Erstellt am: 15. 9. 2010 - 14:43 Uhr
Anarchie & Alltag
von Daniela Derntl
Die Pankahyttn ist ein von der Stadt Wien gefördertes Wohnprojekt für die Punks rund um den Treffpunkt Mariahilferstraße. Im Dezember 2010 feiert die Pankahyttn ihr dreijähriges Bestehen.
In den letzten zwei Jahren haben die Punks in akribischer Kleinarbeit Berge von Archivmaterial zusammengetragen. In der frisch renovierten Halle der Pankahyttn präsentieren sie auf Schautafeln die wichtigsten Stationen der Wiener Szene. Das DIY-Projekt wirkt sehr bemüht und kommt ohne Selbstbeweihräucherung aus.
Mit der Ausstellung versuchen die Bewohner der Pankahyttn, an die lange Tradition der linken Wiener Kulturprojekte anzuknüpfen. Ausschlaggebend für die Präsentation der eigenen Zeitgeschichte war die Ausstellung "Punk. No One is Innocent" in der Wiener Kunsthalle 2008. Für die Punks aus Wien 15 war diese Schau eine "aufpolierte Hochglanzshow und kein authentisches Portrait" ihrer Bewegung. Deshalb nahmen sie ihre Geschichte selbst in die Hand.

derntl
Dass die Kuratoren der Kunsthalle und die Punks der Mariahilferstraße eine unterschiedliche Auffassung von Punk haben, ist klar. Innensicht vs. Außensicht. Die Pankahyttn zeigt ungeschönt den Szene-Alltag im tristen Wien der Achtziger anhand von Fotos, Plakaten, Flugzetteln, Zeitungsausschnitten, Filmen und Musik.
Auch ein paar Kunstinterventionen finden Platz, wie zum Beispiel ein zum Demowagen umfunktioniertes Einkaufswagerl und eine fluoreszierende Wandbemalung in Anlehnung an die Wandgestaltung des ersten Flex in der Arndtstraße. Ein Relikt aus der Gassergasse, dem ersten Jugendzentrum der Stadt, findet auch seinen Platz: ein Couchsessel, auf dem die damalige Zeit und seine Benutzer Spuren hinterlassen haben.

derntl
In den letzten dreißig Jahren hat sich einiges getan in der Wiener Punkszene, trotzdem wiederholt sich die Geschichte stets aufs Neue: Hausbesetzungen, Räumungen, Demonstrationen und Konfrontationen flankiert von Musik, Alkohol und der Forderung nach kulturellen Freiräumen, antikapitalistischer Lebensgestaltung und autonomen Wohnräumen.
Die Ziele der Anarchisten erschienen auch vor dreißig Jahren als eine idealistische und naive Utopie. Dennoch hat die Punkbewegung auch dazu beigetragen, dass es im Wien der Achtziger Jahre zu einer kulturellen Umgestaltung kam und die Stadt aus dem biedermeierlichen Dornröschenschlaf gerissen wurde.
Beislanarchie

derntl
Der erste Versuch, sich selbst Freiräume zu schaffen war die Arena-Besetzung 1976. Obwohl diese Aktion nicht auf die Punks zurückgeht, war es die Initialzündung für die subkulturelle Rebellion der Achtziger. Es brodelte in Wien, die Jugendlichen hatten den Mief der trostlosen Stadt satt. Die Titel der damaligen Punk-Fanzines bringen es auf den Punkt: "Totes Wien" oder "Es is zum Scheissn". Die Gaga, ein besetztes Haus in der Gassergasse im 5. Bezirk, war das erste alternative Jugendzentrum. 1983 wurde die Gaga nach zwei Jahren Entwicklungshilfe geräumt. Die nächste bedeutende Werkstätte war das besetzte Haus in der Aegidigasse beim Westbahnhof.
Die Kulturfraktion der Aegidi gründete das erste Flex in der Arndtstraße im 12. Bezirk und engagierten sich auch im WUK. 1988 wurde die Aegidi unter massiven Polizeieinsatz geräumt. Dass es bei der Opernballdemo im darauffolgenden Jahr zu heftigen Konfrontationen mit der Polizei kam, kann unter anderem als Revanche der wütendenden Aegidi-Punks gedeutet werden. Tausende Demonstranten fanden sich unter dem Motto "Eat the Rich" am Ring ein. Die Situation eskalierte und es ist zu zahlreichen Verhaftungen und Verletzten gekommen. Die Opernballdemos galten jahrelang als Jour Fixe der Autonomen. Erst in den letzten Jahren verlagerte sich der Fokus vom Opernball, der in Punkerkreisen mittlerweile als "Lugnerball" tituliert wird, auf den WKR-Ball (Wiener Korporations-Ring) in der Wiener Hofburg.
Don´t Overact

derntl
Der oft zitierte Slogan "Fuck the System" trifft auf die Lebenseinstellung der Punks 2010 kaum noch zu. So verstehen sich die Bewohner der Pankahyttn nicht mehr als gegenkulturelle Strömung, sondern als Teil der Gesellschaft, die sie verändern und mitgestalten wollen. Dazu dient auch die Ausstellung, wie M., ein Bewohner der Hyttn im Interview meint: "Wir nutzen die Ausstellung, um im privaten Rahmen einen Dialog mit anderen Leuten zu führen, um Vorurteile gegenüber Punks abzubauen. Wir laden die Leute ein, uns kennenzulernen, damit sie merken dass wir eh ganz leiwand und nette Leute sind, die manchmal Randale machen. Aber das gehört dazu."
Die Ausstellung "Punk in Wien" ist noch bis 11.12 in der Pankahyttn in der Johnstrasse 45, 1150 Wien zu sehen. An Samstagen begleiten Konzerte, Vorträge von Zeitzeugen, Filme (z.B. "Arena besetzt", "Aegidigasse: Wien ist anders” oder "Wiener Brut") und Diskussionsabende die Ausstellung.