Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Schwabenbashing "

Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

5. 9. 2010 - 13:24

Schwabenbashing

Schon seit zwei, drei Jahren überflutet eine Welle des Schwabenhasses Berlin.

Graffiti: "Schwaben raus", gezeichnet "Russe"

Christiane Rösinger

Groß ist der Unmut angesichts der Überfremdung duch schwäbische Einwanderer, die nach Berlin kommen und alles an Immobilien aufkaufen, so dass sich der Berliner immer mehr fremd im eigenen Kiez fühlt. Tatsächlich ist die Bevölkerung des ehemaligen Ostberliner Arbeiter- und Szenebezirks Prenzlauer Berg nach der Wende durch Sanierung und Gentrifizierung zu zwei Dritteln ausgetauscht worden, tatsächlich gibt es eine Verschwäbisierung einzelner Gegenden. Aber auf den Straßen hört man vorwiegend Englisch, Dänisch und Spanisch, Immobilien werden über Makler von Kunden aus dem europäischen Ausland verkauft. Trotzdem ist keine Einwanderergruppe so unbeliebt wie die der Schwaben.

Das Schwabenbashing bezieht sich dabei nicht nur auf die Bewohner des südlichen Bundeslandes Baden-Württemberg, die Schwaben sind ein Synonym für all die pedantischen und reichen Zugezogenen aus dem Süden und Westen der Republik, die aus ihren schönen, ordentlichen Wohnparadiesen in die chaotischste, dreckigste Stadt Deutschlands ziehen, weil es hier natürlich cooler und interessanter als zu Hause ist. Aber kaum angekommen, wolle sie in Berlin ihr "Musterländle" nachbauen, alles so soll geordnet und sauber wie daheim sein.

Plakat mit schwabenfeindlichem Text und ironischer Übermalung

Christiane Rösinger

Tragischerweise stufen sich die Schwaben selbst als liebenswert und fleißig ein, aber der Rest des Landes sieht in ihnen kleinkarierte Spießer. Ihr Duckmäusertum spiegelt sich in einer Sucht nach Verodnungen und gipfelt im Phänomen der "Kehrwoche". Ganz Schwaben liegt unter einem Mief von Bohnerwachs, Maultaschensud, Mercedesstern und dem "Schaffe Schaffe Häusle baue"-Wahn, so die landläufige Meinung über den Schwaben.

ein weiteres schwabenfeindliches Plakat

Christiane Rösinger

Liegt es am Dialekt, der dem Ohr nicht gerade schmeichelt? Einen eher unangenehmen Akzent haben aber auch Menschen aus Thüringen, Sachsen und Hessen.

Ist es das großkotzige, besserwisserische Auftreten? Darin sind ja eigentlich die Berliner Meister.

Nun aber laufen die Berliner Gefahr ihr Lieblings-Hass-Objekt zu verlieren. Denn der Schwabe und die Schwabenmetropole Stuttgart machen zur Zeit einen großen Imagewandel durch. Seit Wochen sind die Stuttgarter in den Schlagzeilen und Nachrichten, weil sie es geschafft haben eine breite Protestbewegung gegen das Milliardenprojekt "Stuttgart 21" zu organisieren. Dieses umstrittene 4,1 Milliarden teure Prestigeprojekt, bei dem der Bahnhof tiefergelegt wird, ist zum Beispiel für mangelnde Bürgerbeteiligung, Verschleierungsaktionen, Vetterleswirtschaft und politischen Mauscheleien geworden. 300 alte Bäume sollen für "Stuttgart 21" gefällt werden, die Stadtmitte wird mindestens zehn Jahre lang zu einer hässlichen Baugrube. Außerdem sind Gesteinsabbrüche zu befürchten und die Mineralquellen der Stadt gefährdet. Gegen "Stuttgart 21" haben sich nun die braven Schwaben zusammen gefunden, organisieren Demonstationen mit 40.000 Teilnehmern vom Punk zur Oma und das bei 500.000 Einwohnern. Da werden Bagger und Hausdächer besetzt, da gibt es jeden Abend um sieben "den Schwabenstreich", bei dem jeder Stuttgarter aus Protest mit Vuvzelas, Töpfen und Deckeln und Trillerpfeifen einen unbändigen Lärm macht, egal wo er grade steht und geht.

Da tut sich ein Widerstandspotential auf, von dem sich die Berliner noch was Abgucken könnten.

Und falls wegen dieses Imagewandels das Schwabenbashing bald out ist - ein neues Hassobjekt findet sich für den Berliner immer.