Erstellt am: 7. 9. 2010 - 14:41 Uhr
Flatrate-Studies
Oktober naht, und der Lebensmittelpunkt von etwa 200.000 Studierenden verlagert sich wieder Richtung Universitäten. Was für die durchschnittlichen OberstufenschülerInnen jetzt der herbstliche Kauf eines neuen Geo-Dreiecks ist - ein alljährlich wiederkehrendes Ritual zur Einstimmung auf die kommenden Monate - das ist für die StudentInnen der Kampf um Seminarplätze. Der feine Unterschied: Geo-Dreiecke sind in der Regel ausreichend vorhanden. Und man bezahlt sie pro Stück. Zumindest das könnte sich Wissenschaftsministerin Beatrix Karl allerdings künftig auch für Lehrveranstaltungen vorstellen, und denkt laut über pro Vorlesung und Seminar zu bezahlende Studiengebühren nach.
Eine gute Idee? Immerhin hilft sie, eine Schwäche der Semester-Gebühren zu beheben. Dass nämlich berufstätige oder anderwärtig (zum Beispiel durch Kindererziehung oder Krankheiten) belastete Studierende in der Regel länger für ihr Studium brauchen und es damit für sie teurer als für andere wird. Kosten pro Lehrveranstaltung wären in Summe natürlich zumindest für alle gleich hoch. Eine Lehrveranstaltungs-, Prüfungs- oder Gesamtstudiumsgebühr ändert aber nichts am Grundproblem: Entweder die Gebühren sind "sozial verträglich", weil durch zig Ausnahmen verwässert und niedrig (damit beschäftigen sie zwar massenhaft administratives Personal, leisten aber keinen wirklichen Beitrag zum Hochschulbudget), oder sie sind eine echte Einnahmequelle. Dann tragen sie aber selbstverständlich ihren Teil dazu bei, bildungsferne und damit tendentiell einkommensschwache junge Menschen vom Studium fernzuhalten. Das ist systemimmanent und nicht aufhebbar.
Es ist naiv zu glauben, man könnte etwas einführen, das nur auf einer Seite wirkt. Und es gibt nur eines, was Österreichs Universitäten noch weniger brauchen können als schlechte Finanzierung: Noch weniger oder noch sozial vorselektiertere Studierende. Da tut das vorgelagerte Schulsystem ohnehin schon sein bestes.
Zukunftsträchtigkeit schaut anders aus
Heute ist Bildungszahlentag. Die OECD veröffentlicht ihr jährliches Monsterwerk "Education at a glance", ein gut aufbereitetes Konvolut an Zahlen, das auf knapp 500 Seiten verschiedenste Bildungsindikatoren international vergleichbar macht.
Was die Universitäten angeht, steht Österreich da für zwei Dinge: teuer und ineffizient. Zwar halten sich die Ausgaben im Vergleich in Grenzen, der "Output" (gemessen an Abschlüssen) ist allerdings derart schlecht, dass die Pro-Kopf-Kosten für eine "fertige" Akademikerin oder einen Akademiker im absoluten internationalen Spitzenfeld liegen.
OECD
Im Sinne eines vielbeschworenen Zukunfsstandortes schaut es nicht gut aus, wenn die AkademikerInnen-Quote bei den 25-34-Jährigen nur geringfügig höher ist als die der 55-64-Jährigen. Stagnation auf ohnehin niedrigem Niveau. Oder, wie die OECD es ausdrückt: "If current tertiary attainment rates among 25-34 year-olds are maintained, [...] Austria, Germany and the partner country Brazil will fall further behind."
Studieren ist nicht gratis
Dabei wird ja gerne so getan, als wäre Österreich für Studierende insofern ein kleines Paradies, als sich um die Kosten ausschließlich der Staat kümmere. Tatsächlich kostete jeden und jede einzelnen Studierenden ein Abschluss in Österreich (im Jahr 2006) etwa 64.000 US-Dollar. Davon fielen knapp 8.000 auf direkte Kosten (also unter anderem die damals noch eingehobenen Studiengebühren, Bücher, etc.), der Großteil aber auf das bis zum Abschluss entgangene Einkommen. Macht pro abgeschlossenem Studium also etwa 64.000 US-Dollar, die vom Studierenden direkt oder indirekt in die eigene Zukunft investiert werden. In der Regel ist das natürlich eine lukrative Investition, die sich über höheres Einkommen langfristig durchaus rentieren kann, aber man muss sie sich vorher auch leisten können.
Der Staat investiert in einen Studienabschluss übrigens etwa 55.000 Dollar (direkt über Zahlungen an die Universitäten und indirekt über die während der Studienzeit entgangenen Steuereinnahmen). Auch gut angelegtes Geld übrigens, ist doch abgesehen von Standortvorteil und dem generellen Mehrwert einer besser gebildeten Bevölkerung ein höheres Steuereinkommen für den Staat die direkte Folge des privaten Vorteils eines durchschnittlich höheren AkademikerInnen-Gehaltes.
http://www.flickr.com/people/eflon/
An der höchst lukrativen Investition "akademische Ausbildung" ist also jeder Student und jede Studentin in etwa zur Hälfte mit ihrem Privatvermögen beteiligt. Egal ob mit oder ohne Studiengebühren. Die mögen (weil so sicht- und spürbar) zwar durchaus einen Steuerungseffekt haben (den man eigentlich nicht will, sobald er von einem Studium abhält), budgetär schlagend werden sie in der bisherigen Höhe allerdings nicht wirklich.
Wer Bildung will ...
Mehr Bildung ist gut. Da muss man keine emanzipatorischen Ideologien bemühen (könnte man natürlich mit gutem Recht), da kann man durchaus auf rein volkswirtschaftlichem Terrain bleiben. Dass man in Österreich hier in jeder Hinsicht Ressourcen verschwendet (ineffektive und überbürokratisierte Strukturen, völlig unnötige Selektionen nach finanzieller und kultureller Herkunft, kapriziöses Elitengehabe) ist eine international gut dokumentierte Schande. Daran würde eine Gebühren-Abrechnung nach der Zahl der besuchten Vorlesungen wohl ebensowenig ändern wie die immer allgegenwärtigere Diskussion um die Beschränkung von Studierendenzahlen für einzelne Fächer. Wer Bildung will, muss Bildung möglich machen.