Erstellt am: 1. 9. 2010 - 22:48 Uhr
Fußball-Journal '10-44.
Meisterschaft, Cup, Medienverhalten, das Nationalteam, das "europäische Geschäft" oder auch die Österreicher im Ausland: das Fußball-Journal 10 begleitet die Saison mit ungeschöntem Blick.
Und wie immer knapp nach dem Transferschluss-Stichtag kommt in den nächsten Tagen die halbjährliche Legionärs-Liste auf euch zu. Diesmal in vier handlichen Teilen.
Teil 1: Deutschland.
Teil 2: der kleine Grenzverkehr, also die Nachbarn (Schweiz, Liechtenstein, Italien, Slowenien, Ungarn, Slowakei und Tschechien).
Teil 3: der Rest der Fußball-Welt.
Und, neu, in Teil 4: die Trainer im Ausland und die Free Agents, also Spieler, die auch nach dem 1.9. noch verpflichtbar sind.
Der Stichtag, der ist der 1. September.
Denn am 31. August endet das sommerliche Transfer-Fenster, und dann, erst dann, stehen die Kader der Fußball-Klubs fest; zumindest bis Dezember (wobei es da Ausnahmen gibt, dazu später), und dann erst dann lässt sich seriös sagen, was so ein Verein für die neu anlaufende, aktuelle, in Österreich schon elend lang dauernde Meisterschafts-Runde leisten kann.
Alles vorher ist unseriös, weswegen sowas ein Fazit erst jetzt wirklich Sinn hat.
Das Fazit das die österreichische Bundesliga anlässlich dieses Stichtags aussendet, lautet mehr Österreicher, nur 68 Legionäre (ich würde beim Nachzählen zwar auf knapp über 70 kommen, aber bittesehr...) und es ist durchaus okay, dass die Konzentration auf den Nachwuchs das planlose Durchshoppen von ungescouteten Legionären ersetzt hat.
Und, ja, es ist tatsächlich kein Zufall, sondern ein Trend.
Man muss sich allerdings schon im Klaren sein, woher das kommt: schuld ist die ökonomische Krise, die hirnloses Geldrausschmeißen, eine wichtige Disziplin des österreichischen Fußballs der letzten 30 Jahre, deutlich schwerer macht.
Zum einen, weil die gütigen Onkels und die popularitätsbesoffengemachten Provinz-Mäzene ihre Talerchen dreimal so oft umdrehen, bevor sie sie rausrücken, zum anderen aufgrund der Erkenntnis jener, die sich nachhaltig in der Branche umtun wollen, dass man als Ausbildungs-Verein mittelfristig durchaus mehr und besser Kasse machen kann.
Horizontlosigkeit als einziges Credo
Dass dieses neue und fragile System der nachhaltigen Vernunft jederzeit zusammenbrechen und in die alten Kartnig-Zeiten zurückkippen kann, belegt jede Situation wenn jemand unverhofft zu Geld kommt oder die Panik kriegt. Denn dann wird sofort in Windeseile eingekauft: Salzburg legt noch ein paar Südamerikaner drauf, Sturm und der LASK sonstwen, Rapid einen schicken Holländer ...
Etwas anderes, was eigentlich Bedingung ist um eine echte Ausbildungs-Liga zu sein funktioniert überhaupt noch nicht: die Export-Quote der Bundesliga ist so richtig scheiße.
Wenn die besten Talente wie Dragovic, Kavlak, Jantscher, Baumgartlinger oder Pehlivan nicht in eine bessere, größere Liga verkauft werden können, dann ist das fatal.
Denn jedes Halbjahr heimische Liga-Alltagskost kostet. Nämlich Ausbildungs-Qualität und Entwicklungs-Potential.
Denn der Dauer-Stehsatz hiesiger "Experten", die den "sollte sich noch in der Liga bewähren/etablieren" ist das Geseier und Gesülze von Sich-nicht-Raustrauern der Marke Peter Stöger. Jeder Ösi-Legionär bestätigt in jedem Gespräch den unermesslichen Gewinn, den das Trainieren und Spielen im Fußball-Ausland nach sich zieht, die Erweiterung des Horizonts, der den heimisch ausgebildeten Spieler dann erst international fit macht.
Das Debakel um die Bundesliga-Exportquote
Bester Beleg davor ist die deutsche Bundesliga, in der sich soviele Österreicher wie schon ewig nicht mehr tummeln. Allerdings ist von den aktuell 15 Spielern nur ein einziger (Okotie) direkt aus der Bundesliga geholt worden; hingegen kamen die Topseller Arnautovic, Pogatetz und Hoffer aus anderen europäischen Ligen, mit Harnik, Walch, Alaba oder Janeczek wurden in Deutschland ausgebildete Talente hochgezogen. Auch historisch kamen nur Korkmaz und Prödl direkt aus Österreich, alle anderen (auch etwa Ivanschitz) immer über den Umweg einer relevanten ausländischen Liga.
Das ist eine erbarmungswürdige Quote.
Und eigentlich ein Armutszeugnis für die hiesige Liga, deren Ziel er sein sollte/müsste zu produzieren und zu exportieren.
In der aktuellen Transfer-Periode hat die Liga allerdings nur genau neun Spieler im Ausland untergebracht. Allerdings sind Prager, Macho, Gercaliu, Mario Sara oder Florian Sturm nicht gewinnbringend verkauft worden, sondern wurden verjagt oder sind geflüchtet.
Cem Atan hat sich freigeklagt.
Der Hit war Marc Janko, allerdings ging der zumindest ein Jahr zu spät - im Winter 08/09 hätte er ein vielfaches eingebracht. Auch okay: Daniel Beichler, der sich allerdings mit dem Zweitligisten Hertha BSC gegnügte. Und dann gab es noch einen Perspektiv-Transfer: Markus Obernosterer zu Energie Cottbus.
Auch diese Quote der Liga: ein Debakel.
Das dringend zum Nachdenken Anlass gibt.
Warum die deutsche Liga nicht gern in Österreich kauft
Denn wenn sich deutsche BL-Vereine lieber mit Österreichern eindecken, die aus Italien oder England kommen anstatt sie direkt vor der Haustür aufzukaufen, dann bedeutet das, dass man die hiesige Ausbildungs-Situation nicht für voll nimmt. Bayern, Werder, Stuttgart, Hoffenheim, Freiburg, 1860 oder Hertha bilden die in Österreich entdeckten minderjährigen Talente auch lieber in der eigenen Kaderschmiede aus, anstatt sie später zu übernehmen, wenn sie von den österreichischen Coaches (den unvermittelbarsten Europas) bereits verdorben wurden.
Deshalb ist es ein hübscher kleiner Zwischenschritt wenn sich die Ö-Bundesliga damit brüstet mehr Österreicher auszubilden und zunehmend auf den unsortierten Einkauf irgendwelcher bazarmäßig aufgeschwatzten Legionäre zu verzichten.
Diese zarte Entwicklung wird sich aber nur dann in Zahlen und Fakten rechnen, wenn man ernst macht und das Programm weiter durchzieht: nicht nur über die Chancen für die Jungen reden, sondern das auch angstfrei durchzuziehen. Wenn 17jährige wie Djuricin oder Leitner in Deutschland Spielpraxis bekommen und wirklich aufgebaut werden, dann sollte sich das auch hierzulande ausgehen. Wenn allerdings weiterhin der Einbau von 22jährigen von Austro-Trainern als mutiger Risiko-Aklt verkauft wird, dann merkt man: die haben's nicht kapiert. Und: so wird sich die Vision der Ausbildungs-Liga, so wird sich der Export-Erfolg nicht einstellen.
Im übrigen gibt es nur genau eine Szenario, die das garantieren würde: ein drastischer ökonomischer Einbruch, wenn also die Vereine an der Armutsgrenze knabbern würden: dann wäre das Bauen auf die Jungen ganz plötzlich genau gar kein Problem mehr.
Dazu wird es wohl, durchaus glücklicherweise, nicht kommen. Weshalb die Zukunft des heimischen Fußballs dann wieder von der Vernunft und der nachhaltigen Intelligenz der wichtigen Player des Sports abhängig ist.
Sorry, wenn ich da skeptisch bleibe.