Erstellt am: 31. 8. 2010 - 11:49 Uhr
"Good runs, parties and girls"
Blondgefärbte Haare, braungebrannte Haut und eine verspiegelte Sonnenbrille. Mendo Veljanovski schlendert lässig durch die Anlage des Strandbads Annenheim. Der knapp 60-jährige Mazedonier hat genügend Gründe zum Lässigsein. Er ist Acro-Paragleiter und der älteste Teilnehmer beim World Cup am Ossiacher See. "But I don’t feel, that I’m the oldest", sagt er selbstbewusst.
klaus thyri
Mendo Veljanovski hat schon eine Vielzahl an Extremsportarten ausprobiert. Streckenfliegen, Snowboarden und jetzt eben Acro-Paragleiten - ein Sport, der im Gegensatz zu ihm noch recht jung ist. Anfang der 00er Jahre haben die Brüder Rodriguez aus Spanien angefangen, mit ihren Schirmen Tricks zu fliegen. Der SAT, eine Art Spirale, bei der sich der Drehpunkt in der Mitte der Leinen zwischen Pilot und Gleitschirm befindet, war eines der ersten Manöver. Seither hat sich viel in der recht überschaubaren Acro-Paragliding-Szene getan. Neue Tricks sind dazu gekommen und die Piloten sind jünger geworden.
Nicht ins Wasser (ge-)fallen
Die 40 Piloten, die beim Acro Austria World Cup in Kärnten teilnehmen und aus der ganzen Welt angereist sind, sind im Durschnitt 25 Jahre alt. Vier Tage lang campen sie am See und bereiten sich auf ihre Flugmanöver vor. Anfangs nur geistig. "Schöne Manöver-Kombinationen und ein präziser, runder Flug, bei dem man vor allem die Höhe ausnutzt - darum geht es beim Acro-Paragleiten", erklärt der Headjudge Stefan Hodig. "Und dass man bei der Landung nicht ins Wasser fällt."
vera polaschegg
Ins Wasser gefallen, wäre fast der gesamte Wettbewerb, denn auch die natürlichen Feinde der Paragleiter haben es sich am Wochenende in Kärnten gemütlich gemacht. Regen und Wind in den verschiedensten Ausformungen standen am Samstag am Programm. "Wenn man oben auf der Gerlitzen am Startplatz steht und den Hang runter läuft, soll der Wind von vorne kommen", erklärt der Organisator und langjährige Acro-Paragleiter Xandi Meschuh. "Von hinten ist ganz schlecht."
Weil die Sicherheit der Piloten immer Vorrang hat, wurde erst am Sonntag so richtig geflogen - dafür mit allem, was zu einem Acro World Cup dazugehört: Manöver wie Infinity Tumbling, Misty Flip und Helicopter. Der Laie nennt das, was da im Minutentakt am Himmel gezeigt wird: "...total arge Drehungen, Salto-artige Sprünge und wilde Schrauben."
vera polaschegg
Auch wenn er beim Publikum extrem gut ankommt, hat die Schweizerin Judith Zweifel auf den Helicopter-Trick verzichtet. Das Manöver, bei dem der Schirm über dem Piloten wie ein Helicopter-Rotorblatt dreht, braucht enorm viel Fingerspitzengefühl. Aufregung und feuchte Hände sind dabei hinderlich. "Ich bin beim Hochfahren und beim Start immer viel zu nervös", sagt die 33-jährige. Sie ist eine von vier Frauen, die beim Acro Austria Paragliding World Cup teilnimmt. Und genauso ist es generell in der Sportart. Rund zehn Prozent aller Acro-Piloten sind weiblich. "Ich denk, dass sich Frauen oft zu wenig zutrauen und deshalb gar nicht erst anfangen", meint Judith, die auch als Fluglehrerin arbeitet. "Ich hab mir am Anfang auch gedacht - das könnt ich nie machen."
Im Gegensatz zu vielen anderen Extremsport-Events gehen die Frauen beim Bewerb nicht unter. Sie fliegen gleichberechtigt neben ihren männlichen Kollegen. Und zwar jeweils in den Kategorien Solo und Synchro, wobei die Zweier-Formationen zum Zuschauen wesentlich spannender sind.
vera polaschegg
Die Ergebnisse und noch mehr Bilder kann man sich auf der Website von Acro Austria anschauen.
Immer wieder sieht es aus, als würden sich die Schirme berühren, sie gleich aneinander krachen und abstürzen. Was da am Himmel über dem Ossiacher See passiert, ist jedoch feinste Präzisionsarbeit bei höchster Konzentration. Schon im Vorfeld haben die Synchro-Teams ihre Tricks abgesprochen und mehrfach geübt. Schief geht an diesem Wochenende kaum etwas. Zumindest nichts, was das Laienauge sehen kann. Erst bei der Landung, die auch strengstens bewertet wird, werden Patzer offensichtlich. "Wenn die Piloten, bevor sie am Floß landen, mit den Füßen oder Händen kurz das Wasser berühren, ist das gut, und sie bekommen Extra-Punkte", erklärt Headjudge Stefan Hodig. Eine Wasserlandung bringt Abzüge und Gelächter im Publikum.
mari lang
Viele der Zuschauer, die ins Strandbad Annenheim gekommen sind, haben wohl spätestens nach dem Bewerb Nackenschmerzen. Denn während des World Cups sind alle Köpfe gegen den Himmel gerichtet. Mit zusammengekniffenen Augen versucht jeder, die Piloten auf dem blau-weißen Himmelshintergrund auszumachen. Kleine, bunte Punkte schweben vom Berg Richtung Ossiacher See. Erst wenn sich die Acro-Paragleiter über dem Wasser in einem gesteckten Viereck befinden, beginnen sie mit ihrer Show und gehen tiefer. So tief, bis sie irgendwann das zum Landeplatz umfunktionierte Floß in der Mitte des Sees erreichen. An Baden oder sonstige Wasseraktivitäten denkt trotz Sonnenschein niemand. Das Paragleit-Spektakel ist viel zu aufregend, um auch nur ein paar Minuten was anderes zu machen.
"This is a great event", findet auch der Mazedonier Mendo Veljanovski, der auf dem 29. Platz gelandet ist. Und als wäre er der jüngste und nicht der älteste Teilnehmer, fügt er hinzu: "The organiser understands perfectly what we need - good runs, parties after the competition and girls." Damit will er hoffentlich sagen, dass mehr Frauen ihre Angst überwinden und mit dem Acro-Paragleiten beginnen sollten.