Erstellt am: 3. 9. 2010 - 19:00 Uhr
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Das Alphaville hat gerade zugesperrt, die Videothek in der Schleifmühlgasse, die 13 Jahre lang das Wiener Synonym für das Besondere, Originalsprachige, Neue und Exklusive, weil kaum woanders zu Bekommende war. Die, wie die Alphaville-Betreiber es in ihrem Abschieds-Statement formulieren, radikalen Veränderungen der letzten Jahre, Download und Gratisverfügbarkeit von Filmen und damit einhergehend auch ein verändertes Konsumverständnis, seien die Gründe für diesen klaren Schlusstrich gewesen. Außerdem sei es für sie persönlich Zeit für eine Neuorientierung.
Gerlinde Egger
Nun gibt es in Wien noch zwei weitere Videotheken abseits des Mainstream, die OZ Cinethek mitten im siebten Bezirk und die Filmgalerie 8 1/2 bei der Wiener Hauptuni. Support your local dealer – wer langfristig eine gute Nahversorgung haben will, muss das vorhandene Angebot auch nutzen. Wir haben die BetreiberInnen der OZ Cinethek und der Filmgalerie 8 1/2 um ein Email-Interview gebeten:
Das OZ und auch die Filmgalerie haben erst vor wenigen Jahren aufgesperrt, da muss die Entwicklung in Richtung Download eigentlich schon absehbar gewesen sein. Es muss also einigen Mut erfordert haben, in Zeiten wie diesen eine klassische Verleih-Videothek betreiben zu wollen. Welche Strategien verfolgt ihr, um in dieser Branche weitermachen zu können?
Paul Ertl: Die Entwicklung war bereits absehbar. Wir wussten auch, dass man davon heutzutage nicht reich wird, und eine gewisse Portion Idealismus gehört schon dazu. Aber eine Videothek in der Form, wie wir sie betreiben, wird für eine gewisse Nische weiterhin eine Rolle spielen. Denn viele Menschen brauchen das haptische Vergnügen zu schmökern und wollen einen persönlichen Ansprechpartner, der sie kompetent berät und mit dem sie sich über ihre Auswahl unterhalten können. Das ist im Internet einfach nicht zu bekommen, und besonders ein cinephiles Publikum legt auf diese Aspekte wert. Wir wollten deshalb von Anfang an unseren Kunden mehr bieten als nur die Filme. Unsere Kunden schätzen besonders die ansprechende Atmosphäre und das bei uns integrierte Café, die das Schmökern zum Vergnügen machen.
Doris Bauer: Unser Konzept einer "Delikatessen-Videothek" basiert vor allem auf Vermittlung und der persönlichen Beratung durch ein kompetentes und engagiertes Team. Dank der inhaltlichen Spezialisierung und unserem Fokus auf das Gespräch mit den KundInnen stellt sich die Frage nach dem Untergang der Branche für uns (noch) nicht. Wir machen Programm, vergleichbar einem Programmkino, mit wechselnden Themen-Schwerpunkten, aber zum Beispiel auch regelmäßige Screenings im benachbarten Weltcafé.
Gerlinde Egger
Wären Abo-Modelle mit Postversand eine Alternative? Gibt es Zukunftsvisionen, in denen die KundInnen bei euch downloaden und euch dafür eine Art Gebühr bezahlen?
Doris Bauer: Postversand bzw. Fernverleih haben wir bereits vor einiger Zeit ausprobiert. Das hat sich leider nicht bewährt. Film ist immer etwas, worüber man reden bzw. sich darüber austauschen möchte. Uns geht es darum, filminteressiertes Publikum zu beraten und zu begleiten, sprich in allen cineastischen Fragen für die KundInnen da zu sein. Der Download kommt puncto Kontakt, Kommunikation und Austausch zwischen Menschen nicht an die Vorteile eines persönlichen Beratungsgesprächs im Laden heran. Weiters gibt es nach wie vor große technische Barrieren, die das Anbieten von Downloads schwierig machen. Lizenzrechtliche Probleme gibt es ja unvorstellbarerweise immer wieder auch noch bei DVDs. Beim Download ist eine praktikable Handhabung noch viel weniger in Sicht, vor allem in bezug auf die für uns interessanten Filme.
Leon Ilsen: Wir sehen unsere spezielle Kompetenz nicht nur in der bloßen Bereitstellung der Filme. Was uns besonders macht, ist weder durch Download noch durch Postversand zu erreichen. Wir bleiben deshalb lieber dabei, was wir gut können: Cineasten eine Anlaufstelle zu bieten, die sie nicht nur wegen der großen Auswahl an guten Filmen lieben.
Gerlinde Egger
Als UnternehmerInnen steht ihr eigentlich in Konkurrenz zueinander, ihr versucht aber auch eure Interessen gemeinsam zu vertreten. Stichwort Vergnügungssteuer, ihr zahlt unter anderem 10% Vergnügungssteuer, da wollt ihr eine Gesetzesänderung. Warum?
Doris Bauer und Paul Ertl: In Wien gibt es ein einzigartiges Gesetz, das Film extra besteuert und zwar die sogenannte Vergnügungssteuer. Die Vergnügungssteuer für Kinos wurde 2005 endlich abgeschafft. Aber neben Pornografie und Glücksspiel fällt weiterhin auch der DVD-Verleih unter dieses Gesetz. Dadurch entsteht eine groteske Situation: Gehe ich ins Kino, um mir beispielsweise „Das weiße Band“ anzuschauen, oder kaufe ich mir den Film auf DVD im nächsten Geschäft, zahle ich keine Vergnügungssteuer. Leihe ich mir den Film aber in einer Videothek, ist für dasselbe Vergnügen – das Sehen eines ausgezeichneten Films – eine Steuer von 10% zu zahlen. Das ist keine Kleinigkeit. Wir werden mit diesem Gesetz sehr stark belastet. Fünf Betriebe haben sich daher zur „Arbeitsgemeinschaft Qualitätsvideotheken“ zusammengeschlossen, um für die Abschaffung der Vergnügungssteuer für Videotheken einzutreten. Mit dem Alphaville fällt nun einer der Betriebe aus unserer Arbeitsgemeinschaft weg.
Leider hat es bisher auf der behördlichen und politischen Seite wenig Bewegung gegeben, hier sind wir bereits des öfteren mit mehr oder weniger absurden Argumenten vertröstet worden. Es wäre die Aufgabe der Politik, hier endlich eine Entscheidung zu treffen. Doch die politischen Mühlen mahlen langsam. Oder wie es der zuständige Beamte, der mit den verantwortlichen Magistraten in dieser Sache kommuniziert, heute zum Stand der Dinge formuliert hat: „Die erste Information war keine erfreuliche – das funktioniert sicher nicht –, auf die zweite Information warte ich noch.“
Was leihen die Leute bei euch eigentlich am meisten aus?
Doris Bauer: Am meisten geliehen werden eindeutig Werke von RegisseurInnen aus unserer Regiewand. Auch unsere Empfehlungen – persönlich wie über Ausstellungen, "Tipp des Monats" oder "Thema der Woche" vermittelt – finden großen Anklang bei unseren KundInnen. Aktuell starten wir gerade mit dem Verleih der neuen Kurzfilmprogramme von espressofilm.
Das Angebot in Wien ist derzeit also noch gesichert. Tipps für die Bundesländer bitte posten.
Leon Ilsen: Bei den Neuheiten hat dieses Jahr Tarantinos "Inglourious Basterds" alle Rekorde gebrochen. Aktuelle Arthouse-Filme werden am meisten ausgeliehen, aber die Leute nehmen sich mit dem dann auch gerne noch einen alten Schinken, einen Autorenklassiker oder einen Geheimtipp mit. Von den Repertoire-Titeln ist "Ich und du und alle, die wir kennen" einer der beliebtesten, der hat bei unseren Kunden eine tolle Mundpropaganda. Auch "Lone Star" empfehlen wir gerne und Clouzots "Die Teuflischen" ist durch persönliche Empfehlungen ebenfalls ein Dauerbrenner geworden.