Erstellt am: 18. 9. 2010 - 14:45 Uhr
FM4 Draußen Sommerpanorama: Noch einmal aus Wien
klaus thyri
Niki Leitner
- Geburtsdatum: 23.05.1985
- Homespot: Dirtgarden, 1230 Wien
- Beruf: Dirtbiker
- dirtgarden.at
Niki Leitner steht mit einem Schlauch in der Hand da und gießt blanke Erde. Wer denkt, darunter schlummern durstige Pflanzensamen, liegt weit daneben. Im Dirtgarden im 23. Bezirk in Wien gibt es keine pflegebedürftigen Pflanzen. Die Gärtnerarbeit dreht sich einzig und allein um eine Handvoll Erdhaufen, die auf dem fußballfeldgroßen Gelände platziert sind. „Die Erde muss kompakt sein. Deshalb muss man sie immer wieder gießen“, erklärt der 25-jährige Gärtner Niki, der vor vier Jahren mit seiner Freundin Gabi Röck den Dirtgarden nahe der U6 Station Siebenhirten eröffnet hat – eine Spielwiese für Fahrradakrobaten.
mari lang
„Zuerst bin ich Mountainbike gefahren. Aber als meine Cousins vor acht Jahren ein paar Mini-Erdhügel aufgeschüttet haben und ich drüber gefahren bin, wusste ich - das ist es.“ Seither sitzt der 25-jährige gelernte Techniker so oft es geht auf seinem Drahtesel - einem Fahrrad, das einem herkömmlichen Mountainbike relativ ähnlich ist. Der Rahmen ist bei Dirtbikes jedoch kleiner und stabiler, es gibt keine Gangschaltung und nur eine Bremse. Außerdem liegt der Sitz sehr tief, da man ihn beim Fahren nicht braucht. "Beim Dirtfahren geht es ums Springen und das unglaubliche Gefühl in der Luft zu sein", erklärt Niki Leitner und präsentiert gleich mal, was er meint.
Wir steigen die Stufen zum großen Roll-In hoch, dem rund vier Meter hohen Startturm im Dirtgarden. Von hier aus führt eine Rampe steil nach unten. Keine zehn Pferde würden mich da runter kriegen. Doch für Niki ist die Höhe kein Problem. Mit einem breiten Grinsen fährt er los - die blecherne Rampe hinunter, direkt in Richtung Boden und auf einen Erdhügel zu.
mari lang
Profis, wie Niki Leitner, springen natürlich nicht einfach so über Erdhaufen. Sie machen dabei auch noch wilde Tricks - drehen sich in alle möglichen Richtungen, lassen die Lenkstange aus und nennen das dann Can Can oder Superman. "Diese Tricks sind alle sehr anspruchsvoll. Man muss viel trainieren und braucht eine gute Infrastruktur dazu", sagt Niki Leitner und erzählt wie der Dirtgarden entstanden ist.
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Weil es rund um Wien nur wenige Möglichkeiten zum Dirtbiken gibt, wollte eine Handvoll Radfahrer vor ein paar Jahren selbst aktiv werden und Dirt Lines (eine Abfolge von Erdhügeln) bauen, die legal und für jederman zugänglich sind. Das passende Gelände mit leistbarer Pacht war schnell gefunden. Doch als es ans Bauen ging, sprangen die Dirtbiker nach und nach ab. Niki Leitner und seine Freundin Gabi, ebenfalls Bikerin aus Leidenschaft, blieben als Einzige übrig. "Fahren will halt jeder, aber selbst Hand anlegen und arbeiten will keiner", meint Niki, der mit Bagger, Schaufel und viel Zeitaufwand den Dirtgarden selbst fertig gestellt und zu seiner persönlichen Trainingsstätte gemacht hat. Fixe Öffnungszeiten gibt es keine. Wer Fahren möchte, muss Gärtner Niki über seine Website kontaktieren oder auf gut Glück beim Dirtgarden vorbei kommen. "Wenn das Wetter passt, bin ich eh meistens da", meint der Profi-Dirter und drückt mir einen Helm in die Hand. "Jetzt bist du dran."
mari lang
Zum Glück führt mich Niki nicht zum furchteinflößenden Roll-In zurück, sondern zu einem Trampolin, das gleich neben dem Eingang zum Dirtgarden steht. "Hier kannst auch du gleich abheben", sagt er und zeigt mir ein paar Aufwärmübungen. Ausgerüstet mit einem Protektoren-Potpourri hüpfe ich auf dem Trampolin auf und ab - in der Hand ein amputiertes Fahrrad ohne Reifen, im Ohr die Anweisungen von Niki. Und dann geht es ab zum Pump-Track im hinteren Teil des Dirtgardens. Auf diesem kleinen Rundkurs mit künstlich ausgeformten Bodenwellen bekommt man rasch ein Gefühl für das Fahrrad. Das Ziel ist es, den Parcours, möglichst ohne zu treten so schnell wie möglich zu durchfahren.
Dieses Wochenende kann man das Dirtbiken gleich selbst ausprobieren oder einfach nur den Profis zuschauen. Am 18. und 19. September 2010 versammelt sich die Dirtbike-Szene im Dirtgarden in Wien und im Bikepark Semmering zur Eastside Combo.
Ich versuche mein Gewicht so gut es geht auf die richtige Seite zu verlagern und mit dem Oberkörper zu arbeiten. Aber das Rad ist widerspenstig. Immer wieder komme ich aus der Spur und falle fast um - zum Schluss aus Müdigkeit. Auf dem Weg nach Hause bin ich mir nicht sicher, ob ich in Zukunft auch blanke Erde oder doch lieber wie bisher meine Tomaten am Balkon gießen möchte.