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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

7. 9. 2010 - 17:53

Retter der Welt

Ein im besten Sinne des Wortes wahnsinnig guter Roman des amerikanisch-österreichischen Autors John Wray. Am Wochenende live in Tirol.

buchcover retter der welt, grau mit farbigen punkten und rauten

rowohlt

John Wray: "Retter der Welt". Roman. Aus dem Amerikanischen von Peter Knecht. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009

Die Welt zu retten ist nicht einfach. Schon gar nicht, wenn man nur einen Tag Zeit dafür hat. Und noch weniger, wenn man paranoid schizophren ist, eben aus einer Anstalt geflüchtet ist und die Verfolger einem dicht auf den Fersen sind.

Getrieben von seiner Mission hetzt William Heller, der sich Lowboy nennt, durch das New Yorker U-Bahnsystem. Will hat längst genügend Beweise dafür gefunden, dass die Welt immer heißer wird und er ist überzeugt, dass die Welt am nächsten Tag verglühen wird. Es sei denn, er rettet sie. Es sei denn, er hat mit jemandem Sex.

So flüchtet er vor den Pflegern, die ihn suchen, aber auch vor der Polizei, gilt er doch als gefährlich, seit er in einem Anfall ein Mädchen vor die U-Bahngleise gestoßen hat. Selbst seine Mutter Violet hat schmerzhaft erkannt, "Will ist ihnen nicht wichtig. Sie haben keine Angst um Will. Sie haben Angst um jedermann sonst."

Die Mutter ist gemeinsam mit dem Detective Ali Lateef unterwegs. Ein interessantes Gespann – der ruhige, überlegte Detective und die mal hellwache, dann wieder verstörte Violet, die entweder mehr weiß, als sie erzählt, oder aber manche Dinge gar nicht wissen will. Jedenfalls schweben dubiose, beklemmende Geheimnisse über ihr.

portrait wray

© Amber De Vos (Autorenfoto)

John Wray © by amberdevos.com

John Wray, geb. 1971 in Washington/USA als Sohn eines amerikanischen Vaters und einer Kärntner Mutter.
Gelegenheitsjobs u.a. als Plattenverkäufer, Gärtner, Kellner oder Taxifahrer.
2001 Durchbruch als Schriftsteller mit "Right Hand of Sleep" (Die rechte Hand des Schlafes - übersetzt von Peter Knecht, 2002 Berlin Verlag)
2007 wurde er von dem Literaturmagazin Granta unter die 20 besten jungen US-Autoren gewählt.
"Retter der Welt" ist sein dritter Roman.

Eine gewisse Nähe zur Mutter entwickelt man hierzulande schon, weil Violet aus Österreich kommt. Sie hat während ihres Studiums im Porgy und Bess gearbeitet, dort den Vater von Will, einen Jazzmusiker, kennengelernt und ist ihm nach Amerika gefolgt.

Hier also die Mutter und der Detective auf der Suche, dort Will auf der Flucht, vorzugsweise in U-Bahnen, wo er sich besonders wohl fühlt:
"Seine geistige Anspannung löste sich. Sogar sein verkrampftes, klaustrophobisches Hirn empfand etwas wie Zuneigung für den Tunnel.
Es war schließlich sein Kopf, der ihn gefangenhielt, nicht der Tunnel, die anderen Passagiere oder der Zug. Ich bin in meinem eigenen Schädel gefangen, dachte er. Geisel meines limbischen Systems. Es gibt keinen Weg ins Freie, außer durch die Nase."

Die Welt des New Yorker U-Bahnsystems ist überzeugend nah und klar, schließlich hat John Wray das meiste des Romans in der U-Bahn geschrieben. Das Tempo, die Hektik, der Stress der Großstadt, all das scheint zusätzlich in Will einzudringen und seine Krankheit zu beschleunigen und zu verstärken.

Weitere Leseempfehlungen:

Es ist bemerkenswert, wie gut John Wray Schizophrenie in Worte fassen kann, wie beklemmend, ohne dabei irgendwie wertend zu werden: jeden lässt er in seiner Welt leben und schreibt damit einen im besten Sinne des Wortes wahnsinnig guten Roman. Ich zähle ab sofort zu jenen, die sagen, "Retter der Welt" sei einer der besten Romane des Jahres 2009.

John Wray und Sprachsalz

John Wray liest bei den Tiroler Literaturtagen Sprachsalz, die von 10. bis 12. September in Hall stattfinden. Neben anderen lesen dort auch Beat-Legenden: Hettie Jones und Gerard Malanga, darüber gab es im Sumpf schon was zu hören, der Wegbegleiter und Freund von Charles Bukowski - Carl Weissner oder auch Monika Helfer.