Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fußball-Journal '10-48."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 9. 2010 - 15:18

Fußball-Journal '10-48.

Die Legionärs-Liste. Österreichische Fußballarbeiter im Ausland. Teil 4: Coaches und Free Agents.

Meisterschaft und Cup, das Nationalteam, das "europäische Geschäft", der Nachwuchs, das Medienverhalten, die Wahnsinnigkeiten im Umfeld oder auch die Österreicher im Ausland: das Fußball-Journal 10 begleitet die Saison mit ungeschöntem Blick.

Und wie immer nach dem Transferschluss-Stichtag gibt es die halbjährliche Legionärs-Liste. Diesmal in vier handlichen Teilen.

Teil 1: Deutschland.
Teil 2: der kleine Grenzverkehr, also die Nachbarn (Schweiz, Liechtenstein, Italien, Slowenien, Ungarn, Slowakei und Tschechien).
Teil 3: der Rest der Fußball-Welt.
Und, neu, in Teil 4: die Trainer im Ausland und die Free Agents, also Spieler, die auch nach dem 1.9. noch verpflichtbar sind.

Wichtige Seiten dazu: Legionärs-Liste auf Wikipedia und natürlich der immer aktualisierte Auslandseinsätze-Site von Transfermarkt.at.

Während die Lage der österreichischen Fußballspieler im Ausland sich langsam normalisiert, es sinnhaften kleinen Grenzverkehr gibt und das Streben nach Entwicklung ebenso wie die Gier nach der großen Karriere ihren Ausdruck in Wechseln ins Ausland findet, sieht es bei den österreichischen Coaches so elend aus wie noch niemals zuvor. Sie sind, um AMS-Sprech zu verwenden, so gut wie unvermittelbar. Liegen wie Blei in den Regalen.

Warum das so ist?
Der internationale Trainer-Markt bewegt sich schnell; wer inhaltlich und auch formal hinterdrein hatscht, hat keine Chance. Trainer wie etwa der ÖFB-Teamchef, die sich (aus der puren Angst in der Boulevard-Presse als intellektuell und somit schwach zu gelten) abfällig über Systemkunde äußern und das Klappen mit einem einzelnen veraltenen Video schon als Beobachtung gelten lassen, haben international logischerweise nicht die geringste Chance auf einen Job. Dort, vor allem in den besseren Ligen sind einerseits
natürlich Erfahrung und Erfolg gefragt, andererseits aber auch die Kenntnis moderner Trainingslehre, das Wissen um den aktuellen Stand des Weltfußballs und ein kluges Medienverhalten.

Nichts von alledem existiert in Österreich, bei Österreichs Trainern. Sie haben den Anschluss an die richtige Fußball-Welt verloren, auch weil sie sich im Suhlen im österreichischen Topos, der von einem ahnungslosen und zynischem Boulevard geprägt ist, begnügt.

Cernys und Polsters

Natürlich gibt es auch positive Gegenbeispiele: Harald Cerny etwa ist als Jugendtrainer beim FC Bayern tätig, lernt also den Job beim bestmöglichen Verein von der Pike auf, anstatt sich als natural born Trainer, Manager, Sportdirektor oder Medienkolumnist aufzublähen und planlos herumzupolstern, wie es in Österreich die Regel ist (vor allem was ehemalige Teamspieler angebelangt).

Aber: seit Ralph Hasenhüttl beim deutschen Drittligisten Unterhachung entlassen wurde, seit Kurt Garger vor einem Jahr bei Dunajska Streda rausgeflogen ist, ist kein österreichischer Trainer ist in irgendeiner Liga von Bedeutung in einer Position von Bedeutung tätig. Und mit der dritten deutschen und der slowakischen Liga spanne ich den Begriff "von Bedeutung" ohnehin schon weit.

Die erfolgreichen Österreicher Rolf Fringer (Schweiz, Luzern) und Michael Petrovic (Sanfrecce, Japan) haben zwar einen hiesigen Pass, aber nicht die hiesige Ausbildung und Sozialisation durchlaufen (das gilt auch für Marinko Koljanin, Betreuer bei Rijeka).

Die Coaches, die sich etwa in Russland wirklich durchgesetzt haben, Sergej Mandreko (der ist Pass-Österreicher) und Rashod Rachimov (der wird gerne moralisch eingebürgert, deswegen erwähne ich ihn) sind auch Produkte des russischen (teilweise noch sowjetischen) Systems. Die echten Österreicher, auch die Besten wie Tatar, Hitzel oder Canadi, konnten das Sprungbrett nicht nutzen.

Gorenzels und Hickersbergers

Nur Günther Gorenzel-Simonitsch hat seine Zeit bei 1860 München so auslandsfit gemacht, dass er aktuell bei russischen Meister Rubin Kazan als Betreuer im Trainerstab arbeiten kann, und somit der einzige Austro-Coach in der Champions League ist.

Andere exotische Ausnahmen: der Jugendleiter des Grasshopper Club Zürich, Michael Kopf; der Coach der Liechtensteiner U21-Nationalmannschaft, Rene Pauritsch. Und ein paar Scouts wie Reinhold Hintermaier (Nürnberg), Attila Sekerliouglu (Bayern), Nik Neururer (Celtic) und früher auch Heinz Schilcher (Ajax).
Und natürlich der an sich pensionsreife Alfred Riedl, der sich gerade als Fußball-Lehrer beim Nationalteam von Indonesien verdingt.

Das ist es dann aber auch schon.
Und: so eine Quote hat wohl europaweit kein anderes Land, das halbwegs etwas auf sich hält.

Bezeichnend für die Einstellung der heimischen Coaching-Kohorte ist aber ohnehin die Blase, die in den kleinen Golf-Diktaturen abhängt und dort am Golf-Handikap arbeitet.

Josef Hickersberger hat als Teamchef von Bahrain Georg Zellhofer, Klaus Schmidt und Franz Almer ins Team eingebracht, Spezi Klaus Lindenberger ist beim Ex-Club Al Wahda in Abu Dhabi geblieben.

Das wurschtige Laissez-Faire, die Altersweisheit des österreichischen Desinteresses an geistiger Bewegung passt offenbar gut zur aktuellen Mentalität der Mächtigen in den Golf-Staaten.

Was ist ein Free Agent?

Hier eine Hitlist der Vertragslosen bei Laola1.

So heißen jene Sportler im streng regulierten nordamerikanischen Sportsystem, die nach ausgelaufenen Verträgen jederzeit verpflichtbar sind.
Für die vertragslosen Spieler gelten die Transfer-Fenster (von denen sich eben wieder eines geschlossen hat, bis Dezemer) nicht, sie dürfen immer. Und das ist mit dem positiv besetzten Begriff des Free Agents, finde ich, schöner auf den Punkt gebracht als mit derr negativen Vertragslosigkeit.

Und wie immer spekulieren ein paar genau darauf. Dass Vereine nach schlechten Saisonstarts nervös werden und in diesen Markt-Topf hineingreifen. Paul Scharner etwa hat das sogar bewusst angesprochen, eher er dann doch noch vor Transferschlußss bei Westbrom unterschrieben hat. Emin Sulimani, der Probetrainings bis in die Schweiz bestritten hat, wurde so vom LASK geholt. Matthias Hattenberger, der sich offensichtlich verzockt hatte, profitierte von einer Verletzung bei Grödig. Daniel Gramann kam auch bei den Salzburgern unter.

Eine ganze Latte nicht unattraktiver Spieler ist noch frei, und kann jederzeit überall hin wechseln.

Übergebliebene mit Auslands-Erfahrung

Duran ist zwischenzeitlich bei der Vienna untergekommen.

Wen ich sofort nehmen würde: Sargon Duran (87-01) und Yüksel Sariyar (79-08) fürs defensive Mittelfeld, Aleksander Popovic (83-11) für davor und Dominik Rotter (90-07) sowie
Alexander Novak (91-01) für den Angriff. Als Flügelspieler natürlich Muhammet Akagündüz (78-01), aber ich denke, der wird sich eher für sein Studium entscheiden. Was Alen Oroz (84-09) als Rechtsverteidiger noch kann? Zumindest Regionalliga-Niveau haben Vadim Slavov (84-02); Niko Ablinger (88-07), Gökhan Vuran (86-08) und Gökhan Ünver (85-09)

Übriggebliebene Inländische

Alfred Tatars Vienna testet gerade.

Mit den Vertragslosen würde man locker drei Mannschaften füllen können. Interessant, wie hoch die Anzahl der links liegen gelassenen Torleute ist - Michael Zaglmair etwa ist ein U20-WM-Teilnehmer; und auch seine Kollegen Lukse und Kuru hatten Mühe im Sommer einen Job zu finden. Stürmer hingegen scheinen es leicht zu haben.

Tor: Andreas Schranz /79-05), Michael Zaglmair (87-12), Pirmin Strasser (90-10), Ertan Uzun (91-01), Thomas Arthaber (84-06), David Kraft (90-07), Stefan Hayden (91-01), Boris Grünwald (91-02) uam.

Osoinik und Rathfuss sind, ebenso wie Duran, eben von der Vienna verpflichtet worden.
Pusic landete ebenso wie Wendelin Hobel bei Altach. Und Vishaj ist mittlerweile in Albanien, bei Korca untergekommen.

Abwehr: Daniel Dunst (84-04), Gerald Gansterer (82-10) Patrick Osoinik (85-01), Raphael Rathfuss (86-09), Florian Weiss (89-04), Tomislav Micanovic (90-02), Leonhard Mayr (91-04) uvam

Mittelfeld: Martin Pusic (87-10), Pascal Ortner (80-11), Butrint Vishaj (87-07), Lukas Gunzinam (92-12), Coskun Kayhan (86-08), Nizar Ben Nasra (87-08), Miroslav Milosevic (85-09), Manuel Kollmann (89-02), Ognjen Dzeko (87-04), Edmir Adilovic (86-08) uvam

Sturm: Wolfgang Mair (80-02), Mario Konrad (83-01), Arben Selmani (87-08), Leandre Uwilingiyimana (89-12) ua.

Wer dazu Anregungen, Ergänzungen oder Richtigstellungen hat, bitte posten! Wird sofort eingearbeitet!

Der Slowene Klemen Lavric wartet auch auf so ein spätes Angebot, sein Markt ist allerdings größer als der der Österreicher. Denn tendenziell schaffen es nur die, die schon einmal waren, wieder ins Ausland.
Lukas Mössner, der letzte Transfer vor Schluss, zum deutschen Regionalligisten Eintracht Trier, ist da die Ausnahme der Regel; aber hoffentlich eine, die künftig zunimmt.