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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

31. 8. 2010 - 18:15

Understanding Chiptunes

8-Bit-Musik, roh und unverfälscht. Ein Open Mike am 1. September, mit Robert Glashüttner und Operator Burstup.

In den letzten Jahren gestalteten Robert Glashüttner und ich mehrere Sondersendungen, in denen wir uns mit Musik aus dem Universum der Videospiele beschäftigten. Diesmal ändern wir das Konzept ein wenig: Das Open Mike am 1. September steht im Zeichen jenes Genres der elektronischen Musik, das zwar aus der Videospielkultur heraus entstanden, aber längst eigenständig geworden ist: Chip Music. Manchmal nenne ich den Stil auch 8-Bit-Hardcore, um darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Gestaltung dieser Musik um eine schwierig zu meisternde Kunst handelt. Schließlich wird kaum ein Genre so oft missverstanden wie Chip Music.

8-Bit-Musiker Chromix live beim Blip Festival 2009 in New York City.

Robert Glashüttner

Chromix live beim Blip Festival 2009

Missverständnis 1: "Das Computergedudel ist doch primitiv"

Zwar wird die Musik durch Soundchips generiert, die für heutige Verhältnisse sehr einfache Synthesizer besitzen - diese Synthesizer zu programmieren, ist aber umso schwieriger. Die Programmierwerkzeuge sind rudimentär, die Zahl der vorhandenen Spuren beschränkt sich meistens auf drei oder vier. Deshalb werden bei Chiptunes Akkorde meist über Arpeggios gebildet, um Spuren einzusparen. In die Lücke jeder Spur werden Sounds gequetscht, um mehr Stimmen vorzutäuschen, als die Hardware tatsächlich hat. Der charakteristische Sound von Chiptunes entsteht also nicht nur durch den Klang der 8-Bit-Synthesizer im Chip, sondern vorallem durch den Programmierstil. Chip Music ist funky, weil das Genre hardwarebedingt anders kaum funktionieren kann.

Chip Music live? Text, Bilder und Videos vom Brooklyner "Blip Festival" aus dem Vorjahr: [1], [2].

Missverständnis 2: "8-Bit ist rückständig"

Einen Game Boy oder Commodore 64 zur Generierung von Sound zu verwenden ist nicht mehr "oldschool", als die Verwendung einer Hammond-Orgel oder eines Saxophons. Für viele erfolgreiche und im Radio gern gehörte Musikproduzenten (sagen wir einmal Timbaland oder RZA) ist es selbstverständlich, auf ihren aktuellen Platten 8-Bit-Sounds einzusetzen. In den auf Chiptunes spezialisierten Online-Communities wie 8bitcollective oder Micromusic wird das freudig wahrgenommen - dort produziert man allerdings kaum Popmusik, sondern erfindet stattdessen neue Subgenres: Chipstep zum Beispiel, die 8-Bit-Variante von Dubstep und Grime, oder diverse Drum'n'Bass-Abkömmlinge mit LoFi-Sound.

Für Nachschub an neuer Hard- und Software zur Musikproduktion ist auch gesorgt: Am iPhone läuft seit kurzem Oliver Wittchows famoses Game Boy-Musikprogramm Nanoloop, und auch Android-Phones, iPad oder neue Spiele-Handhelds wie der Nintendo DS werden zunehmend zum Musikmachen eingesetzt.

Understanding Chiptunes

Natürlich hängt die Fähigkeit, Chip Music genießen zu können, von Hörgewohnheiten ab: Wer die Ästhetik des Sounds aus den Videospielen der 1980er Jahre kennt und liebt, ist durch das Genre heute leicht zu verzaubern. Aber ich habe in den letzten Jahren auch erlebt, wie Menschen die Ästhetik von Chiptunes zu schätzen lernten, weil sie etwas über den kreativen Prozess erfahren haben, der dahinter steckt - so wie manch einer HipHop- oder Jazz-Musik erst zu lieben gelernt hat, als er mit deren Entstehung vertraut geworden ist.

Ein Game Boy, ein Mikrophon und eine Drummachine.

Da ! Heard It Records

Anmerkung von Robert

  • FM4 Open Mike

mit Robert Glashüttner und Operator Burstup - Mittwoch, 1. September, von 0-1 Uhr.

So interessant und wichtig Musikentstehungsprozesse bei Chipmusik auch sind - wir spielen natürlich vor allem Tracks, die uns selbst super gefallen, die wir euch näher bringen möchten und die das FM4 Studio in euphorisches Krachen bringen werden. Ein kleiner Auszug: Markus Schrodt, dot.matrix-Posterboy schickt heute Nacht noch neue Tracks in die Inbox, es gibt einen "IT Crowd Theme"-Remix, OK GO in einer verblipten Version von J. Arthur Keenes und den neuesten Eurotrash-Metal-Chipkitsch-Wahnsinn von Rainbowdragoneyes. Bazinga!

artist song  
FantomenK Jump Up And Bounce Down  
Pocketmaster Play The Game  
Eftos Space Of Chaos  
6955 One (FEZ Soundtrack)  
Stasd400 Machine Code  
Rainbowdragoneyes Rape Castle  
Dimas Theodora Lolita Can Kill  
gwEm & Bud Melvin 8 Bit What  
HoppiTronic 8 Bit Drum'n'Bass  
Markus Schrodt Der Dreck  
Cybercrime It Was An Accident  
Anamanaguchi The Dark One (Scott Pilgrim - The Game Soundtrack)  
Pocketmaster IT Crowd Remix  
Derris-Kharlan Roboroach