Erstellt am: 9. 9. 2010 - 10:55 Uhr
Grinderman Nummer 2
Ab 1997 prägt Orientierungslosigkeit das Schaffen von Nick Cave. Ästhetisch, musikalisch und auch inhaltlich weht seit der Platte Into My Arms ein anderer Wind. Manche mutmaßen die bewältigte Drogenkarriere hätte den neuen Nick Cave geboren. Andere meinen seine Ehe. Andere schütteln den Kopf und zeigen auf Grinderman und wollen der Realität nicht ins Auge sehen. Dabei haben wir dieser subtilen Unsicherheit und Orientierungslosigkeit schöne Taten und Sinnsuchen zu verdanken. Das opulent-operettenhafte Doppelalbum Abattoir Blues/The Lyre Of Orpheus zum Beispiel. Und außerdem kommt einem Nick Cave in seinem Straucheln, seiner Unvollkomenheit so nahe wie es der junge Prediger Cave doch immer wollte.

Grinderman
Der australische Noise-Blues-Rocker war in den letzten Jahren vor allem mit einer für ihn ungewohnten Ruhe und Bedächtigkeit aufgefallen. Bis er 2007 die Band Grinderman gründete. Grinderman bestehen ausschließlich aus Mitgliedern der Nick Cave-Begleitband Bad Seeds. Im Unterschied zu den Bad Seeds präsentieren sich Grinderman aber betont ungestüm und räudig. Mit Grinderman reist Nick Cave zu den Wurzeln seines musikalischen Schaffens; könnte man auf den ersten Blick meinen. Ich vermute hingegen einen nicht gerade geringen Grad an Verzweiflung.
That I must above all things love myself
Grinderman stellen sich auch auf ihrer zweiten Platte so dar, wie die übelsten Burschen und Halunken aus Nick Cave-Texten unterwegs sind. Gewalttätige, alte, uneinsichtige, obszöne Vergewaltiger und Diebe. Mit Grinderman suhlt sich Nick Cave in der Hässlichkeit.

Grinderman
Diesmal hat sich das Projekt im Studio Zeit gelassen. Und musikalisch ist es eine ziemlich stringente Angelegenheit aus Bluesrock, Feedback und Krautrock geworden. Und die musikalischen und textlichen Gewalttätigkeiten auf hohem kreativen Niveau machen mehr Spaß als auf dem Debüt. Weil alles homogener geworden ist. Und natürlich ist es immer gut, wenn man ein paar Hymnen gegen die moderne Welt zur Hand hat.
They had pistols and they had guns
My skirt above my head I was so much older
When I crawled out from under their mushroom cloud
Aber die grundlegende Frage, die sich bei Nick Cave stellt, von seinem letzten Roman Der Tod des Bunny Munro bis zum neuen Grinderman-Album: Ist der Grund, für die rat- und rastlose Raserei, in die Nick Cave sich und seine Freunde steigert und das Verkleiden als Schiachperchten, nur der altersbedingte Haarausfall?
Hat Cave zu viel über Samson im Bibelbuch Richter gelesen?
Just how long you gonna be, my baby?
Until you come?
- Grindermann spielen am 10. Oktober 2010 im Gasometer Wien.