solche kleine filmische Krimi-Meditation heutzutage wohl kaum mehr finanzierbar, ist sich auch Anton Corbijn im Klaren.

The American

Tobis Film

Und George Clooney macht seine Sache ziemlich gut. Der Superstar, der laut Regisseur mit seinem immensen Charme den Dreh zum Vergnügen werden ließ, lebt seine Midlife Crisis scheinbar auf der Leinwand aus. In Filmen wie "Solaris", "Michael Clayton" oder "Up In The Air" verkörperte Clooney bereits emotional angeknackste Typen, die mit der Welt gebrochen haben. Nun fügt er diesen Charakteren einen weiteren enigmatischen Einzelgänger hinzu.

Großartig ist auch die Kameraführung, was zum visuell fixierten Regisseur passt, der mit seinen Fotos und Musikvideos Rock'n'Roll-Geschichte geschrieben hat. Zwar setzt Anton Corbijn diesmal Farbe ein, aber wie er die italienischen Landschaften und das versteinerte Gesicht Clooneys einfängt, fühlt sich dennoch schwarzweiß an.

Nur die fleischgewordene Männerfantasie der edlen Hure Clara, gespielt von der Newcomerin Violante Placido, bringt auch die optische Strenge durcheinander. Da schaut dann nebelumwölkt der Kitsch um die Ecke, den dieser Film sonst versucht zu vermeiden. Ein sehenswerter, dahinschwebender Thriller mit Ambition bleibt "The American" dennoch.

The American

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