Erstellt am: 9. 9. 2010 - 20:58 Uhr
Himmel und Hölle sind sich einig
Kürzlich wurde ich nach meinem Besuch des U2-Konzerts in Wien gefragt, ob mich Veranstaltungen mit weniger als 50.000 teilnehmenden Damen und Herren eigentlich eh noch interessieren würden. Auch wenn mein enthusiastisches Lob manche verwundert haben mag, es ist mir herzlichst egal, wie viele Menschen eine Band nun mögen oder an deren Konzerten teilnehmen.
Wäre solch kindischer Schwachfug tatsächlich ein relevantes Kriterium, müsste ich quasi ab jetzt anfangen mich selbst zu geißeln und U2's neue Labelkollegen Volbeat in Zukunft mit Schimpf und Schande überschütten. Als Support von Metallica in den USA im letzten Herbst durften sie ja bereits in großen Stadien und Hallen auftreten und es müsste mit einigermaßen unrechten Dingen zugehen, sollten die vier Dänen nicht nächstes Jahr auf einigen Festivals als Headliner auftreten und bald größere Hallen bespielen als das Wiener Gasometer.
![© Karsten Sand / Volbeat Cover des neuen Volbeat Albums Beyond Hell / Above Heaven.](../../v2static/storyimages/site/fm4/20100936/Cover-1_body_small.jpg)
Karsten Sand / Volbeat
Unbegründete Skepsis vorab
Es könnte für Volbeat also nicht besser laufen, trotzdem war ich zugegebenermaßen erst nicht unskeptisch, als im Vorfeld des vierten Volbeat-Albums "Beyond Hell / Above Heaven" vom Wechsel der Band zu einem Major Label berichtet wurde. Nicht deshalb, weil Majorlabels per se zu verteufeln wären, sondern viel mehr wegen zu vieler der unerbaulichen Geschichten über Musiker, die beim Anblick größerer Geldmengen plötzlich so manch faulen musikalischen Kompromiss eingingen und/oder in das Lager der Unsympathler wechselten.
Im Falle von "Beyond Hell / Above Heaven" kann sogleich beruhigt werden und zwar in jeglicher Hinsicht. Schon mit dem Einstieg "The Mirror And The Ripper" beginnen die ersten wohligen Gänsehautschauer die hohe Erwartungshaltung an dieses Album nicht nur zu erfüllen, nein, sie wird gar übertroffen. Wohl keine andere Metalband würde sich trauen, während der ersten drei Songs zwischen Hetfield'schen Dampfwalzenakkorden gleich noch ein paar an Ry Cooder gemahnende Slide-Gitarren, Mundharmonika Solos ("Heaven Nor Hell") und ein Zitat von "For Whom The Bell Tolls" einzuflechten ("Who They Are"). Jeder anderen Band außer Volbeat würde man wohl dreiste Wiederverwertung unterstellen, doch haben die Dänen einen ganz gewaltigen Vorteil mit Michael Schøn Poulsen. Der hält diesen absurd zu lesenden Mischmasch - wie schon auf den ersten drei Alben - mit seiner Stimme irgendwo zwischen Elvis/Hetfield/Caputo zusammen und bringt das auch noch glaubwürdig sowie völlig frei von Arroganz rüber.
![© Erik Weiss Volbeat Bandfoto.](../../v2static/storyimages/site/fm4/20100936/Band_small.jpg)
Erik Weiss
Kreator mit Banjo, Barney mit Evelyn
So gesehen also eigentlich eh alles beim Alten bei Volbeat und trotzdem nicht neu aufgegossen. Auch wenn man wie immer beim einen oder anderen Riff oder Refrain meint, das schon irgendwo gehört zu haben und einem nicht einfallen will, wo, diese Dänen trauen sich auch, etwas neues auszuprobieren und lassen auf dem zweithärtesten Song "7 Shots" nicht nur Kreator-Sänger Mille Petrozza mitsingen, sie leiten selbigen auch noch mit fröhlichen Banjo-Klängen ein. Übertroffen wird das nur noch vom legendären Mark "Barney" Greenway, der "Evelyn" gnadenlos (im wahrsten Sinne des Wortes) seinen unverkennbaren Napalm Death-Stempel aufdrückt und diesen seinerseits zum eigentlich härtesten aller Volbeat Songs überhaupt macht. "Evelyn" könnte beinahe als ein Song von Napalm Death mit Michael Poulsen als Gast durchgehen, dessen Refrain dann auch noch umso kitschiger ausfällt. Selten waren sich Himmel und Hölle in einem Song so nahe und passten dabei so gut zusammen.
![© Karsten Sand / Volbeat Artwork von Beyond Hell / Above Heaven](../../v2static/storyimages/site/fm4/20100936/volbeat_artwork2_small.jpg)
Karsten Sand / Volbeat
Rock 'n' Roll im Herzen / Death Metal im Nacken
Volbeat nehmen mit "Beyond Hell / Above Heaven" die teils sanfteren Klänge von Guitar Gangster And Cadillac Blood wieder raus und gehen wieder zurück zu den Anfängen wie ihrem Debüt "The Strength / The Sound / The Songs". Der Elvis in Michael Schøn Poulsen trägt wieder mehr schwarzes Leder statt weißem Glitzer und teils fühlt man sich gar an die Vorgängerband Dominus erinnert, speziell an deren Album mit dem Titel "Vol. Beat", das den heutigen Metal 'n' Roll nicht nur vom Namen her bereits ganz massiv ankündigte.
Zusammen mit Stammproduzent Jacob Hansen haben Volbeat hier ein Album produziert, das ihnen vielleicht weniger wohlmeinende Menschen mit Worten wie "He, das war doch alles schon irgendwie da" unter die Nase halten könnten. "Beyond Hell / Above Heaven" ist allerdings nichts weniger als eine Huldigung und Verneigung vor all jenen, die die Band menschlich und musikalisch geprägt haben und kreieren aus all diesen Einflüssen ihren ganz eigenen und unverkennbaren Sound. Selbst der Titel des Albums ist mit Sicherheit eine Respektsbekundung vor Mike Ness' "Social Distortion" und deren 1992er Album "Somewhere Between Heaven And Hell".
Thanks...
Das Rad neu zu erfinden mag sicher spannend sein, Michael Schøn Poulsen gehört aber nicht zu jenen, die sich dabei verkrampfen, er sagt selbst: "It's just music". Wer so bescheiden mit beiden Füßen am Boden bleibt, wird auch in Zukunft noch so hervorragende Alben wie dieses abliefern und dem Metal weiterhin eine Frischzellenkur nach der anderen verpassen. Was Volbeat da machen kommt von Herzen und das vermeint man mit jedem Ton auf "Beyond Hell / Above Heaven" zu spüren. Das fühlt sich einfach verdammt gut an und dafür kann man sich bei den vier Dänen nur bedanken, wie sie das selbst mit "Thanks", dem letzten Song des Albums, bei ihren Fans tun.
![© Karsten Sand / Volbeat Artwork aus Beyond Hell / Above Heaven.](../../v2static/storyimages/site/fm4/20100936/volbeat_artwork_small.jpg)
Karsten Sand / Volbeat
Ich sage jedenfalls Danke für das wahrscheinlich beste Metalbum des Jahres 2010. Shake your hips and bang your head!
Live-Termine von Volbeat in Österreich
(zusammen mit Entombed)
5.11. Wien, Gasometer
6.11. Graz, Stadthalle