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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

5. 9. 2010 - 13:47

Song Zum Sonntag: Of Montreal

Primitive Götter: "Enemy Gene"

Endlich sagt das mal wer. Und wie er es sagt.

"Wie sollen wir uns je entwickeln können, wenn unsere Götter so primitiv sind. Sie zerstören unsere Hoffnungen auf Liebe und Freiheit"

Vor lauter Identitäts-, Dispositions- und Religiositätsdebatten hatte man (gerade wieder in letzter Zeit) eine simple Message vergessen: Das Anbeten der falschen Götter, das Hören auf die falschen Priester hindert uns in unserer Entwicklung, ob das nun monotheitische Priester sind, die unsere Identitäten bestimmen und einschränken, oder ob sie in Form von Unwiderlegbarem, weil "Wissenschaftlichem" (Gene!) gekleidet sind.

Und das erzählt uns weder Ludwig Feuerbach noch Xenophanes, sondern ein in eine Federboa gehüllter Dandy aus Athens, Georgia.

Bandfoto Of Montreal. bunt kostümierte band vor barockspiegel

ofmontreal.net

Kevin Barnes ist in jedem herkömmlichen Sinn exzentrisch. Er benennt seine Band nach der frankophonen Hauptstadt Kanadas, unter anderem, damit sie die gleichen Anfangsbuchstaben wie seine Lieblingsband Os Mutantes hat. Er tritt auf wie eine Mischung aus aufklärerischem Dandy aus der Zeit von Samuel Johnson (wobei die britischen Seventies und der Funk Rock sein Barock sind) und das Publikum narrendem, hyperaktivem Welchselbalg. Auf seinem Blog empfiehlt er Bücher von Thomas Pynchon und Michel Houellebecq.

Albumcover "False Priest" von Of Montreal

ofmontreal.net

Er verehrt so unterschiedliche Leute wie Paul Eluard, Odin, Marvin Gaye, Steve Harley und Neil Tennant, seine Band klingt wie eine Vorgruppe der Sparks aus dem Jahr 1974 und sieht aus wie Parliament 1977. Seine Veröffentlichungen haben französische, norwegische und lateinische Titel. Er war/ist Mitglied des Bandkollektivs Elephant Six, das uns schon eine der besten US-Bands aller Zeiten, Neutral Milk Hotel, beschert hat. Er hat mit dem Gitarristen von Creed (!) in einer Band gespielt, die "Das Ende des geistreichen Witzes" hieß, schreibt aber schon mal an Ray Davies geschulte Songs, die er "Miniaturphilosoph" oder "autobiographischer Großvater" tituliert.

Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.

Seine Band ist halb wie Ziggy Stardust, halb wie Rick James kostümiert, kostümiert ist sie immer. Er selbst packt manchmal eine Art "Glam Rock Alter Ego" aus, das er als "40-jährigen Ex- Funker nach mehreren Geschlechtsumwandlungen" beschreibt.
Zwischen den Songs führt er auf Konzerten kleine Sketches auf, unter anderem einen Schwertkampf mit seinem Bruder, dem Maler David, der nur dafür mit auf Tour fährt. Live covert er Donna Summer, Misfits, Peaches und Royal Trux.

Danke, Athens, Georgia, dass du uns noch so eine Band geschenkt hast.