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Pia Reiser

Filmflimmern

6. 9. 2010 - 13:20

Long and Drew Love

Ein kleiner Schritt für die Filmgeschichte, aber ein mittelgroßer für die rom com. Drew Barrymoore und Justin Long probierens in "Going the Distance" mit der Fernbeziehung.

Im Staate rom com gibt's keine Anzeichen für umwälzende Revolutionen; wozu denn auch, solang sich mit den ewigähnlichen "Boy meets Girl" Opfergaben vor dem Biologismusaltar der Box Office Gott zufriedenstellen lässt. Als Korrespondent, der aus dem Staate rom com berichtet, wird man also erstens bescheiden - Wunder erwartet man keine -, und zweitens hellhörig für jegliche Verschiebung von Zwischentönen. Insofern lässt einen Nanette Bursteins "Going the Distance" aufhorchen. Es ist keine Revolution, aber eine kleine Reform.

Drew Barrymore und Justin Long werden hier in den Boy meets Girl-Ring geschickt, geschickt auch natürlich das Kokettieren mit der On/Off-Beziehung der beiden Schauspieler im echten Leben. Die Fotos von den beiden beim Herumalbern am Set waren wohl mehr als die halbe Filmmarketing-Miete. Aber, man schaut sich ja auch "Mr. und Mrs. Smith" nicht an, weil das so ein brilliantes Stück Filmgeschichte ist, sondern um ein wenig Voyeur in der Entstehungsphase von dem zu sein, was uns nun als "Brangelina" so leicht von den Lippen geht. Und "Who's Afraid of Virginia Woolf?" zieht seinen Reiz nicht nur, aber auch aus der Tatsache, dass das damalige Superstar-Ehepaar Liz Taylor und Richard Burton einander darin das Leben zur Hölle macht. Jetzt also spuckt Tinseltown Barrymore und Long auf die Leinwand und lässt sie romcomieren.

Justin Long trägt Drew barrymoore, Szenenbild aus "Going the Distance"

Warner Bros

Das Auffälligste an "Going the Distance" ist sein Bemühen um eine Ansiedelung in der aktuellen, echten Welt. Wo andere rom coms in einem Paralelluniversum spielen, in denen die Figuren nicht näher ausgeführte Bürojobs haben, die es einem ermöglichen, in New York über mindestens 80 Quadratmeter Wohnfläche zu verfügen und sowohl Büros, Kaffebecher, Kleidung als auch Restaurants einander von Film zu Film gleichen wie Lotte einst Luise, ist "Going the Distance" ein Kind seiner Zeit. Und Kind seines Zeitgeists. Erin und Garrett sind in ihren 30ern, besessen von Popkultur, wohnen in WGs bzw. bei ihren Familien und hadern mit dem, was wabernd als die Krise beschrieben wird. Als wär' das NEON ein Leinwandpaar geworden.

Garrett ist Grungehemd-tragender A&R bei einem Musiklabel, das heißt, auf seinem Schreibtisch stapeln sich die CDs, aber statt in guter Indiemanier wirklich interessanten Bands zum Durchstart verhelfen zu können, muss er sich unter dem Druck ebenjener Krise mit der Suche nach den neuen Jonas Brothers beschäftigen. Erin macht 31-jährig ein Praktikum bei einer Tageszeitung und hofft auf eine Festanstellung, aber - ihr ahnt es schon - auch hier alles Krisengebiet und Festanstellung damit Utopie.

Justin Long in "Going the Distance"

Warner bros

Testing me, trying my patience

Und so steht die Kennen- & Liebenlernphase von Erin und Garrett auch unter dem Stern der Kurzlebigkeit, denn da New York ihr keinen Arbeitsvertrag bieten kann, geht es für sie nach ihrem Praktikum zurück nach Stanford, auf die andere Seite des Kontinents. Was nun? Ignorieren, dass einem der Film sogar eine "händchenhaltend am Strand zu The Cure flanieren"-Montage spendiert hat? Drüber hinwegsehen, dass man bekifft Sex zum "Top Gun" Soundtrack hatte und sich beim Frühstück am nächsten Tag noch in die Augen sehen konnte? Es nicht für ein Zeichen halten, dass man "The Shawshank Redemption" als gemeinsamen Lieblingsfilm hat? Sicher nicht. Dann schon lieber Fernbeziehung.

Drew Barrymoore und Justin Long sind beide keine Schauspieler, denen man Tag für Tag hysterisch Iffland-Ringe hinterherwerfen möchte, aber man hat sie irgendwie ins Herz geschlossen (das sind immerhin Gertie!! Und der Mac!!!) und die Grundsympathie für die beiden und die tatsächlich vorherrschende Chemie zwischen einem rom com Leinwandpaar, ermöglichen, dass man Erin und Garett tatsächlich mag. Und ihnen abnimmt, dass sie etwas füreinander empfinden.

Drew Barrymoore und Justin Long in dem Film "Going the Distance"

Warne Bros

Rom und Com

"Going the Distance" verzichtet dankenswerterweise auf das normalerweise nach halber Film-Laufzeit vorprogrammierte "Missverständnis", das zum kurzfristigen Bruch führt und das aus der Welt zu schaffen wäre, wenn die Leinwandherrschaften einfach miteinander reden würden. Ich rede von Missverständnissen, die dann mit Sätzen wie "Wie...das E-Mail war von deiner Cousine?" oder "Der Spruch auf dem Anrufbeantworter war ein Scherz, Baby" wieder aus der Welt geschafft werden. "Going the Distance" strickt die Beziehungsgeschichte um Erin und Garrett erstaunlich undramatisch und um Bodenhaftung bemüht. In Sachen rom läuft alles wie am Schnürchen, in Sachen com leider aus dem Ruder: Schlecht getimter Slapstick, gepaart mit reichlichen akward-Momenten, kombiniert mit Christina Appelgate, deren Talent zur Komödie in meinen Augen ein blinder Fleck ist. Und die Bräunungskabinen-Szene: Ich sags nur ungern, Justin Long, aber das war in "Friends" lustiger. Und da stand der äußerst unlustige David Schwimmer in der Kabine!

Teilweise liebäugelt die Komödie mit den Apatow-Werken, ohne je an diese heranzukommen. Dazu fehlt "Going The Distance" das Gespür für Timing und Feinheiten. Die Sprache in den Apatow-Filmen, für die hat das Englische das schöne Wort "raunchy", das im Deutschen irgendwo zwischen dreckig und schlüpfrig seine Bedeutung verliert. So schwer die Übersetzung von "raunchy", so schwer auch seine Dosiering im Filmdialog; immer wieder befällt "Going the Distance" Akut-Tourette ohne weiteren Zweck.

Drew barrymoore in dem Film "Going the Distance"

Warner Bros

Drunk Girls

So unausgewogen der Raunchy-Haushalt, so überraschend anders das Mann/Frau-Modell, aus dem der Film seine Romanze strickt. Drew Barrymoore, ohnehin immer um tomboy und Pferdestehl-Attribute bemüht, darf hier mit Soße im Gesicht beschmiert Hühnerschenkel essen, Bong rauchen, Football spielen und zuviel trinken, während Justin Long um sein Gewicht bemüht zum Salat greift und ins Bräunungsstudio geht, um der geliebten Erin nach der langen Trennung nicht mit dem Teint eines "Kabuki Players" entgegen zu treten.

Drew Barrymoore und Justin Long in dem Film "Going the Distance"

Warner Bros

Nicht sehens-, aber bemerkenswert

All diese Feinjustierungen in Zeitgeistbezügen und Geschlechterrollen machen "Going the Distance" immer noch zu keinem wirklich guten Film und schon gar nicht zu einer guten Komödie, sind aber in Sachen rom com-Entwicklung ein Siebenmeilenschritt.

"Going the Distance" läuft seit 3. September 2010 in den österreichischen Kinos

P.S: Ein wirkliches Disaster ist übrigens das Plakat, dankenswerterweise stehen die Namen der Schauspieler noch daneben, denn die würde man nach dem Ausflug des Posters ins Photoshop Bootcamp nicht wiedererkennen. Super auch, was Drew Barrymore mit ihrem rechten Arm machen kann. Der Cirque de Soleil ist interessiert.