Erstellt am: 31. 8. 2010 - 18:15 Uhr
Understanding Chiptunes
In den letzten Jahren gestalteten Robert Glashüttner und ich mehrere Sondersendungen, in denen wir uns mit Musik aus dem Universum der Videospiele beschäftigten. Diesmal ändern wir das Konzept ein wenig: Das Open Mike am 1. September steht im Zeichen jenes Genres der elektronischen Musik, das zwar aus der Videospielkultur heraus entstanden, aber längst eigenständig geworden ist: Chip Music. Manchmal nenne ich den Stil auch 8-Bit-Hardcore, um darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Gestaltung dieser Musik um eine schwierig zu meisternde Kunst handelt. Schließlich wird kaum ein Genre so oft missverstanden wie Chip Music.
Robert Glashüttner
Missverständnis 1: "Das Computergedudel ist doch primitiv"
Zwar wird die Musik durch Soundchips generiert, die für heutige Verhältnisse sehr einfache Synthesizer besitzen - diese Synthesizer zu programmieren, ist aber umso schwieriger. Die Programmierwerkzeuge sind rudimentär, die Zahl der vorhandenen Spuren beschränkt sich meistens auf drei oder vier. Deshalb werden bei Chiptunes Akkorde meist über Arpeggios gebildet, um Spuren einzusparen. In die Lücke jeder Spur werden Sounds gequetscht, um mehr Stimmen vorzutäuschen, als die Hardware tatsächlich hat. Der charakteristische Sound von Chiptunes entsteht also nicht nur durch den Klang der 8-Bit-Synthesizer im Chip, sondern vorallem durch den Programmierstil. Chip Music ist funky, weil das Genre hardwarebedingt anders kaum funktionieren kann.
Missverständnis 2: "8-Bit ist rückständig"
Einen Game Boy oder Commodore 64 zur Generierung von Sound zu verwenden ist nicht mehr "oldschool", als die Verwendung einer Hammond-Orgel oder eines Saxophons. Für viele erfolgreiche und im Radio gern gehörte Musikproduzenten (sagen wir einmal Timbaland oder RZA) ist es selbstverständlich, auf ihren aktuellen Platten 8-Bit-Sounds einzusetzen. In den auf Chiptunes spezialisierten Online-Communities wie 8bitcollective oder Micromusic wird das freudig wahrgenommen - dort produziert man allerdings kaum Popmusik, sondern erfindet stattdessen neue Subgenres: Chipstep zum Beispiel, die 8-Bit-Variante von Dubstep und Grime, oder diverse Drum'n'Bass-Abkömmlinge mit LoFi-Sound.
Für Nachschub an neuer Hard- und Software zur Musikproduktion ist auch gesorgt: Am iPhone läuft seit kurzem Oliver Wittchows famoses Game Boy-Musikprogramm Nanoloop, und auch Android-Phones, iPad oder neue Spiele-Handhelds wie der Nintendo DS werden zunehmend zum Musikmachen eingesetzt.
Understanding Chiptunes
Natürlich hängt die Fähigkeit, Chip Music genießen zu können, von Hörgewohnheiten ab: Wer die Ästhetik des Sounds aus den Videospielen der 1980er Jahre kennt und liebt, ist durch das Genre heute leicht zu verzaubern. Aber ich habe in den letzten Jahren auch erlebt, wie Menschen die Ästhetik von Chiptunes zu schätzen lernten, weil sie etwas über den kreativen Prozess erfahren haben, der dahinter steckt - so wie manch einer HipHop- oder Jazz-Musik erst zu lieben gelernt hat, als er mit deren Entstehung vertraut geworden ist.
Da ! Heard It Records
Anmerkung von Robert
- FM4 Open Mike
mit Robert Glashüttner und Operator Burstup - Mittwoch, 1. September, von 0-1 Uhr.
So interessant und wichtig Musikentstehungsprozesse bei Chipmusik auch sind - wir spielen natürlich vor allem Tracks, die uns selbst super gefallen, die wir euch näher bringen möchten und die das FM4 Studio in euphorisches Krachen bringen werden. Ein kleiner Auszug: Markus Schrodt, dot.matrix-Posterboy schickt heute Nacht noch neue Tracks in die Inbox, es gibt einen "IT Crowd Theme"-Remix, OK GO in einer verblipten Version von J. Arthur Keenes und den neuesten Eurotrash-Metal-Chipkitsch-Wahnsinn von Rainbowdragoneyes. Bazinga!
artist | song | |
---|---|---|
FantomenK | Jump Up And Bounce Down | |
Pocketmaster | Play The Game | |
Eftos | Space Of Chaos | |
6955 | One (FEZ Soundtrack) | |
Stasd400 | Machine Code | |
Rainbowdragoneyes | Rape Castle | |
Dimas Theodora | Lolita Can Kill | |
gwEm & Bud Melvin | 8 Bit What | |
HoppiTronic | 8 Bit Drum'n'Bass | |
Markus Schrodt | Der Dreck | |
Cybercrime | It Was An Accident | |
Anamanaguchi | The Dark One (Scott Pilgrim - The Game Soundtrack) | |
Pocketmaster | IT Crowd Remix | |
Derris-Kharlan | Roboroach |