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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

15. 9. 2010 - 18:08

Bekannte Bewegungen

Sonys neue Bewegungstechnologie "PlayStation Move" ist unaufregend, aber beständig. Wir werden uns schnell an den Kugel-Controller gewöhnen.

Vier Jahre ist es her, dass wir zum ersten Mal ausgiebig mit weißen Fernbedienungen herumgefuchtelt haben. Nintendos Wii hat Bewegungssteuerung innerhalb kürzester Zeit massentauglich gemacht. Die Konkurrenz hat zunächst geglaubt, es handle sich um eine vorübergehende Phase, doch spätestens zwei Jahre später ist man eines Besseren belehrt worden. Das Hampeln und Hechten vor dem Fernseher wurde buchstäblich salonfähig und ist bis heute zwar kein zentraler, aber ein dennoch etablierter Bestandteil von Videospielkultur.

Die Reaktion der trägen Technologierösser Sony und Microsoft hat auffallend lange gedauert. Diesen Herbst werden wir aber endlich erlöst: Nach monatelangem Werbegetöse bringen es sowohl Microsoft ("Kinect") als auch Sony ("PlayStation Move") zustande, ihre eigenen Bewegungstechnologien auf den Markt zu bringen. Es war und wird eine schwere Geburt.

Zwei Frauen spielen "Sports Champions" via der Bewegungstechnologie "PlayStation Move".

Sony PlayStation

"Move" erscheint in Europa genau heute - als erste innerhalb der drei für den Games-Markt wichtigsten Regionen Europa, Japan und Nordamerika. Es ist ein Respektzollen an das hauseigene "London Studio", das wesentlich dazu beigetragen hat, 2003 die damals wegweisende Webcam-Technologie "EyeToy" aus der Taufe zu heben. In London wurde auch die meiste Spiele-Software dafür entwickelt.

Des Kaisers neue Kleider

Das "Starter Pack" zu "PlayStation Move" besteht aus einer vertrauten "EyeToy"-Kamera und einer "Move"-Fernbedienung. An ihrer Spitze ist ein in unterschiedlichen Farben leuchtender Gummiball montiert. Das sieht einigermaßen schrullig aus, sorgt aber dafür, dass die Kamera auch bei Dunkelheit die exakte Position im Raum erkennt. Die Bewegungen des Controllers werden von der Kamera erfasst und ans jeweilige Spiel übertragen. Neu ist im Vergleich zur Wii Fernbedienung bzw. "Wii Motion Plus" (das im Vorjahr erschienene Ansteckteil, das für mehr Präzision sorgt), dass nun auch Tiefenbewegungen im Raum gemessen werden.

Eines der wenigen, bereits zur ersten Markteinführung erhältlichen, exklusiv für "Move" entwickelten Spiele heißt "Start The Party!" und ist - erraten - ein familienfreundliches Party-Spiel mit aufgeregt-nervigem Moderator (à la "You Don't Know Jack" oder "Buzz") und Minispielchen wie "Hau den Lukas" oder "Blase-das-Küken-mit-dem-Ventilator-ins-Nest".

Screenshot aus dem Videospiel "Start The Party!" für PlayStation 3: Eine vierköpfige Familie fängt via "PlayStation Move" virtuelle Küken in Körbe ein.

Sony PlayStation

Weniger clownesk, dafür ähnlich bizarr ist "Kung Fu Rider". Der langweilige Name lässt keinerlei Aufschlüsse auf den Inhalt zu: Wahlweise ein kurzberocktes Schulmädchen oder ein hysterischer Privatdetektiv rast dabei auf einem Bürosessel (oder auf ähnlich zweckentfremdeten, rollbaren Gegenständen) durch die engen Gassen einer japanischen Großstadt. Wir halten den "Move"-Controller dabei fest in der Hand und machen Schwing-, Zieh- und Stoßbewegungen in alle Richtungen.

Screenshot aus dem Videospiel "Kung Fu Rider" für PlayStation 3: Ein Mann rast mit seinem Bürosessel eine Straße hinunter.

Sony PlayStation

So, wie schon bei der Wii steht auch bei "PlayStation Move" zur Markteinführung eine Sportspielsammlung im Zentrum. "Sports Champions" versammelt eine Mixtur an ungewöhnlichen Sportarten: Bogenschießen, Gladiatorenkampf, Tischtennis, Beach Volleyball, Boccia und Disc Golf. Wer nicht weiß, was das Letztgenannte ist: Es handelt sich um eine Mischung aus Golf und Frisbee werfen. Ich wusste es vorher auch nicht.

Screenshot aus "Disc Golf" aus dem Videospiel "Sports Champions" für die PlayStation 3.

Sony PlayStation

"PlayStation Move" ist knapp vier Jahre nach der Wii keine Besonderheit mehr und sowohl technologisch als auch spielerisch unaufregend. Halblustige Titel wie "Kung Fu Rider" und "Start The Party!" fallen unter die Kategorie nette Gimmicks, an denen man schon nach wenigen Spiele-Sessions das Interesse verliert. Einzig die Sportsammlung ist gut umgesetzt und sowohl alleine als auch zu mehrt eine Weile unterhaltsam.

Sonys Strukturen und Budgets sind einflussreich genug, um "Move" möglichst schnell nahtlos in das bereits existente als auch kommende Spiele-Lineup zu integrieren. In wenigen Monaten wird es sich so anfühlen als ob der Kugel-Controller immer schon Teil der PlayStation 3 gewesen wäre. Sonys Mission wäre damit erfüllt: Die PS3 - ohnehin die jüngste Konsole der aktuellen Generation - wird damit noch ein paar Jahre länger glänzen und mehr inhaltliche Vielfalt ermöglichen.

Momentan ist "PlayStation Move" allerdings eine Enttäuschung und preislich unattraktiv. Eine Kamera und ein Controller kosten im Paket bereits knapp 60 Euro - Spiele und weitere Controller noch nicht mitgerechnet. Erst mit den ersten Aktionsangeboten und relevanter Software - etwa "LittleBigPlanet 2" im November - wird die Sache vermutlich anders aussehen.