Erstellt am: 10. 9. 2010 - 17:07 Uhr
"Es kommt auf das Management an."
FM4 Schwerpunkt zum Thema "Tiere essen" am Freitag, 9. September 2010
- Nicht Fisch, nicht Fleisch - "Tiere essen" von Jonathan Safran Foer
- "Es kommt auf das Management an." - Christoph Winckler, Leiter des Instituts für Nutztierwissenschaften an der Wiener BOKU, im Interview.
- Das Schnitzel zum Streicheln - Ein Schokoladenhersteller verwirklicht seine Vision vom "Essbaren Tiergarten"
Prof. Christoph Winckler ist ausgebildeter Tierarzt und Agrarwissenschaftler, hält Seminare zu ökologischer Tierhaltung, Tiergerechtigkeit und Nutztierethologie und betreut regelmäßig Forschungsprojekte zu Tiergesundheit in Nutztierbetrieben. Zum Thema "Tiere Essen" war er Gast bei Claudia Unterweger im FM4 Studio.
Sie haben schon viele Nutztierbetriebe von innen gesehen. Essen Sie noch Fleisch?
Ja, ich esse Fleisch. Aber nur dann, wenn ich auch weiß, wo es herkommt.

Ikiwaner
Jede Österreicherin und jeder Österreicher isst im Jahr durchschnittlich 40 Kilo Schweinefleisch und 14 Kilo Rindfleisch. Der Großteil dieser Tiere kommt aus industrieller Massentierhaltung. Wie sieht die Nutztierhaltung in Österreich aus? Sind unsere Rinder, Schweine und Hühner gesund, haben sie genug Platz, und können sie in Mastbetrieben ihren natürlichen Bedürfnissen nachgehen?
Dazu muss ich sagen, dass mir der Begriff "industrielle Massentierhaltung" nicht gefällt und dass er die Tierhaltung in Österreich sicherlich auch nicht treffend charakterisiert. Wir sollten das differenzierter betrachten. Die Tierhaltung in Österreich ist im internationalen Vergleich relativ klein strukturiert. Gleichzeitig ist sie aber durch ein Betriebsgrößenwachstum und eine zunehmende Intensivierung gekennzeichnet. Aber wie sieht sie nun aus? Wir haben ein Bundestierschutzgesetz, das die Mindestanforderungen für die Tierhaltung regelt. Das erlaubt tatsächlich, Mastrinder und Mastschweine auf Vollspaltenböden aus Beton zu halten. Und das ist auch in den meisten Betrieben der Fall. Das entspricht zwar dem Gesetz, aber nicht den Ansprüchen der Tiere. Es werden grundlegende Anforderungen, die die Biologie und das Verhalten der Tiere an die Haltebedingungen stellen, nicht erfüllt.
Was bedeuten solche Vollspaltenböden für die Tiere?
Die Tiere werden in einfachen Boxen ohne Einstreu gehalten, dafür mit einer Perforierung im Boden. Nehmen wir zum Beispiel Mastschweine: Schweine sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sehr viel Erkundungs- und Wühlaktivität zeigen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Das ist auf einem Betonboden ohne Einstreu aber natürlich nicht möglich. Mit dieser Regelung wird den grundlegenden Anforderungen der Tiere also sicher nicht Rechnung getragen. Vollspaltenböden sind häufig die Ursache für Verhaltensstörungen. Bleiben wir bei den Mastschweinen. Eine wichtige Verhaltensstörung bei Mastschweinen ist das sogenannte Schwanzbeißen. Das heißt, die Tiere nehmen gegenseitig ihren Schwanz in den Mund und beißen darauf herum. Das kann zu Verletzungen und ganz schwerwiegenden Erkrankungen führen.
Eine Alternative dazu wäre die Nutztierhaltung in Biobetrieben. Wieviele Biobetriebe gibt es denn in Österreich im Verhältnis zur konventionellen Tierhaltung?
Die Biotierhaltung hat insgesamt eine hohe Bedeutung in Österreich. 18 Prozent aller Betriebe sind Biobetriebe. Das heißt aber nicht, dass 18 Prozent aller Tiere biologisch gehalten werden. Das trifft auf etwa 15 Prozent der Rinder zu, aber nur auf zwei Prozent der Schweine.

Scott Bauer
Wie erklärt sich das? Ist den Österreicherinnen und Österreichern egal, wo ihr Schweinsbraten herkommt?
Man muss das historisch betrachten. Das Rind passt sehr gut in das biologische Produktionssystem, weil es Gras und Futterpflanzen verwertet. Das Schwein dagegen ist auf hoch konzentrierte Nahrungsmittel angewiesen. Das heißt, es frisst viel Getreide, und Biogetreide ist knapp und relativ teuer. Dadurch sind auch die Produkte teuer, sodass sich der Bioschweinefleischmarkt erst in den letzten Jahren entwickelt hat. Dort sind aber große Wachstumsraten zu verzeichnen.
Gut, der Markt wächst, aber wie werden die Tiere in Biobetrieben gehalten? Die Werbung vermittelt gern das Bild vom glücklichen Schwein auf der Wiese. Ist das so?
Biologisch zertifizierte Betriebe müssen bestimmte Richtlinien erfüllen. Diese Richtlinien gehen in mehreren Bereichen deutlich über die konventionelle Tierhaltung hinaus. Es muss z.B. Einstreu angeboten werden, es gibt ein größeres Platzangebot und bei manchen Tierarten ist auch Weidegang vorgeschrieben. Der durchschnittliche Bio-Milchviehhalter hält etwa 15 Kühe und der durchschnittliche Sauenhalter 40-50 Sauen und 100-200 Mastschweine.
Jetzt hat aber schon fast jede Supermarktkette ihre eigene Bioproduktlinie, und muss durchgängig große Mengen an hochqualitativem Fleisch anbieten. Können Biobetriebe bei den Anforderungen überhaupt nach artgerechte Tierhaltung garantieren?
Wie gesagt, der Anteil der Biobetriebe ist in Österreich relativ hoch. Die Mengen, die man im Supermarkt findet, verteilen sich auf sehr viele Betriebe. Und die sind so klein strukturiert, dass es durchaus möglich ist, den Tieren adäquate Bedingungen zu bieten. Aber selbst in großen Betrieben ist das möglich. Es kommt auf das Management und den guten Willen an, die entsprechenden Anforderungen im Betrieb durchzusetzen.
Die Nachfrage steuert immer das Angebot. Was können wir als Konsumentinnen und Konsumenten tun, dass es den Tieren besser geht?
Fleischkonsum sollte in meinen Augen eine individuelle und vor allem eine bewusste Entscheidung sein. Dazu gibt es verschiedene Kriterien, an denen man sich orientieren kann. Zum einen die tiergerechten Haltungsbedingungen, der Tierschutz, aber auch die Regionalität oder die Umweltwirkung, die von der tierischen Erzeugung ausgeht. Hier muss man sich einfach informieren, wie das Fleisch, das man im Supermarkt kauft, erzeugt worden ist.
Wie kann ich denn bei den unterschiedlichen Biogütesiegeln erkennen, ob mein Fleisch wirklich bio ist?
Das kann man sehr gut erkennen. Die Biozertifizierung in Österreich beruht auf den EU-Richtlinien. Das heißt, wenn das Fleisch als biologisch gekennzeichnet ist, dann kann man sich darauf verlassen, dass diese Richtlinien kontrolliert und eingehalten werden.
Wenn man die globalen ökologischen Folgen unseres Fleischkonsums bedenkt, empfehlen Sie, weniger Fleisch zu essen?
Das würde ich auf jeden Fall empfehlen. Wenn wir eine nachhaltige Fleischerzeugung wollen, können wir nicht weiterhin von unserem heutigen Niveau des Fleischverzehrs ausgehen. Das müssen wir drastisch reduzieren. Das heißt, ich würde empfehlen, den individuellen Fleischkonsum in Frage zu stellen, bewusste Entscheidungen zu treffen und sich zu fragen, ob es wirklich notwendig ist, täglich Fleisch zu essen. Beim Kauf sollte man aber auf alle Fälle auf Biogütesiegel achten, weil ich denke, dass hier sowohl die Aspekte der Tiergerechtheit abgedeckt werden wie auch die der Umwelt und Ökologie.